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Gewählt, geschockt und ernüchtert

(Pfaffenhofen, hr)

Wahlabende beginnen im Landkreis gerne im Rentamt. Dort laufen aus allen Gemeinden die Zahlen zusammen, dort trifft man auf strahlende Sieger oder auch ehrliche Verlierer. Am vergangenen Sonntag war das ein wenig anders. Die Gesichter derer, die im Sitzungssaal die Ergebnisse verfolgten, wirkten wie versteinert.

Schon die erste Hochrechnung hatte bei der CSU nicht nur für Ernüchterung gesorgt, sondern sie hatte den Christsozialen den Wahlabend gehörig verhagelt. Bayernweit haben sie mit mit 38,8% das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte eingefahren, und auch Spitzenkandidat Joachim Hermann verpasste den Einzug in den Deutschen Bundestag.

Des einen Leid ist des anderen Freud, könnte man meinen. Während die Union und die SPD bundesweit mehr als 13%verloren haben, konnten sich die Grünen und die FDP über Stimmengewinne freuen. Doch auch bei ihnen wollte keine Jubelstimmung aufkommen. „Natürlich freut es mich, dass die Grünen entgegen der Prognosen das Ergebnis halten und sogar leicht zulegen konnten“, so Kerstin Schnapp. Auch Thomas Neudert (FDP) zeigte sich erfreut über das eigene Ergebnis. Doch so glücklich man auch über die eigenen Zahlen sein konnte, so sehr war man im Wahlkreis Freising/Pfaffenhofen über den allgemeinen Trend erschrocken. Mit einem Zweitstimmenanteil von 13,56% hat die AfD die SPD vom zweiten Platz verdrängt. Teilweise gab es im Wahlkreis Kommunen, in denen die Rechtspopulisten über über 20% der Stimmen auf sich vereinen konnten.

Dieses Ergebnis löste bei den erfahrenen Kreispolitikern schon eine gewisse Schockstarre aus. Wie konnte es so weit kommen? Warum sind auch in einem wirtschaftlich gut aufgestellten Wahlkreis wie Freising/Pfaffenhofen die Rechtspopulisten derart stark?

Das ist wohl die entscheidende Frage. Dabei muss man in erster Linie auch auf die CSU blicken, um festzustellen, dass es dort erdrutschartige Verluste gab. Auch Erich Irlstorfer konnte sich diesem Trend nicht entziehen. Gewann er das Direktmandat 2013 mit 52,9% der Erststimmen, so musste auch er dieses Mal Verluste von knapp 10% hinnehmen. Zwar konnte er den Wahlkreis dennoch mit einem großen Abstand gewinnen, doch die Bilanz stimmte ihn schon nachdenklich. „Wenn man das Ergebnis heute interpretiert, dann hat uns der Umgang miteinander sicherlich Stimmen gekostet“, erklärt der CSUler und verweist damit auf die schon trommelfeuerartige Kritik aus München im Hinblick auf die Flüchtlingskrise. „Wenn man miteinander regiert, dann klärt man solche Streitigkeiten nicht in aller Öffentlichkeit“, so Irlstorfer, der deutlich auch mit seiner eigenen Partei ins Gericht ging.

Der offene Streit mit der Schwesterpartei und ein genereller Rechtsschwenk hat aber offensichtlich den Christsozialen nichts genützt. Und man muss am Ende des Tages wohl die Frage stellen, ob die Rechtspopulisten auch deshalb so stark geworden sind, weil die CSU an Glaubwürdigkeit verloren hat. Denn eines ist bei aller Stärke der AfD auch klar: Viele haben sie aus Protest gewählt. Es scheint dabei weniger um die Inhalte der Rechtspopulisten selbst zu gehen als vielmehr um einen Denkzettel für die aktuell Regierenden. Als Begründung war vielfach einfach nur die Unzufriedenheit über die Flüchtlingskrise zu hören. So handelt es sich letztlich wohl auch im Wahlkreis Freising/Pfaffenhofen mehr um eine emotionale denn eine rationale Entscheidung.

„Wir müssen uns große Gedanken machen, warum so viele Menschen eine Partei wählen, die Rassismus und Hetze verbreitet, und in den nächsten Jahren alles daran setzen, die Menschen wieder von unseren Werten, von Freiheit und Menschenwürde, zu überzeugen“, so Andreas Mehltretter (SPD). Auch seine Partei hatte im Wahlkreis herbe Verluste hinnehmen müssen und ist bei den Zweitstimmen sogar hinter die AfD gerutscht. „Auch wir im Wahlkreis konnten dem Bundestrend nicht entgehen“, fügt er weiter an. Trotz des schlechten Ergebnisses – zurückziehen will sich der Freisinger aus der Politik nicht. „Ich war die letzten fünf Jahre aktiv und sehe keinen Grund, mich nicht weiter zu engagieren – ganz im Gegenteil. Angesichts der Verschiebungen, die wir in der Politik sehen hin zu Rechtspopulismus und -extremismus, sind wir jetzt alle umso mehr gefragt, uns für unsere Demokratie zu engagieren.“

Eine Ansicht, die auch der CSUler Erich Irlstorfer teilt. „Wir müssen nicht nur nach dem Warum fragen und dabei auf die anderen schauen, sondern zu allererst vor der eigenen Haustür kehren.“ Für ihn muss es vor allem darum gehen, das verlorene Vertrauen wieder herzustellen. Keine leichte Aufgabe, wenn man sich die Zahlen in Bayern und im Wahlkreis vor Augen hält.
 

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