Paradiesische Wochen eröffnet
(Pfaffenhofen, wk)Zum 125-jährigen Geburtstag des Pfaffenhofener Heimatschriftstellers Josef Maria Lutz finden vom 8. Juni bis 15. August die Paradiesspiele mit einem recht umfangreichen Kulturprogramm in Pfaffenhofen statt. Eröffnet wurden die Paradieswochen am Freitag mit einer szenischen Lesung vom Historiker und Stadtarchivar Andreas Sauer, dem Stadtrat und Kulturreferenten Steffen Kopetzky und dem Historiker und ehemaligem Lehrer Lorenz Kettner.
Albert Gürtner, der 1. Stellvertreter von Bürgermeister Herker (war auf Vorstandsklausur der Sparkasse), eröffnete die Veranstaltung und freute sich über die paradiesischen Zustände im klimatisierten Rathaussaal, denn auf dem Hauptplatz herrschte eine brütende Hitze; er freute sich, dass in Zukunft die Paradiesspiele alle fünf Jahre stattfinden würden und dankte den Mitarbeiterinnen um Kulturmanager Sebastian Daschner für die tolle Vorbereitung des Sommerprogramms, denn Kultur hätte im heutigen Pfaffenhofen einen sehr hohen Stellenwert – sicherlich anders als zur Zeit der Geburt von Josef Maia Lutz im Jahr 1893. Wenn der nämlich jetzt vom Himmel aus auf sein Pfaffenhofen schauen würde, hätte Lutz sicherlich seine Freude daran.
v.l.: Andreas Sauer, Steffen Kopetzky, Lorenz Kettner
Steffen Kopetzky nutzte gleich die Gelegenheit, sich für die Zusage des 5-jährigen Rhythmus der Paradiesspiele zu bedanken. In einer szenischen Lesung führten Kopetzky, Sauer und Kettner die vielen Gäste im übervollen Rathaussaal in die Zeit um die Geburt von Josef Maria Lutz im Jahr 1893. Und da gab es sehr viel Informatives und auch Parallelitäten zu heute ganz aktuellen Themen. So wurde im Jahr 1893 in den USA das Patent für den Reißverschluss angemeldet, auch die unterschiedlichen Regionalzeiten wurde in Deutschland im Zuge der Einführung der Eisenbahn vereinheitlicht; die britische Armee zog damals die Grenze zwischen Afghanistan und Indien (heute Pakistan), die heute immer noch eine der gefährlichsten Grenzen der Welt ist und die Aufrüstung der damaligen Aufständischen mit Waffen sich zu den heutigen Taliban entwickelte. Andreas Sauer wies darauf hin, dass Anfang der 1890er Jahre sich der elektrische Strom langsam in Pfaffenhofen entwickelte und er verlas einen recht völkischen, brutalen Text eines Liedes mit der Überheblichkeit Deutschlands gegenüber anderen Staaten. Auch die Kolonialisierung Afrikas spielte damals eine große Rolle. Lorenz Kettner steuerte ein Liebesonett an die Glühlampen eines Elektrotechnikers bei und Kopetzky erinnerte an den ersten europäischen Zug, der erstmals von einem Land ohne Umsteigen in andere Länder führ (Orientexpress) und an das damals am meist gelesene Buch von Karl May (Winnetou). Auch bereits damals gab es Wahlkämpfe, nur in 1893 war alles ganz anders, da erstmals in Bayern die Sozialdemokraten antraten. Andreas Sauer zitierte einen Wahlaufruf der Sozialdemokraten, in dem die schlechten Lebensverhältnisse der Bevölkerung geschildert wurden. Pfarrer Kneipp kam 1893 nach Scheyern zu einem Vortrag und Rudolf Diesel meldete seinen Motor zum Patent an, was auch heute wieder ein aktuelles Thema ist. Kettner und Sauer verlasen einen Schüleraufsatz von Ludwig Thoma und Steffen Kopetzky wies im Zusammenhang mit der schwierigen Lage der Bauern auf die Gründung der Raiffeisen- und Volksbanken hin sowie den Beginn der Hopfenpflanzung in der Hallertau und das eigene Hopfensiegel Pfaffenhofens, das immer als Pfaffenhofen bei Wolnzach bezeichnet wurde. Die Zeiten der Hopfenernten war damals nach Lorenz Kettner die wildeste Zeit im Jahr der Hallertau, da allerlei „Volk“ in die sonst so stille Region strömte, nicht nur um dort zu arbeiten, sondern auch um manches andere zu treiben.
Die szenische Lesung wurde immer wieder unterbrochen durch die Musik der Dellnhauser Musikanten und den Sängerinnen des Eberwein-Dreígestirns mit Texten von Josef Maria Lutz und Melodien von Josef Eberwein, der ein enger Bekannter von Josef Maria Lutz war.
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