Patientenschule: Gangstörungen und Schwindel im Alter
(Pfaffenhofen, kw)Über zwei häufig vorkommende alltagsbeeinträchtigende Befindlichkeitsstörungen im Alter referierte am Donnerstagabend im sehr gut besuchten Vortragssaal der Ilmtalklinik Pfaffenhofen, der Oberarzt der Neurologie und Geriatrie Dr. Sven Lukhaup. Gangstörungen und Schwindel im Alter ziehen eine Sturzgefahr hinter sich, sind aber ansonsten meist gut diagnostizierbar und zum größten Teil auch gut behandelbar.
Über die Bebilderung durch einen Beamer zur Vereinfachung und Verdeutlichung für die interessierten Anwesenden berichtet Lukhaup zuerst über Gangstörungen, deren Ursache und Behandlungsmöglichkeiten.
Der Gang eines Menschen kann viel über die Person verraten, krummes gehen, schiefe Haltung, humpeln, mit hängenden Schultern gehen usw., dies gibt oft schon einigen Aufschluss, wenn ein Patient in der Klinik einen Arzt aufsucht. Gangstörungen können orthopädischer, internistischer, psychologischer oder neurologischer Natur sein. Der Arzt nennt die häufigsten Ursachen seines Fachgebietes der Neurologie: „die Nerven betreffend können Polyneuropathien, Vestibulopathien, Parkinson-Syndrom, Kleinhirnerkrankungen, Multiple Sklerose, Zustand nach einem Schlaganfall oder anderer Hirnläsion, aber auch ein Normaldruckhydrozephalus beeinträchtigende Gangstörungen verursachen“. Zu 35 % betrifft diese Symptomatik über Siebzigjährige. Im Alter darunter sind sie seltener anzutreffen. Kommt es durch eine Gangstörung zu einem Sturz, entsteht Angst, die häufig die Mobilität noch mehr einschränkt.
Die komplexe Interaktion des Gehens ändert sich etwa ab dem 60.sten Lebensjahr, es tritt eine Verlangsamung ein. „ Ich sehe mir durch eine Ganganalyse Geschwindigkeit, Schrittlänge und Schrittbreite beim Laufen an und befrage den Patient bezüglich vorliegender Krankengeschichten“, so der Neurologe. „Hat der Patient eine gute Balance, stoppt er entsprechend?“ sind wichtige Beobachtungen, die Rückschlüsse auf die Ursache der Störung geben können. Der Pull-Test gibt Aufschluss über die Sturzgefahr und über die Dual-Task-Fähigkeit wird getestet, wie die Koordination zwischen Hirn und Motorik funktioniert.
Über ein Patientenbeispiel erklärt der Oberarzt das Erscheinungsbild bei einem Normaldruckhydrozephalus und die dadurch entstandene Gangstörung. Das Krankheitsbild wird mit Hilfe von bildgebenden Verfahren (CT/MRT) gezeigt und dadurch auch andere Hirnerkrankungen geprüft und ausgeschlossen. Der im Hirn entstandene Druck wird durch einen Liquorablassversuch (über den Rückenmarkskanal) bestätigt durch Normalisierung des Gangbilds. Hier kann durch eine Operation auch meist dauerhafte Abhilfe geschaffen und die Lebensqualität wieder gesteigert werden. Ein Schläuchlein wird vom Hirn unter der Haut in den Bauchraum gelegt, wodurch das Überdruck verursachende Hirnwasser abgelassen wird. Diese OP wird als VP-Shunt bezeichnet.
Das zweite auch häufig auftretende Problem ist der Schwindel, den der Referent sodann erläutert.
Schwindel ist an für sich keine Erkrankung sondern ein Symptom und tritt bei jedem 5-6. Patienten auf. Bei über 80 Jährigen sind etwa 40 % der Patienten betroffen und dadurch auch häufig eingeschränkt, obwohl meist gut diagnostizierbar, dauert es oft lange bis zur endgültigen Diagnose. 20 % der Betroffenen können diagnostisch nicht geklärt werden.
Über die Augen, das Gleichgewichtsorgan im Ohr und Bewegung wird im Gleichgewichtszentrum das Gleichgewicht gehalten. Schwindel kann einige Fachrichtungen betreffen, Orthopädie, Neurologie, Augenheilkunde, HNO, Internist, Allgemeinarzt und Psychiater werden häufiger mit Schwindel-Symptomen des Patienten aufgesucht. „Wichtig ist lebensbedrohliche Zustände auszuschließen (Schlaganfall, Multiple Sklerose, Hirnblutung, Hirntumor) und dann die Überweisung zum Facharzt der Verdachtsdiagnose zu veranlassen“, so Lukhaup.
Zuerst wird untersucht, welche Art Schwindel vorliegt: Schwankschwindel, Drehschwindel oder Liftschwindel. Weiter werden die Begleitsymptome wie Übelkeit, Erbrechen, Hörstörung, neurologische Symptome, Kopfschmerzen oder Angst abgefragt, ob es einen bewussten zeitlichen Verlauf, Auslöser, wann der Beginn oder eine Vormedikation gibt. Ein akutes oder chronisches Auftreten vorliegt. Zur Diagnostik werden auch Ultraschall, CT und MRT genutzt, aber auch Videonystagmographie, Neurographie, Myographie und weiter sind Möglichkeiten um den Schwindel genauer zu einzugrenzen.
An einem Fallbeispiel eines Patienten erklärt der Arzt den häufig vorkommenden Lagerungsschwindel, der im Gleichgewichtsorgan durch Verlagerung von sogenannten Otolithen (Steinchen) in das Bogengangsystem den Schwindel verursachen. Hier können durch Lagerungsübungen z.B. Semont Manöver (das Verlagern des seitlich in Sitzposition liegenden Patienten über die aufrechte Sitzposition in die andere seitliche Liegeposition) die Steinchen aus dem Bogengang „geschleudert“ und so dem Schwindel gegengesteuert werden. Diese Übungen sollen bis der Schwindel wieder verschwunden ist angewendet werden. Eine Überwachung eines Arzt/Therapeuten dabei ist sinnvoll.
Fazit: Schwindel und Gangstörungen sind komplexe Krankheitsbilder, die die Lebensqualität oft einschränken, aber häufig durch sorgfältige Anamnese und Untersuchung gut behandelbar sind.
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