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Kritische Diskussion „Phantasten“ gegen „Moderne“

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Wolnzach, 2.10.08 (ted). Das Medienhaus Kastner lud im Rahmen der Ausstellung „Dalí in the water“ vor der Vernissage am Donnerstag auch zu einer Podiumsdiskussion im Wolnzacher Bräustüberl-Saal. Sie wurde moderiert vom ehemaligen Fernsehmoderator Dr. Walter Flemmer, der selbst viele persönliche Einsichten und Erlebnisse miteinfließen ließ. Dieselbe Professionalität kam von den Verfechtern der jeweiligen Seite, so dass die eineinhalbstündige Argumentation einer Fernsehsendung in nichts nachstand. Der Filmclub Wolnzach zeichnete sie in voller Länge auf.

Auf der Bühne (von links nach rechts) als Vertreter der Phantasten / Surrealisten Dalís Erben Angerer der Ältere, Biburg und Prof. Dr. Peter Hutter, Berlin. Für die Moderne traten ein: Klaus von Gaffron, Vorsitzender des Berufsverbands Bildender Künstler Bayern und Jerry Zeniuk, Professor der Akademie der Bildenden Künste München, ein gebürtiger Amerikaner. Barbara Förg, eine Kunststudentin, trug eingangs ein Referat vor, in dem sie die beiden „Welten“ kontrastierte und durchaus die Moderne angriff, dass sie ohne Erklärung nicht mehr verständlich sei.

Dennoch verlief die Diskussion lange Zeit auf sehr sachlichem Niveau und nicht unbedingt gegeneinander. Gaffron zeigte Toleranz gegenüber den unterschiedlichsten Kunstausrichtungen. Viel wichtiger sei es, die Menschen zum Sehen, zum genauen Hinsehen zu bewegen. Er forderte aber eine gewisse Mindestqualität. So müssen die Phantasten nicht per se mit einem Ausschluss bei Ausstellungen rechnen, sondern nur, wenn die nötige Qualität fehle, wobei es bei den Phantasten / Surrealisten gewiss nicht an höchster Maltechnik fehle. Qualität habe ein Bild, wenn man zweimal und mehr hinschaut, wenn es den Betrachter nicht so schnell loslässt. Jerry Zeniuk führte die Begriffe „zeitlich“ und „zeitlos“ als Maßstab ein. Wertvolle Kunst müsse auch zeitlos sein.

Erst nach 45 Minuten intensivster Argumentation ging Angerer der Ältere zum direkten Angriff auf die Werke der „Moderne“ über. Sie seien inhaltsleer und im Wert nicht zukunftsfähig. Auch in der Musik sei außer den Beatles und der Popschlager kein Publikumserfolg mehr eingetreten. Die Nachfolger der Klassik operierten in eigenen, sehr geschlossenen Welten. Es müssten Grundgefühle erreicht werden. Angerer der Ältere legte im Wertmaßstab die Dimension Schönheit / Ästhetik nach.

Von Gaffron konterte hart, stellte die Erben Dalís als Gestrige hin. In ihren Bildern fänden sich nicht mehr die Umbrüche der Neuzeit. Doch dem Moderator gelang es, persönliche Angriffe schnell wieder zu verbannen, verwehrte sich aber auch nicht einer gewissen Skepsis zur zu weiten Ausdehnung des Kunstbegriffs. Auch manche Aussagen gegenwärtiger Künstler über ihre Kunst stellte Dr. Flemmer zur Kritik.

Sehr gut argumentierte Dr. Hutter. Er unterstützte mehr die Toleranz für beide Seiten, forderte sie aber auch ein, ebenso das Ringen um höchste Ausdrucksform, als Umsetzungsprozess. Dem stimmte Zeniuk nur zu. Er konnte den Verfolgungswahn der Erben Dalís nicht nachvollziehen. Es käme doch viel mehr auf den einzelnen Künstler an und seine Kunstausrichtung. Das Kollektiv der Erben Dalís stellte alle auf gleiches Qualitätsniveau, das aber doch unterschiedlich sei.

Auch wenn der Schlagaustausch zeitweise etwas heftig war und durchaus dem angekündigten Streitgespräch entsprach, so verlief die Diskussion durchgängig auf sehr hohem Niveau. Zeniuk lobte später den Austragungsort: Eine „Bierhalle“. Und alle gaben sich nachher die Hand, obwohl die Gräben nicht kleiner geworden sind, vielmehr bewusster. So konnte es nur ein Unentschieden geben, allerdings ein 4:4, um in der Fußballsprache zu bleiben. Die Auswertung und Nachbetrachtung kann diese Kurzdarstellung nicht ersetzen. So eine Veranstaltung über Kunst hat Wolnzach noch nie erlebt. Und das in einer „Bierhalle“

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