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Die Zeichen der digitalen Zeit

(Rohrbach, ls)

Sie kam in Wellen, die Digitalisierung. In den 80er Jahren veränderte der Computer spürbar den Arbeitsalltag. Im Jahrzehnt darauf kam dann die Kommunikation via Internet, Intranet und E-Mail dazu. Der Rest ist, wie man so schön sagt, Geschichte. Die Welt ist vernetzter denn je, und das wird in Zukunft immense Auswirkungen haben, vor allem auf die Arbeitswelt. Ilse Aigner stellte sich zu diesem Thema in ihrem Amt als Wirtschaftsministerin bei einem Unternehmerdialog den Fragen der Mittelständler der Region – und davon hatten die einige.

 

Der Status Quo


Doch erst einmal von Anfang an: Damit alle wissen, wie der Stand der Dinge ist, führte Patricia Kastner, ihres Zeichens Gastgeberin und CEO der Contentserv AG, die rund 50 geladenen Gäste in das Einmaleins des digitalen Zeitalters ein. Ihre Botschaft war dabei sehr klar: Die Konsumenten geben den Unternehmen die Marschrichtung vor. Es gibt 200 Millionen Blogger auf der Welt, die 15 000 Tweets je Minute absetzen. 34 Prozent dieser User posten Meinungen zu Unternehmen. Durch die Digitalisierung hat der Konsument an unglaublicher Macht gewonnen, mit seiner Zufriedenheit steht und fällt der Erfolg eines Betriebs.

Betrachtet man diesen Status Quo etwas differenzierter, so befinden wir uns derzeit in der so genannten zweiten Welle der Digitalisierung. Wo man in den 90er Jahren im Netz vor allem einen einseitigen Informationsfluss hatte, das heißt, wo man ganz pragmatisch gesprochen das Internet vor allem als Informationsmedium genutzt hat, befindet man sich seit dem Boom der sozialen Medien in einer Situation, wo jeder Mensch Content schaffen kann und dieser ist von nahezu allen Winkeln der Welt zugänglich – eine durchaus überwältigende Vorstellung, wenn man sich das einmal auf der Zunge zergehen lässt.

Das Ganze stellt nicht nur unseren Umgang miteinander auf den Prüfstand, auch die Wirtschaft steht damit vor immensen Herausforderungen. „Die Unternehmen müssen zwangsweise besser sein, als der Kunde erwartet. Im Schnitt gibt er dem Unternehmen auf seiner Seite ein Zeitfenster von drei Sekunden. Wenn er dann noch nicht gefunden hat, was er gesucht hat, geht er woanders hin“, so Patricia Kastner. Immerhin gibt der Kunde viel von sich preis. Fast jeder Mensch hat einen „Digital Footprint“, und das wird den Usern mehr und mehr bewusst. Dementsprechend hoch ist auch die Erwartungshaltung. „Der Kunde erwartet die richtige Botschaft zum richtigen Zeitpunkt“, machte die Unternehmerin klar.

 

Die dritte Welle – keine 0- oder 1-Entscheidung

 

Ilse Aigner nahm sich vor allem den drängenden Fragen der Zukunft an. Wie schaffen es Unternehmen, auf der dritten Welle der Digitalisierung zu surfen und nicht von ihr überrollt zu werden? Diese Frage lässt sich unmöglich mit den in der Informatik so beliebten 0- oder 1-Prämissen beantworten, weil sie eben von extrem vielen Variablen, von denen Bildung und Politik nur einen gewissen Teil ausmachen, abhängig ist.

Über kurz oder lang werden es nicht nur die Menschen sein, die sich vernetzen, sondern auch unsere Dinge. „Die Dinge sind doch in Deutschland unser Steckenpferd“, so Aigner. Sie spielte damit auf die zweite Welle mit der Digitalisierung der menschlichen Interaktion an, von der vor allem amerikanische Unternehmen wie Facebook und Google profitieren konnten. Doch um die deutschen Ingenieure und Maschinenbauer würde uns der Rest der Welt beneiden. „Da ist es wichtig, die Digitalisierung früh genug voranzutreiben, damit wir unseren Wettbewerbsvorteil nutzen können“, stellte Aigner bei ihren Ausführungen fest.

 

Koordinierung von Know-how


Aigner präsentierte ihrem Publikum einige Maßnahmen, die alle letzten Endes darauf hinauslaufen, dass das Know-how schnell dort hingelangen kann, wo es gebraucht wird, eben durch die schon angesprochene „Vernetzung der Dinge“. „Es braucht mehr als den Roboter im Betrieb, man muss die Individualisierung von Design und Wartung durch die Robotik verbinden“, so ihr Ansatz für ein zukunftsfähiges Zusammenpiel. Auch in der Gesundheit könnte man durch die Digitalisierung Quantensprünge machen, zum Beispiel durch verbesserte und individualisierte Ferndiagnostik oder passgenaue Prothetik. Und auch der Begriff des Hacking ist längst nicht mehr nur Spielball der „grand politics“, die Sicherheit der Daten betrifft alle und kann für viele auch eine gewinnbringende Zukunftsinvestition sein.

Das sind alles schöne Konzepte, deren Erfolg am Ende an zwei Hürden hängen bleiben kann: Bildung und Manpower. Diese beiden Punkte trieben vor allem die geladenen Unternehmer bei ihrer Fragerunde um. Das eklatante Problem ist und bleibt eben auch hier der Fachkräftemangel. „Der droht zur Bremse unserer Wirtschaftskraft zu werden“, so Wirtschaftsbeirat Bernd Huber. Seine große Sorge ist der Umstand, dass viele Eltern denken, ein erfolgreiches Berufsleben wäre nur über ein Studium zu erreichen, mit der Folge, dass es an sämtlichen Stellen an gut ausgebildeten Handwerkern fehlt. Mit dieser Aussage traf er sichtlich den Nerv der Ministerin.

 

Bildung 4.0


Sie verwies in diesem Zusammenhang auf die Initiative „Elternstolz“, die dafür sorgen soll, dass Ausbildungsberufen innerhalb der Gesellschaft wieder der Status anerkannt wird, der ihnen zusteht. „Eine Karriere mit Lehre ist finanziell attraktiv und vom Verdienst oft besser als ein Studium“, so Aigners Versuch einer Imagepflege.

Wenn über Bildung gesprochen wird, darf nach den Entwicklungen der letzten Woche natürlich ein Kommentar zur Wiedereinführung des G9 an einer solchen Veranstaltung nicht fehlen. Karl Straub und Ilse Aigner machten sich daher in ihren Ausführungen beide dafür stark, dass es eben kein simpler Rückschritt zu einem alten System werden soll. „Das Gymnasium soll dadurch nicht leichter, sondern besser werden“, sagte Aigner. Erreicht werden soll das durch die Einführung von verpflichtendem Informatikstoff und die Möglichkeit zu einem Auslandssemester schon in der Schulzeit.

Nötig sind diese Maßnahmen auf alle Fälle, bedenkt man, dass Unternehmen nach wie vor händeringend nach Fachkräften im IT-Sektor suchen. Vor allem für Claude Herion, Sprecher des Wirtschaftsbeirates, ist dieser Umstand entscheidend. „Unser Unternehmen kann im Moment schlicht aufgrund des Fachkräftemangels nicht schneller wachsen, und im Moment können wir nicht darauf warten, dass die Politik darauf reagiert“, meinte Herion. Er machte vor allem den teilweise schlechten Ruf der Ausbildungsberufe für diese Knappheit verantwortlich und schlug eine Gleichstellung von Bachelor-Abschlüssen und Ausbildungsberufen vor.

Dass ein Erfolg im digitalen Zeitalter jedoch nicht nur an den jungen Menschen hängt, machte Altlandrat Rudi Engelhard klar. „Ein Berufsleben dauert 40 bis 60 Jahre, es ist wichtig, dass man in dieser Zeit nicht abgehängt wird.“ Sein Augenmerk richtete sich vor allem auf Führungskräfte, die eine Fortbildung im Bereich der Digitalisierung nicht mehr für notwendig erachten. „Ich selbst bin auch kein Digital Native“, antwortete Aigner auf seine Ausführungen. Sie betonte, dass letztlich die Firmen ein Interesse daran haben müssen, schon bestehende Fachkräfte für die Herausforderungen der Digitalisierung fit zu machen.

 

Gründerzentren und Start-ups


Doch macht die Ausbildung allein noch keinen erfolgreichen Unternehmer. Hierfür braucht es Kapital und Kontakte. Die Grundlage für gewinnbringendes Wirtschaften wurde mit der Gründung des digitalen Gründerzentrums in Ingolstadt geschaffen, eine Errungenschaft, auf die vor allem Landrat Martin Wolf sehr stolz ist. Junge Unternehmer können dort in direkter Umgebung zur technischen Hochschule für bis zu zwei Jahre Räumlichkeiten und Material nutzen, für das sie ansonsten gerade in der frühen Phase der Unternehmensgründung viel Geld in die Hand nehmen müssen. Karl Straub machte in diesem Zusammenhang mehrmals auf den staatlichen Digitalbonus aufmerksam. Hier können sich Unternehmen mit einem Digitalisierungskonzept bewerben und erhalten vom Staat eine Förderung von bis zu 2 Millionen Euro.


 

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