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BRÄUCHE BRAUCHT’S - Bayern kämpft um seine Wirtshauskultur

(Wolnzach, mu)

DAS WIRTSHAUS IST TOT – LANG LEBE DAS WIRTSHAUS!
BAYERN KÄMPFT UM SEIN KULTURELLES ERBE

Bayern hat in den Jahren zwischen 2006 und 2015 fast ein Viertel seiner Schankwirtschaften verloren. Damit befinden “mia“ uns auf Rang zwei der Bundesländer mit dem größten Gaststättenrückgang in Deutschland. Wir haben uns einmal umgehört, wie es Wirten in der Hallertau geht, was sie zum Thema Brauchtum zu sagen haben und was sie von der Kampagne für die „Zukunft für das bayerische Gastgewerbe“ halten.

 

Dieses Mal: bei Rosi Waldinger vom Lipp’nwirt in Larsbach


Was fällt Dir zum Thema Brauchtum ein? Inwiefern spielt Euer Wirtshaus eine Rolle dafür?

Rosi Waldinger: Ich bin seit 23 Jahren im Geschäft und kann sagen: Brauchtum wie früher gibt’s nimmer. Früher führten die fehlende Mobilität und die berufliche Verwurzelung in der Gegend zu regelmäßigen Treffen. Aktivitäten zu Kirchweih, vom Theater oder Schützenverein und Stammtische haben bei uns abgenommen, andere Sachen zugenommen. Traditionsreiche Termine wie Maifeiern, Jagdessen oder Fischessen gibt’s allerdings nach wie vor. Und das Wirtshaus spielt da eine wichtige Rolle. Ich bin froh, dass sich die Dorfbewohner hier treffen. Larsbach hat ein intaktes, schönes Dorfleben, das merkt man auch bei den Dorffesten immer wieder.

 


„I sitz gern bei de Leid… Da kimd vui z’ruck. A wenn i koa Seelendoktor bin.“


 

Diese Veränderung hat sich bestimmt auf Euer Geschäft ausgewirkt.

Ja, die meisten Gäste kommen mittlerweile von auswärts. Ich bediene und bewirte alle gerne, egal, wo die Leute herkommen. Nach getaner Arbeit setz‘ ich mich schon gerne auch zu den Leuten hin, da kommt dann viel zurück, auch wenn ich „kein Seelendoktor“ bin.

Das klingt so, als wäre das „Wirtshaussterben“ an Euch vorbeigezogen. Spürt Ihr nichts davon?

Wir merken es dadurch, dass neue Kundschaft kommt, die woanders ihren Platz verloren hat. Zum Beispiel haben wir eine neue Schafkopfgruppe hinzubekommen, die einmal im Monat bei uns aktiv ist. Die Basis bleibt aber der familiäre Zusammenhalt und unser Catering-Service, der die letzten 12 Jahre enorm gewachsen ist und mit dem wir uns einiges zutrauen, z.B. Richtung Ministerium, BMW oder Hopfenmuseum. Feiern, Bierempfänge, Familienprojekte … wir sind immer offen für Neues, haben aber kaum Zeit dafür. Da wäre sicher noch Luft nach oben.

 


„Es wird kaputt g’macht, da braucht ma se ned wundern … Und: es is‘ einfach Knochenarbeit.“ 


 

Dann läuft es bei Euch ja gut - Glückwunsch! Wo liegen dann im Gegenzug die Probleme, die so manche Gaststätte betroffen haben?

Es gibt viele Auflagen und Kontrollen, die im Detail unverhältnismäßig gestaltet sind: die Steuer, der Schädlingsschutz, die einzuhaltenden Temperaturen. Der Altersbestand fällt weg, eine neue Küche kostet 80.000 Euro… Das Geschäft wird kaputtgemacht, da braucht man sich nicht wundern, wo der Schwund herkommt. Und es ist einfach Knochenarbeit. Gottseidank haben wir kein Problem, passendes Personal zu finden. Wir haben viele soziale Kontakte und pflegen einen guten Umgang.

Inwiefern könnte die Kampagne des bayerischen DEHOGA helfen, die Wirtshauskultur zu stabilisieren?

Das müsste ich mir noch genauer anschauen, wenn ich wieder mehr Zeit habe. Es ist auf jeden Fall schön, dass man sich Gedanken macht! Aber werden die Richtigen saniert? Die Leute wollen was Bodenständiges. Was konkrete Ideen betrifft, sehe ich zum Beispiel ein Platzproblem bei der Integration eines Kramerladens in ein Wirtshaus. Eine entscheidende Frage ist auch die Zeit: ich brauche die freien Tage unter der Woche zur Erholung, das würde sich zum Beispiel mit einer Paketannahmestelle beißen.

 


„D‘Leid woll‘n oiwei was Verruckt’s. Aber letztendlich san’s am z‘friedensten, wenn’s an da Basis san. Scho der oa oder and’re Ehrengast hat zu uns g’sagt: Endlich… was G’scheid’s zum Essen!“


 

 Denkst Du, dass das Wirtshaus nach wie vor ein guter Ort ist, wo das bayerische Brauchtum überleben kann?

Ja, wo sonst?! Das Brauchtum gehört dazu, das wird immer so sein und kommt auch gerade wieder. Die Gesellschaft erlebt eine Übersättigung, man besinnt sich wieder auf das Ursprüngliche. Zum Beispiel in Form der Tracht. 2010 habe ich da einen Umbruch empfunden.

Rosi, danke. Ist Dir das Thema schwer gefallen?

Nein, nein, um Gotteswillen. (lacht) Ich bin da „g’rad raus“.

 

Das Gespräch führte Michael Urban.

(Das Interview ist bzgl. Länge und Lesbarkeit redigiert.)

 


Kampagne „Zukunft für das bayerische Gastgewerbe“
• Initiiert durch den Bayerischen Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA
• Unterstützt vom Bayerischen Wirtschaftsministerium
• 550.000 Euro für Instrumente gegen das Schließen von gastgewerblichen Betrieben und die Gaststätte der Zukunft
• Bündelung aller Beratungs- und Fördermöglichkeiten
• Fachkräfte-Navigator (Online-Plattform)
• „Blitzlicht-Beratungen“, regionale Beratertage und Beraterdatenbank
• Modell „Wirtshaus mit Zukunft“
• Ergänzendes Investitionsförderprogramm


 

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