Schmerztherapie – Angst vor Opiaten wie Morphium unbegründet?
(Pfaffenhofen, kw)
Schmerz – jeder hatte ihn schon mal, jeder kennt ihn. Eigentlich dient er als Warnsignal des Körpers – ein unangenehmes Sinnes- oder Gefühlserlebnis, aber lebenswichtig. Über den Einsatz von Opiaten, im Volksmund oft nur bekannt als Morphin/Morphium, das bei Schmerzen verabreicht wird, berichtete am Donnerstagabend Dr. Hansjörg Aust, Chefarzt der Klinik für Anästhesie und Intensivtherapie bei einem Vortrag in der Ilmtalklinik, Pfaffenhofen.
Schmerz ist eine subjektive Sinneswahrnehmung und kann in der Intensität von unangenehm bis unerträglich empfunden werden. Schmerzempfinden wird wahrgenommen, geleitet und verstärkt, weiter dann im Gehirn nach Stärke und Ort wahrgenommen, wobei vor allem die emotionale Bewertung des Schmerzes in der Region des limbischen System eine wichtige Rolle spielt. Der Körper reguliert und verändert sein Schmerzempfinden, unter anderem durch die Ausschüttung körpereigener „Schmerzmittel“ den Endorphinen z.B. bei der Frau, bei der langen Geburtsphase eines Kindes, oder aber bei einem Marathon.
Die uns als Tabletten, Tropfen oder Pflaster bekannten Medikamente, mit denen man den Schmerz, das Schmerzempfinden lindern oder eindämmen kann setzen an ganz unterschiedlichen Stellen des Schmerzsystems an, referiert Aust.
Gegen leichte Schmerzen werden bekannte Medikamente wie Ibuprofen, Voltaren, Aspirin eingesetzt, die das „Aktivieren“ von Schmerzrezeptoren verhindern, oder wenn schon aktiviert, dann die Rückkehr in den Ruhezustand fördern. Hierbei macht es aber keinen Sinn Ibuprofen, Voltaren und Aspirin gleichzeitig zu nehmen. Die bekannten Fiebermittel Paracetamol und Novalgin haben aber ebenso eine schmerzlindernde Wirkung und lassen sich gut mit den oben genannten Schmerzmitteln kombinieren.
Diese Medikamente sind niedrigdosiert freiverkäuflich in der Apotheke erhältlich und werden meist bei Fieber, Glieder-, Kopf- oder auch bei Rückenschmerzen eingenommen. Sie zählen jedoch zu den Nicht- Opiaten.
Treten nun aber mittlere, starke oder stärkste Schmerzen auf bzw. sind die Schmerzen chronisch, gibt es die Möglichkeit, diese mit Opiaten/Opioiden zu behandeln. „Opium wird aus den Kapseln des Schlafmohns gewonnen. Der getrocknete Milchsaft wird direkt oder teilsynthetisch zum Opiat verarbeitet. Synthetisch hergestellt mit morphinähnlicher Wirkung werden sie dann Opioide genannt“ erklärt der Mediziner und stellt nun die Fragen: „Muss man nun vor dem Einsatz von Opiaten/Opioiden Angst haben? Oder sind die Vorurteile unberechtigt?“
Häufige Vorurteile, die in der Bevölkerung zum Thema „Morphium“ geläufig sind, werden wie folgt beschrieben:
Opiate - machen süchtig, führen zu körperlichen Schäden, führen zu psychischen Schäden, betäuben, wirken atmungsabflachend, machen soziale Kontakte unmöglich, es gibt keine weiteren Therapiemöglichkeiten mehr danach und der Körper gewöhnt sich an die Dosis – man braucht immer mehr davon.
Aber stimmt das wirklich?
Grundlage von Einsatz von Opiaten in der Schmerztherapie ist das WHO-Stufenschema, das wie schon genannt den Schmerz in drei Stufen einteilt und welche Medikamente dafür zum Einsatz kommen: 1. mäßige Schmerzen – Nichtopioid-Analgetika (z.B. Ibuprofen), 2. starke Schmerzen – schwache Opioide + Nichtopioid-Analgetika, 3. Starke Opioide + Nichtopioid-Analgetika.
Opiate wirken an den körpereigenen Endorphinrezeptoren und diese werden daher auch Opiatrezeptoren genannt. Sie wirken unter anderem durch Hemmung oder Stimulation einer Botenstofffreisetzung z.B. Noradrenalin-Hemmung bzw. Dopamin-Stimulation.
„Der richtige Einsatz ist bei Opiaten sehr wichtig“. Liegen starke oder stärkste Schmerzen vor z. B. starke Hüftschmerzen, Operationsschmerzen, Schmerzen nach einem Unfall, Tumor-Durchbruchschmerzen, oder wirken leichte Schmerzmittel über längeren Zeitraum eingenommen nicht mehr? Dann sollte man in der Behandlung auf Opiate übergehen.
Opiate löschen nicht das Schmerzempfinden aus, sondern machen trotz weiterbestehender grundsätzlicher Schmerzwahrnehmung diesen erträglich und unbedrohlich. Tritt der Schmerz akut auf, ist für den Patienten wichtig, ein schnell wirkendes Präparat zu bekommen, um aber den Schmerz dauerhaft erträglich zu machen, wird ein retardiertes Medikament eingesetzt.
Optimale Behandlung erfolgt daher immer über eine Grundtherapie mit einem retardiertem, also verzögert wirkenden Opiat und einem Notfallmedikament, bei Schmerzattacken in Form eines schnellwirkenden Opiates.
Opiate führen bei regelmäßiger Einnahme zu einer Gewöhnung und zu Anpassungsvorgängen im Körper, sodass man die Gabe von Opiaten nur schrittweise wieder beenden darf, damit der Körper sich wieder rückanpassen kann. Diese Form der „körperlichen Abhängigkeit“ ist nicht gefährlich und besteht bei vielen anderen Medikamenten auch. Aufgrund der euphorisierenden (anregend-berauschend) Begleitwirkung kann sich bei unsachgemäßer Anwendung auch eine psychische Abhängigkeit entwickeln. Diese euphorisierende Wirkung entsteht aber überwiegend bei schneller und hoher Wirkstoffgabe. Ein langsam wirkendes retardiertes Opiat führt daher kaum zu einer derartigen psychischen Abhängigkeit, dies hingegen ist bei den Schnellwirkenden gegeben. Deshalb ist es wichtig, den Einsatz schnellwirkender Opiat auf Notfallsituationen zu reduzieren bzw. das retardierte Medikament immer wieder auf eine optimale Dosierung anzupassen.
Opiate stehen in verschiedenen Verabreichungsformen zur Verfügung: Tropfen, Tabletten, Kapseln, Spritzen, Pflaster, Zäpfchen.
Probleme bei Opiaten oder die Nebenwirkungen wie Verstopfung, Übelkeit und Erbrechen sollten von Anfang an prophylaktisch mit behandelt werden, möglich auftretender Juckreiz bessert sich meist im Behandlungsverlauf von selbst, Schläfrigkeit tritt ebenso nur zu Beginn oder bei zu hoher Dosierung auf, flache Atmung=Atemdepression kommt ebenso bei zu hoher Dosierung oder zu schneller Gabe auf.
Der Facharzt bekundet: „ Opiate sind nichts böses oder mystisches und stigmatisieren auch nicht, entscheidend ist die richtige Indikation, die richtige Auswahl und dies natürlich unter ärztlicher Begleitung.“
Fazit: Letztlich benötigt ein Patient so viel Opiat, wie eine angemessene Lebensqualität unter der Grunderkrankung es erfordert und die Nebenwirkungen es zulassen.
Bei gezielter, ärztlich überwachter Therapie und richtigem Medikament bzw. entsprechender Dosierung muss man eine Behandlung mit Opiaten nicht fürchten.
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