Katja Ebstein pur
(Geisenfeld, sh)
Es war ein besonderer Abend, denn so etwas gab es noch nie in Geisenfeld. In Person von Katja Ebstein war jemand zu Gast, der in den 70er und 80er Jahren mit Liedern wie „Wunder gibt es immer wieder“ oder „Theater“ große Hits feierte. Auch heute noch zieht sie ihr Publikum durch ihre schillernde Art in den Bann. Und sie selbst gestand in Bezug auf das kleine, gemütliche Geisenfeld: „Hier waren wir noch nie!“
In Kooperation mit dem Pianisten Stefan Kling, der sie meisterlich am Klavier begleitete, bot Katja Ebstein ein facettenreiches Programm, das aber keinesfalls nur auf Unterhaltungswert ausgelegt war. Mit ihrer „Berliner Schnauze“ sprach und besang sie durchaus auch ernstere Themen mit teilweise Protestliedern vom alten Schlag. Der erste Programmteil orientierte sich an einer Art Fragenkatalog. Sind wir wirklich noch zu retten? Gehen wir noch auf geradem Wege oder tanzen wir schon auf der schiefen Bahn? Haben wir noch was auf dem Kasten oder ein Brett vor dem Kopf?
Wie dem auch sei: „Damals dachten wir schon es ist 5 vor 12, jetzt ist es eine Stunde später und… wir leben immer noch!“, so das Manifesto von Ebstein. Der erfahrenen Bühnenfrau merkt man indes ihr Alter (73 Jahre) keineswegs an. Ihre Persönlichkeit ist ebenso schillernd wie vielseitig. So trumpft die Schauspielerin mit allem auf, was sie zu bieten hat: melancholisch-wehmütig, verrückt-leichtfüßig wie ein Kind, doch mit rebellischem Geist. Trotz all dem wirkt sie keineswegs abgehoben, ja betont gar selbst in ihrer Berliner Manier: „Ick bin och nur n´Mensch“. Dass der ehemalige Schlagerstar anscheinend ein Faible für große Literaten hat, entging in Geisenfeld niemandem. Kunstvoll durchzog Katja Ebstein ihre Chansons und Couplets mit lyrischen Beiträgen von Tucholsky, Heine, Brecht, oder Kästner.
Die Werke dieser alten Meister inspirierten sie zu kritischen Gedanken, die nichts von ihrer Brisanz verloren haben: Soziale Ungerechtigkeit, Krieg, Hass, Zivilcourage. Katja Ebstein stellte unbequeme Fragen und mahnte: „Wenn wir meckern, müssen wir mittätige Lösungen liefern“. Wenn sie dann selbst einmal bemerkte, in eine Art „Wort am Sonntags“- Stimmung zu verfallen, rief sie sich in Erinnerung: „Mensch Ebstein, sei positiv.“ Sie gab wichtige Denkanstöße, deren Plädoyer auf Gemeinschaft und Solidarität ausgerichtet war. So wiederholte sie immer wieder: „Wir schaffen das nur gemeinsam, Kinder“.
Sie ermutigte aber auch, dass in jedem von uns ein Künstler stecke und das es genüge, sich jeden Tag nur eine halb Stunde mit seiner Fantasie zu beschäftigen. Aufgelockert wurde das Programm in der zweiten Hälfte, die ganz der Liebe gewidmet war. Schlager gab es an dem Abend – wie vielleicht manch einer erwartet hätte – keine zu hören. Dafür etliche Zugaben, unter denen auch das Protestlied „Sag mir wo die Blumen sind“ Eingang fand. Ein insgesamt anspruchsvoller und höchst authentischer Abend mit einer gewissen Botschaft. Wer weiß, vielleicht kommt es ja zu einem erneuten Wiedersehen im kleinen Geisenfeld, „das fast schon was italienisches hat“, wie Katja Ebstein konstatiert.
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