Eine ganz besondere Stadtstorch-Führung
(Geisenfeld, wk)Es war ein ungewohntes Bild, das sich den Geisenfeldern am Freitag bot: Über 30 Rollstuhl- und Rollatorfahrer mit Betreuern bewegten sich durch die Innenstadt und erlebten eine Führung durch die Stadtstörche. Diese hatten sich für die Gäste etwas ganz Besonderes ausgedacht, denn es galt, eine barrierefreie Führung durch Geisenfeld zu organisieren.
Das Stadtstorch-Team und Kulturreferentin Henriette Staudter schafften es mit Bravour, die verschiedensten Stadtstorch-Szenen zu einer Führung zusammen zu bringen, damit es eine „runde Sache“ wurde und die Einschränkungen der Rollstuhlfahrer zu berücksichtigen, denn eine solche Tour hatte es in Geisenfeld bisher nicht gegeben. Teilnehmer der Führung waren Senioren des Caritasheimes Geisenfeld und des Caritasheimes Vilsbiburg. Die Idee, beide Gruppen zusammen einzuladen, stammte von der Geisenfelder Heimleiterin Tanja Wocheslander und Anneliese Lackermair, Sprecherin der Heimbewohner und früheren Kulturreferentin. Eine Spende des Unternehmers, früherem zweiten Bürgermeister und Kreisrats, Erich Deml sen. ermöglichte diese Veranstaltung und den fehlenden Restbetrag sponserten das Caritas-Heim Geisenfeld und die Stadt Geisenfeld. Der Vilsbiburger Heimleiter Stephan Priller war von dieser Zusammenarbeit begeistert und besorgte einen großen Spezialbus für die Fahrt nach Geisenfeld. Auch der Vertreter der Caritas Regensburg, Herr Dr. Seitz hatte es sich nicht nehmen lassen, die Veranstaltung interessiert zu begleiten.
Nach der Begrüßung durch Kulturreferentin Henriette Staudter wurde die große Besuchergruppe aufgeteilt und jeweils von Antonie Schlierf und Wolfgang Koch geführt, der später selbst in verschiedene Rollen schlüpfte. Gestartet wurde beim früheren, nicht mehr vorhandenem Klostertor, bei dem die Gäste von den Gästeführern jeweils Einzelheiten über die Zeit des früheren Klosters und ihrer damals gut 50 Bewohnerinnen erhielten. Und in diese Information platzte Bierbrauer Heimeran Pongratz und erzählte den Gästen über das Bierbrauen im Kloster und in den 16 Brauereien Geisenfelds sowie die Verbindungen des Klosterbieres zum herrschenden Herzog, der den Klosterbrauer später für 22 Jahre nach München zum Aufbau des Hofbräuhauses holte, da in München zu der Zeit kein Bier gebraut sondern aus Einbeck in Niedersachsen geholt wurde, das auf dem langen Weg nach München oft verdarb. Geisenfeld bekam 1310 das Marktrecht und 1410 wurde eine Ringmauer mit vier Toren und 4 Türmen um den Ort gebaut.
Vor jeder Station erläuterten jeweils die Gästeführer recht lebhaft und bildreich die historischen Hintergründe und im Klostergarten erzählte die Äbtissin mit ihrer Dienerin den Überfall der Schweden und den Raub aller ihrer Schätze und Vorräte. Ein Offizier der Stadtgarde musste dann wegen des erneuten Angriffs der Schweden das Kloster wieder räumen. Das Kloster wurde 1037 gegründet und 1803 im Zuge der Säkularisation aufgelöst und an einen Seidenfabrikanten Meier aus der Schweiz verkauft. Im Sinnes-Garten informierte Gästeführer Wolfgang Koch über das Leben im Mittelalter, als der Bäckerbursche mit seinen Semmeln hereinplatzte, die nach Auffassung der Ratsherren zu klein seien und er deshalb Strafe zu befürchten hatte. Eine andere Strafe stellte Wolfgang Koch auf dem Stadtplatz vor: in einem Gitterkäfig stand eine verzweifelte Frau, die angeklagt war, die Kleidervorschriften ihres Standes nicht eingehalten zu haben, denn zur Zeit des Mittelalter gab es genaue Kleidungsvorschriften, und wehe, jemand kleidete sich, als sei er eines höheren Standes. Im früheren Klosterinnenhof gab es dann noch einmal von Braumeister Pongratz Informationen über das schöne bayerische Bier mit Bierverkostung, die alle der Teilnehmer genossen.
Den Abschluss der gut zweistündigen Führung bildete dann im Garten des Caritasheimes die Szene der Bestrafung einer ehemaligen Rats-Ehefrau wegen ihres lästerlichen Schandmauls und Vordrängeln bei den Kirchensitzplätzen, bei denen auch je nach Stand eine Sitzordnung bestand. Bei dieser Szene kamen Ratsehepaar, Äbtissin, ein Herzog und die Bäckersfrau hinzu, die die Strafen im Mittelalter verdeutlichten. Während alle Teilnehmer der Stadtstorch-Führung im Altenheim ein Abendessen mit einer Verkostung eines besonderen Bieres aus dem Kloster Weltenburg serviert bekamen, zeigte die letzte Szene zeigte auf, wie früher, vor dem Reinheitsgebot, das Bier gebraut wurde, denn je nach Lust, Laune und Geschmack kamen allerlei schröckliche Zutaten ins Bier, die dann auch später Auslöser für das Reinheitsgebot von 1516 waren. Das Abendessen wurde musikalisch mit sinnlichen bairischen Weisen begleitet vom Trio „Gitarrisch Narrisch“ mit Elisabeth Rottler (Gitarre), Christian Hofrichter (Kontrabass) und Brigitte Gänsheimer (Gitarre) und bildete den Abschluss eines interessanten Tages, für den sich beide Heimleiter, Henriette und Christian Staudter bedankten.
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