Ein Streifzug durch das samstägliche Hallertauer Volksfest:

Mit Genuss und Belehrung flachgelegt

(Wolnzach, lot)

So schlimm kann’s nicht werden: „1957, da gab’s eine Rutschbahn, soooo hoch war die!“, sagt der Miche und deutet ausladend in die Höhe, und der Sepp assistiert: „Aus Holz!“ Die Zeiten sind vorbei. Im Dämmerlicht lesen wir „Zum Volksfest“, und genau da wollen wir auch hin.

Seit 63 Jahren feiert nun die Hallertau ihr großes Fest in der Hopfenmetropole, die Hopfenkönigin ist bereits gewählt, wir haben uns schon satt gesehen an ihr, aber eine Maß muss es doch noch sein, jetzt, an diesem Samstag, an dem’s wieder so heiß ist, dass das Bier schon zischt, bevor wir es sehen. Ein Los am Glückshafen des Roten Kreuzes kaufen wir keines. Freilich ist der Erlös für einen guten Zweck, aber stimmungsgeladen wie wir sind, verzichten wir einfach drauf. Können wir einen aufgeblasenen Hund in Luftballonform tatsächlich brauchen?

Halt, stopp, das ist ja schon der nächste Stand, die „Aufgeblasenen“ zeichnen sich gegen die untergehende Sonne ab wie ein schwarz gefärbtes Genmonster. Wir haben’s doch gewusst: So schlimm wird’s nicht werden. Vielleicht ein Eis zur Beruhigung?

Und schon winkt in „Nicole’s Garagen-Café“ – neben dem überflüssigen Apostroph – ein Espresso. Der Abend sollte gerettet sein; doch es treibt uns weiter. Hopfenschmuck finden wir bei Christian Köhler, Edelstein-Ketten blitzen bei Helga Gökmen, und dann geht’s um „Ficken“. 2,50 € kostet es, abgefüllt in ein Glas, dunkelrot wie Blut, und wir überlegen nur kurz. Egal: Am „GlücksTopf“ ruht hinter der stoischen Dame am Verkaufstischchen für die Lose als großer Preis für kleine Einsätze ein weißer Tiger, dessen Schwanz wir zu späterer Stunde auf dem Nachhauseweg über den Marienplatz in den Händen eines glücklichen Mädchens wedeln sehen dürfen.

Steckerlfisch, Döner, Crèpes – die Volksfestwelt wird international, und wir nähern uns dem Bierzelt. Draußen übt am Schießstand noch ein Junge für den Ernstfall, für der Liebsten Rose oder Afghanistans Demokratie, er trifft, und wir genehmigen uns noch eine Currywurst am Stand von Helmut Stich, bevor wir den Klängen der Marktkapelle lauschen. Eine Maß lang im Festzelt geht das gut, eine zweite muss aber dennoch sein, mit „ein Prosit der Gemütlichkeit“ hebt sie die Stimmung. Doch dann ruft die Fischsemmel wieder nach draußen.

Ein Blick aufs „Superhupferl“ macht so schwindlig, dass nur Sonja mit einer Zuckerwatte uns wieder beruhigen kann, das Kinderkarussell dreht sich so wahnwitzig im Kreis, dass wir uns ebenfalls drehen – und endlich, endlich im Bürgerbräu-Biergarten landen. Leider, leider können wir nicht mehr alle Biere durchprobieren. Das Dunkle jedoch ruft – ebenso wie die Maß im Zelt – nach einem zweiten, und dann sehen wir ihn: Lässig an seinem Gartenzaun lehnt „Charly“ Braun, genießt sein Bier und ist – mit Recht – stolz auf den Erfolg, den seine kleine Brauerei auf dem großen Fest feiern darf.

Wir aber müssen weiter, bevor uns promilluale Genüsse flachlegen können. Wir verlassen die Honoratioren, die sich an den Tischen gütlich tun, und landen in der Budenstraße – schon wieder beim „Ficken“. Als Alternative am Ausschank des MSC, der den Namen „Schnapsstand“ nicht mehr verdienen darf, bietet sich ein „Klopfer“ an – wir lassen uns belehren und erfahren, dies sei ein österreichischer Ausdruck für das, was wir Holledauer seit Jahrmillionen als „Schlag“ benennen. Im aktuellen Fall handelt es sich um ein Getränk im handsamen Fläschchen, das vor dem Getrunkenwerden erstmal auf die Theke geklopft werden möchte. Das kann es haben.

Im Übrigen und zu guter Letzt stellen wir fest, dass dieses Getränk erstaunlicherweise zum Nachdenken anregt. Wie sonst kämen wir auf die Idee, dass „Ficken“ – ein farbenfroher Likör, von findigen Marketingstrategen mit einem schnuckeligen Namen bedacht – einfach überflüssig ist. Zumindest in flüssiger Form.

 

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