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Schießen, schaufeln, schweigen

(Pfaffenhofen, rt)


Der Wolf kommt wieder zurück nach Deutschland. In Bayern gibt es bereits mehrere sesshafte. Fotos: Alfred Raths

 

Erstaunlich gelassen haben die Jäger des Landkreises bei ihrer diesjährigen Hubertusfeier im Pfaffenhofener Stockerhof den Ausführungen Ulrich Wotschikowskys, Wildbiologe, Jäger, Förster und ausgewiesener Experte für Großraubwild, gelauscht. Erstaunlich deshalb, weil es in dem Vortrag ausschließlich um den Wolf ging. Landauf, landab wird der stattliche Beutegreifer inzwischen nämlich häufig zum Aufreger - unabhängig davon, ob er bereits da ist oder nicht.

Bereits seit geraumer Zeit gibt es in Bayern wieder vom Bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU) per Fotofalle oder Genetik bestätigte, standorttreue Wölfe. Und zwar eine Wölfin im Veldensteiner Forst, ein Männchen auf dem Truppenübungsplatz Hohenfels, ein Wolfspaar auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr in der Oberpfalz, sowie ein weiteres im Grenzgebiet von Ostbayern/Tschechien. Letzteres setzte sich mit drei Welpen sogar erfolgreich fort, womit sich erstmals seit über 150 Jahren wieder ein Wolfsrudel in Bayern angesiedelt hat. Allerdings ist im Raum Pfaffenhofen aller Wahrscheinlichkeit nach die nächste Zeit nur mit durchziehenden Jungwölfen auf der Suche nach Weibchen beziehungsweise neuen Revieren zu rechnen. „Die Wölfe sind schon im Landkreis Roth angekommen“ wurde dieser Tage wohl etwas voreilig in einer regionalen Zeitung behauptet. Einen belastbaren Nachweis blieb das Blatt jedoch schuldig.

„Gesprochen wird aber über gefühlte Wolfsanwesenheit in Bayern gerade überall“, heißt es aus dem LfU. Das wusste auch Wotschikowsky zu berichten. Aufräumen wollte er deshalb in seinem Vortrag mit Vorurteilen und Unwissenheit. So legte er Wert darauf, festzustellen, dass die Wölfe aus dem Baltikum zugewandert seien und niemals einer in Deutschland ausgesetzt wurde. „Unsere Wölfe leben zu 90 Prozent von Schalenwild; die Hauptbeute sind Rehe.“ Für den Menschen seien die etwa 12000 in Europa lebenden Wölfe nicht gefährlich, beruhigte der Fachmann. Bereits seit 60 Jahren sei nichts passiert. An Menschen gewöhnt seien sie hier alle. Zum Problem werden könnten lediglich futterkonditionierte Wölfe. Unter gewissen Umständen müssten diese dann auch eliminiert werden.

Verschwunden auf Nimmerwiedersehen

Anfang des Jahres habe man in Deutschland 63 Rudel mit etwa 570 Tieren gehabt. Jedoch müsse die Zahl stetig nach oben korrigiert werden. Das Leben der Wölfe ist jedoch nicht sorglos. Zwei maßgebliche Feinde stehen ihnen nämlich gegenüber: das Auto und – sehr wahrscheinlich – auch Teile der Jägerschaft. „Seit dem Jahr 2000 wurden 150 Wölfe überfahren.“ Im gleichen Zeitraum sei es zu 25 bekannt gewordenen illegalen Tötungen gekommen. Mit einer Ausnahme - das Tier war absichtlich überfahren worden - wurden alle mit Schusswaffen ins Jenseits befördert. Die Frage stelle sich, so Wotschikowsky, wie viele Wölfe tatsächlich auf diese oder ähnliche Weise frei nach dem Motto „Schießen, schaufeln, schweigen.“ aus der Landschaft verschwinden - „Wir haben keine Ahnung.“

Geeigneter Raum für Wölfe wäre nach Ansicht des Referenten für 440 territoriale Rudel; mit dem Faktor Neun gerechnet, ergebe das insgesamt etwa 4000 Tiere, die einen Bedarf von jeweils 200 Quadratkilometern hätten. „Lediglich ein Viertel des Landes wäre dann von residenten Wölfen besiedelt.“ Die Restfläche tauge nur zum Durchzug. Experten rechneten mit dieser Zahl bei unverminderter Besiedelung bis zum Jahr 2023.

 

Großraubwildexperte Ulrich Wotschikowsky sprach zur Hubertusfeier der Pfaffenhofener Jäger über Wölfe.

 

Deutschland ist nur noch Kulturland

Dass es hierzulande nur noch Kulturlandschaft und keine Wildnis mehr gebe, das mache dem Wolf nichts aus, bekräftigte Wotschikowsky. „Die Europäischen Wolfspopulationen dehnen sich aus und fließen zusammen.“ Die Population steige exponentiell mit etwa 35 Prozent per anno an. Wichtig in diesem Zusammenhang zu wissen ist, dass die Europäische Union von ihren Mitgliedsländern als Ziel einen „günstigen Erhaltungszustand“ der Population fordert. Die immer wieder zu hörende Obergrenze für Wölfe werde es nach Einschätzung Wotschikowskys nicht geben können, ebenso sei es unrealistisch, wolfsfreie Gebiete zu fordern. „Keiner sagt aber, wie man das machen soll.“ Den gegenwärtigen nationalen wie internationale Schutzstatus als streng geschützte Art (Mit Ausnahme von Sachsen unterliegen Wölfe übrigens nicht dem Jagdrecht) abzusenken, sei ebenfalls nicht zielführend.

Abschuss löst keine Probleme

Als Ziel bestimmter Interessengruppen definierte Wotschikowsky, dass Wölfe künftig legal geschossen werden können. „Doch welche Probleme lösen wir damit?“ Dass Wölfe ein wirtschaftliches Problem darstellen, wollte er nicht gelten lassen. Vom Jahr 2000 bis 2014 habe es 492 Übergriffe auf Nutztiere gegeben, wobei 1607 verletzt wurden. Sie alle seien mit 223563 Euro ihren Besitzern entschädigt worden. Wotschikowsky rechnete dagegen, was der Gesellschaft beispielsweise Biber, Hamster, Hirsche, Rehe oder Wildschweine kosten. Alleine die Wiederansiedlung der Fischarten Lachs und Stör hätte Unsummen verschlungen. Einer Bejagung zur Absenkung der Wolfsdichte zum Schutz vor Weidetieren oder Wildbeständen machte er ebenfalls eine Absage. „Weidetiere müssen auch bei geringer Wolfsdichte geschützt werden und wir haben eher zu viel als zu wenig Schalenwild. Und obendrauf sei eine reine Trophäenjagd auf den Wolf in der heutigen Zeit wohl kaum noch zu vermitteln.

Wolf und Jäger nebeneinander

Wotschikowsky fasste zusammen: Kein Mensch ist wegen dem Wolf zu Schaden gekommen, es habe nur zwei Fälle von Hybridisierung gegeben, gerissene Nutztiere seien entschädigt worden, mit Anwesenheit des Wolfes seine die Schalenwildbestände nicht eingebrochen – lediglich das nicht heimische Muffelwild ist bei Wolfsvorkommen erloschen – und kein Jagdhund sei bei der Jagd von Wölfen verletzt oder getötet worden. Wie zum Trost war das Schlusswort des Wolfsfachmannes: „Der Jäger ist trotz Wölfen weiterhin notwendig.“
 

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