Dramatik am Hopfenmarkt offenbart sich
(Wolnzach/Nürnberg, ted)Bei der Pressekonferenz der Pflanzer, des Handels und der Brauer zum Hopfenmarkt am Rande der Messe „Brau“ überraschten nicht die vorgestellten Erntezahlen, sondern die Einstufung der deutschen Rekordernte 2011 von 4400 to Alpha als „schwierig“ und „schmerzhaft“. Es werden nicht nur sofortige Rodungen selbst in Vertragshopfenanlagen gefordert, sondern ein Abbau der Weltanbaufläche um 6000-7000 ha. Dazu müsste die Hallertau einen wesentlichen Beitrag leisten.
Die Pressekonferenz moderierte Verbandsgeschäftsführer Otmar Weingarten. Er forderte zur Lage ein Aussetzen der Isoprodukte, weil sie den Hopfenbedarf um 30 % reduzierten. Doch bei hohen Hopfenpreisen der laufenden Verträge rechnen sie sich zu gut. Dr. Pichlmaier stellte die Erntezahlen 2011 vor: mit 38000 to liegen sie 10 % über Vorjahr. Da die Alphawerte bei fast allen Sorten im Spitzenbereich lagen, erreichte Deutschland den Rekord von 4400 to Alpha (erntefrisch). Nur 2008 wurde die Marke von 4000 to Alpha überschritten. Die anfänglichen Hagelschäden wurden also mehr als kompensiert.
Roden, was ohne Vertrag
In der Vermarktung seien knapp 80 % noch über Vorkontrakte gesichert, z.T. mit sehr guten Preisen. Ein Freihopfenmarkt entstehe dagegen nicht mehr. Die Lager der Brauer sind überfüllt. 2014 wird es aber nur noch eine Vertragsquote von 50 %, 2015 von 30 % geben. Wer keinen Vertrag habe, müsse roden. Dr. Pichlmaier schloss auch Überraschungen dann nicht aus, d.h. dass die Anbaufläche geringer werde als der laufende Bedarf.
Um in dieser schwierigsten Lage weltweit bestehen zu können, bedarf es weiter der EU-Unterstützung, die in den Planansätzen aber gestrichen werden soll. Denn nur über Forschung, Innovation und Qualitätsentwicklung ließe sich dieser existenzielle Wettbewerb meistern. So kündigte der Hopfenverbandschef ein „Sortenfeuerwerk“ aus Hüll an, um bei den „Flavour Hops“ wieder ganz vorne dabei zu sein. Ein einziger Lichtblick an diesem Donnerstag.
Problem: Anschlussverträge zur Existenzsicherung
Der neue Vorsitzende des Hopfenwirtschaftsverbands, Jürgen Cooberg, blies noch stärker in dieses Horn. Der Hopfenabsatz stagniere wegen zu niedriger Hopfengaben in den Wachstumsmärkten, während die traditionellen Biermärkte zurückgingen. Obwohl die Weltanbaufläche um 10000 ha oder 15 % geschrumpft sei, werde gleich viel Hopfen geerntet. Hier deutete Cooberg auf den ertragsstarken Herkules. Die USA und BRD lieferten schon mehr als der Weltmarkt benötigt. Es bedarf der Rodung von 6000 –7000 ha weltweit. In Pools werde der Hopfen nur noch entsorgt, ohne Chance auf Vermarktung und finanzielle Anerkennung.
Cooberg: „Es bestehen für die nächsten Jahre weltweit keine Chancen auf Abschluss von Anschlussverträgen zu kostendeckenden Preisen“. Die Flächenreduktion müsse sofort erfolgen. Auch Vertragshopfen können gerodet werden! So hofft Cooberg, dass dies noch rechtzeitig greift, damit ein Zusammenbruch der Hopfenmärkte ab 2014 vermieden werden könne. Viele Chancen dazu aber bestehen nicht. Die überproduzierten Hopfen liegen entweder bei Pflanzern in China, Polen, Slowenien und Tschechien oder als unverkaufte Hopfenprodukte bei den Vermarktern oder als verkaufte Ware, die von den Brauern noch nicht abgerufen und nicht bezahlt ist, oder schon in den Lagern der Brauer, vielfach mehr als ein voller Jahresbedarf. Kaufangebote am Freimarkt gäbe es nur für Spezialtranchen.
Gegen die Spekulation an den Rohstoffmärkten
Stefan Stang vom Verband Privater Brauereien Bayern e. V. berichtete von einer „Achterbahn“ in der Biernachfrage 2011. Lediglich der Export zeige ein Plus von 3 %. Sorgen bereiten den Brauern derzeit die zurückgegangenen Ernten an Braugerste. Zusätzlich greife die Agrarspekulation um sich. Stang forderte eine nachhaltige Ausrichtung der Rohstoffbeschaffung. Zugleich wünschte er sich mehr Kreativität bei den Brauern und verwies auf den Wettbewerb „European Beer Star“, den sein Haus durchführt. Die „Bierquerdenker“ seien Gebot der Stunde.
Walter König vom Bayerischen Brauerbund sieht diese Wende schon als gekommen. Es werden die Mainstream-Biere verstärkt in Frage gestellt und süffige neue Biere für Spezialzielgruppen geschaffen. Die Flavour Hops werden auch im großen Stil so zum Zuge kommen. Über diese Biere müsse diskutiert werden wie über Weinjahrgänge.
Auch König verurteilte die Zockerphilosophie bei den Rohstoffen. So entstünde Hunger in der Welt. Er wünsche sich ein langfristiges Denken mit klarer Qualitätsperspektive und Verantwortungsbewusstsein. Die angebotene Diskussion mit den Pressevertretern kam kaum ins Laufen. Fast keiner wusste einen Ausweg aus der bevorstehenden Marktkrise.
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