Schnapp fordert Ringelschwanzprämie
(Wolnzach, rt)Grünen-Bundestagskandidatin Schnapp und Grünen-Landtagsabgeordneter Magerl sorgen sich unter anderem um den Erhalt heimischer Tier- und Pflanzenarten.
Über die Position der Grünen tauschten sich Interessierte am gestrigen Abend unter der Überschrift "Landwirtschaftspolitik, die Mensch und Umwelt schützt" mit Kerstin Schnapp, hiesige Grünen-Bundestagskandidatin und Pfaffenhofener Kreisvorsitzende der Partei, sowie dem Landtagsabgeordneten Christian Magerl im Wolnzacher Gasthof zur Post aus. Unter anderem forderte Schnapp ein Umdenken bei den Subventionen für die Landwirtschaft zum Erhalt bäuerlicher Strukturen und eine Ringelschwanzprämie für tierfreundliche Betriebe.
Sowohl Magerl, der promovierter Biologe und Chemiker und im Bayerischen Landtag Vorsitzender im Ausschuss für Umwelt und Verbraucherschutz ist, als auch Schnapp kritisierten mit deutlichen Worten die ambivalente Haltung der Bundesregierung insbesondere zur industriellen Landwirtschaft, zum Flächenverbrauch und Artenschutz.
Dass die Grünen eine Agrarwende mit dem Ziel einer weitgehend bäuerlichen Landbewirtschaftung anstrebten und sich gegen Agrarfabriken aussprächen, dürfte ja bekannt sein, sagte Schnapp. „Es geht uns um eine Landwirtschaft, die man mag. Der Verbraucher mag keine Massentierhaltung“, formulierte sie, doch er praktiziere seine innere Haltung nicht. Es finde sich bei näherer Betrachtung auch niemand, der beispielsweise 144.000 Hähnchen in Massentierhaltung wolle, nicht einmal der Bauernverband, ansonsten würde er dies ja verteidigen.
Vor dem Hintergrund, dass die Zulassung des Herbizidwirkstoffes Glyphosat nach einem Entwurf der EU-Kommission voraussichtlich im Herbst eventuell um zehn Jahre verlängert werden soll, warnte die Grüne vor einem womöglich folgenden „Giftcocktail“. Die gegenwärtige Art des Wirtschaftens mache nicht nur bei uns die Natur kaputt, sie wirke sich auch etwa in Afrika aus. Deswegen brauche man sich nicht wundern, „wenn die Leute plötzlich vor unserer Haustüre stehen.“ In der Eu würden 400 Milliarden Euro für Landwirtschafts-Subventionen ausgegeben; davon seien 300 Milliarden Euro an die Fläche gebunden. „Wir befördern damit, dass die Höfe immer größer werden müssen.“ Subventionen seien der Hebel für vernünftiges Wirtschaften“, meinte Schnapp und ergänzte, dass ökologisches Wirtschaften mit Fördergeldern honoriert werden sollte. Auf Landesebene wäre beispielsweise eine „Ringelschwanzprämie“ (Für intakte Schweineschwänze als Bonuszahlung für Schweinezüchter) ein erster Ansatz. „Wir als Politiker müssen etwas ändern; die einzigen, die hier konsequent sind, das sind wir Grünen.“
Versagen der Regierung
Magerl führte mehrere Punkte an, die aus seiner Sicht ein Versagen insbesondere der bayerischen Regierung zeigen. Er nannte etwa die europäische Wasserrahmenrichtlinie, wonach in allen Mitgliedsstaaten einheitlich geltende Umweltziele für den Schutz des Grundwassers und der Oberflächengewässer aufgestellt sind und es eine rechtliche Basis gibt , wie das Wasser auf hohem Niveau zu schützen ist. „Im Jahr 2015 hätte sie (dem ersten Bewirtschaftungsplan aus 2009 nach) erledigt sein sollen, doch wir stehen schlecht da in Bayern.“ Zwei weitere Bewirtschaftungszeiträume folgen noch, so dass spätestens 2021 und endlich 2027 alle Umweltziele der Richtlinie erreicht sein müssen. Nicht einmal 40 Prozent werde man bis 2021 erreichen, die Folge würden Strafzahlungen sein, wetterte Magerl. „Das ist ein klares Versagen der Gesamtpolitik!“ Dringend gebraucht würden Maßnahmen zum Schutz auch des Grundwassers, das unter anderem durch Düngung aber auch durch Stickoxydeintrag aus der Luft gefährdet sei. „Hier versauern wir künftigen Generationen das Hauptlebensmittel.“ In Zusammenarbeit mit den Landwirten müsste über die Düngeverordnung die Nitratbelastung zu reduzieren sein. Eine Kontrolle durch die Ämter für Ernährung für Landwirtschaft und Forsten sei vonnöten.
Artensterben befürchtet
Schlecht bestellt ist es laut Magerl auch um den Artenschutz. „Es sieht dramatisch aus“, befand der Umweltfachmann und nannte als regionales Beispiel das rund 3.000 Hektar große und sich über drei Landkreise erstreckende Natura-2000-Schutzgebiet Paar. Von einstmals 558 Hektar sogenannter Flachland-Mähwiesen seinen aktuell nur noch 18,5 Hektar übriggeblieben; Pfeifengraswiesen seien von 18,5 Hektar auf 0,5 Hektar zurückgegangen. „Die Ackerfläche bleibt, doch das Grünland verschwindet“, klagte Magerl. Es sei nicht geschafft worden, diese Schutzgebiets-Flächen zu schützen. Das sei aber nun zwingend geboten, um die Restbestände für künftige Generationen zu erhalten. Für alle Unteren Naturschutzbehörden an bayerischen Landratsämtern forderte der Landtagsabgeordnete deshalb eine Personalstelle mehr. Die Ziele der im November 2007 vom Bundeskabinett verabschiedeten nationale Strategie zur biologischen Vielfalt seien nicht zu erreichen. „Wir brauchen dringend eine Trendumkehr“, so Magerl. Der Flächenverlust, etwa für Straßen oder Gewerbegebiete, gehe fast zu 100 Prozent zu Lasten der Landwirtschaft. „Es gibt auch für Kommunen kein ewiges Wachstum“, konstatierte er. Schnapp stellte dazu die rhetorische Frage, ob insbesondere ländliche Orte „gewaltsam wachsen“ müssten. Die Bundestagskandidatin verwies in diesem Zusammenhang auf ein geplantes Volksbegehren der bayerischen Grünen gegen den Flächenfraß. Dessen Ziel ist ein Landesgesetz, das den Flächenverbrauch von derzeit 13,1 Hektar auf maximal 4,7 Hektar am Tag begrenzt. Der Freistaat versage bei seinem eigenen Anspruch, Flächenverluste einzugrenzen und müsse auch vor seiner eigenen Türe kehren: „1.000 Hektar Fläche für eine dritte Startbahn geht aus meiner Sicht nicht“, so Magerl.
Wir wollen kein Fahrverbot
Auch der folgenreiche Klimawandel wurde von den beiden Grünen-Politikern angesprochen. Angela Merkel lasse sich zwar als Klimakanzlerin feiern, setze aber weiterhin auf Kohlekraft. Zu bedenken gaben sie auch, dass heute gekaufte Flugzeuge auch in 20 Jahren noch fliegen würden. „Wenn wir jetzt nicht losmarschieren, werden wir das Klimaziel verfehlen.“ Als einen klimapolitisch absoluten Katastrophenfall“ bezeichnete Magerl die Subventionen des Luftverkehrs. Und auch zur gegenwärtigen Dieseldiskussion nahm der Grüne Stellung. „Es gibt technische Möglichkeiten, das Problem zu lösen.“ Doch werde es in Städten zu Fahrverboten durch Gerichtsentscheide kommen, zeigte sich Magerl sicher und forderte die Autoindustrie dazu auf, ehrlicher zu sein. „Das Vertrauen in die Marke Made of Germany wird aufs Spiel gesetzt – das gefährdet wirklich Arbeitsplätze“, ergänzte Schnapp und bekräftigte zum Ende der Veranstaltung: „Wir wollen kein Fahrverbot, wir wollen saubere Autos!“
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