Gastronomen am Ende: Die 1. Wirterebellion in Rohrbach
(, )Karl Zeidlmaier will Ergebnisse und keine Schuldigen
Karl Zeidlmeier ist eine Institution in der bayerischen Gastronomie. Bei ihm kocht Hans Haas (Tantris) einmal im Jahr. Mit Eckehard Witzigmann verbindet ihn eine jahrelange Freundschaft. Mit Alfons Schubeck verbinden ihn viele Erinnerungen.
Am Montag wurde Zeidlmaier zum Rebell: „Zwanzig Jahre habe ich alle Einladungen und Aufrufe weggeschmissen, bin nicht hingegangen, aber heute weiß ich, dass wir aufstehen müssen, damit wir nicht untergehen. Dabei geht es mir noch gut. Aber was machen die Gastwirte ohne Hotelzimmer?“
Zeidlmaier stiftete selbstgemachten Leberkäse (in großen Scheiben), frische Brezen, süßen Senf, Bier und sonstige Getränke, hatte Verstärkertechnik einfahren lassen. 1 000 Briefe und 800 Mails wurden versandt. Aufrufe in Zeitungen. Aber dennoch blieb das Häufchen der Aufrechten am Montagabend überschaubar. Zeidlmaier: „Vielleicht werfen die gerade noch alles weg, wie ich es 20 Jahre lang handhabte.“
Tatsächlich verlief der Abend konstruktiver mit weniger Publikum und einer überschaubaren Hand voll Rednern. Ein Gewinn im Nachhinein. Aber die Botschaft soll die Kollegen erreichen. Die Medienpräsenz war im Vorfeld schon stark. Vom Abend selbst berichteten nur drei lokale Vertreter. Doch Zeidlmaier ist sich der historischen Bedeutung dieses Abends, dieses 08.09.2008, bewusst. Es wurde Klartext gesprochen von den Wirten. Nun erhofft er sich Reaktionen, ja positive Ergebnisse. Im Vorfeld hatte es Missverständnisse gegeben. Erika Görlitz, MdL und erneut kandidierend, stufte die Veranstaltung zunächst als Wahlgag der Freien Wähler ein. Doch dann kam sie doch mit einigen Mitstreitern – auch wenn die Freien Wähler mit Landrat Josef Schäch dominierten. Zeidlmaier aber stellte klar, dass es jeder Partei überlassen sei, den Wirten zu helfen. Die Hauptsache, es geschieht etwas. Auch für den Bayerischen Hotel- und Gaststättenverband trifft dies zu.
Doch die Kalkulation im Gastgewerbe sei verheerend: Ein Drittel geht an Bedienung und Staat (Mehrwertsteuer), ein Drittel erfordere der Wareneinsatz. Der Rest bleibt für Lohn, Miete, Koch, Energie, Werbung etc. Zeidlmaier: „Wer keine Übernachtungen hat, zahlt drauf.“
Als Hauptredner motivierte Gastronomiereport-Verleger und -Chefredakteur Willy Faber, endlich aus dem gewohnten Trott auszusteigen und auf die eigenen Wirte-Interessen zu schauen. Es fehle den Gastwirten die Lobby. Sie bekommen keine staatlichen Hilfen, wenn das Wetter nicht mitspielt, wie z. B. für den Biergartenbetrieb, im Gegensatz zur Landwirtschaft. Dabei sei die Gastronomie der zweitstärkste Arbeitgeber in Bayern (330.000 Beschäftigte). Faber: „Vom Verband erwarte ich mir, dass er den Politikern Feuer unter den Hintern setzt“. Er müsse zur schlagkräftigen Truppe mutieren, ja revolutionieren. Bei uns zahlt ein 150-Betten-Hotel 23.042 € Rundfunkgebühren pro Jahr. In der Schweiz hingegen nur 850 € und in Österreich gar 241 €. Faber lastete all diese ruinösen Zahlungen der in Bayern herrschenden CSU an. Mit 40 – X rechnete der Journalist für die CSU am 28. September. Er forderte zur Denkzettel-Wahl auf.
Witterten Hoffnungsluft: die Freien Wähler
Die Freien Wähler freuten sich über die Aufrufe, nicht mehr „Schwarz zu wählen“, zur Denkzettelwahl. Und bezogen dies voll auf sich. Landrat Josef Schäch übernahm als erfahrener Redner nach der Einführung das Mikrofon. Die gewaltigen Probleme in der Gastronomie will Schäch durch weitere Förderung des Tourismus mildern. Wegen der Schwarzgastronomie der Vereine müsse eine mit den Wirten konsensfähige Regelung gefunden werden. Schäch: „Mir liegt der Mittelstand, sehr am Herzen. Auch die Gastronomen sind Mittelstand darunter auch viele junge Wirte und Wirtinnen. “Über Jahrzehnte, ja Jahrhunderte hätten die bayerischen Wirte die Kultur Bayerns mit geprägt und aufrechterhalten.
Als FW-Kandidat für den Landtag präsentierte sich Jürgen Lochbihler, Geschäftspartner der Schrannenhalle München und 2. Vorsitzender des Vereins zur Erhaltung der Bayerischen Wirtshaus-Kultur (VEBWK): „Viele Wirte wählen am 28. September ihre eigenen Henker“. Womit er die CSU direkt angriff. Nach dem Rauchverbot sei die 0,2-Promille-Grenze und schließlich die 0,0-Promille-Grenze geplant. Gesundheitsminister Bernhard habe ein entsprechendes Dokument mit allen Länderkollegen unterschrieben. Das sei der Todesstoß der Gastronomie, das Ende jeden Stammtisches. Da helfen Bus-Touristen nur noch wenigen.
Schon Willy Faber stellte fest, dass im Grundsatzprogramm der CSU nach großer, langer Arbeit die Wirte fehlten. Die Schwarzgastronomie sei offiziell geduldeter Steuerbetrug.
Selbst die CSU veranstalte Grillfeste im Kuhstall. Faber: „Die CSU hört einfach uns nicht zu.“ Die Töne des Hotel- und Gaststättenverbands seien zu leise.
Heinrich Kohlhuber, Geschäftsführer des VEBWK, rückte den Fokus wieder auf die Mehrwertsteuer: Österreich und die Schweiz wissen, warum sie ihren Wirten den verminderten Steuersatz gewähren. Bayerns Gastronomie fehlten so Hunderttausende Euros für Investitionen. Da diese Steuer in die Kompetenz des Bundes falle, müsse schon heute auf die Bundestagswahl 2009 geschaut werden. Kohlhuber: „Als die CSU dort in der Opposition war, wurde uns die Mehrwertsteuerzahlung versprochen.“ Die Wirte müssten wieder Luft zum Atmen haben. Von den Banken erhalten Gastronomen schon grundsätzlich keine Kredite mehr. Viele Wirte können ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen. Kohlhuber fordert das spanische Modell: 7 Prozent Mehrwertsteuer auf alle Gastronomieleistungen.
Schell: Keine Spaltung der Wirte-Interessenvertreter
Der neue Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands Ralf Schell war nach Rohrbach gekommen, weil er sofort spürte, dass dort die Erde brannte. Er gilt als neuer Hoffnungsträger. Selbst der Gastronomie-Report stellt ihm gute Noten aus. Schell: „Die Basis ist mir wichtig“. Es sei auch wirkungsvoll, laut zu poltern. Doch die Verbandsarbeit erfordere auch andere Wege, um akzeptiert zu werden. Symbolisch reichte er Heini Kohlhuber die Hand: „Wir müssen die Gräben der Vergangenheit zurücklassen und zusammenarbeiten.“ Mit Schuldzuweisungen würden nur die eigenen Leute geschwächt. In den Zielen seien sich doch alle Anwesenden einig. In denen steht der Verband uneingeschränkt.
Ex-Präsident Wiggerl Hagn ging schließlich auch ans Mikrofon: Es stimme, dass in den 17 Jahren seiner aktiven Verbandsarbeit nicht viel erreicht wurde. Lediglich Strauß und sogar Schröder wischten mit einem Federstrich je ein Gesetz gegen die Wirte vom Tisch. Stoiber mochte die Wirte nicht. Einmal erlebte er ein Debakel beim Anzapfen, ein anderes Mal kam er so spät, dass ihm die Wirte davonliefen. Doch Hagn bestärkte die Anwesenden: „Was Ihr hier macht, ist der richtige Weg. Das wird gehört.“
Görlitz: Ich bin die beschimpfte Abgeordnete
Nicht so leicht konnte sich MdL Erika Görlitz, CSU, aus der Affäre ziehen. Sie sehe auch die Probleme und sei gekommen, um sich ihnen zu stellen. Görlitz: „Ich will mir die Sorgen anhören.“ Aber es tue sehr weh, so direkt angegriffen zu werden. Immerhin mutig, ans Mikrophon zu gehen. Ein Stück Zivilcourage. Aber die Wirte blieben fair. Keine direkten Angriffe, keine Beeinträchtigung ihres Redebeitrags. Kohlhuber brachte es auf den Punkt: „Nach dem September werden wir weiter mit der CSU in der Regierung verhandeln müssen. Ich habe mit der Erika konkret immer gut zusammengearbeitet. Sie ist nicht so arrogant wie Norbert Schmid mit seinem Rauchergesetz. Nicht einmal angehört wurden wir Wirte dazu.“
Kommentare
Kommentar von anonym |
bei der Veranstaltung waren auch 2 Kandidaten der FDP - leider sind die im Bericht nicht erwähnt.
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