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Polnische Spielarten des Phantastischen - ein Rundgang durch die aktuelle Gemäldeausstellung im Deutschen Hopfenmuseum

(Wolnzach, asp)

Das Phantastische ist in der polnischen Kultur fest verankert. In den Romanen Stanisław Lems begegnet es uns und in der jahrzehntelangen Tradition des polnischen Theaterplakats, die in der berühmten Krakauer Postergalerie nachvollzogen werden kann. Zur anhaltenden Bedeutung des Genres in Polen mag beigetragen haben, dass Traumwelten in Zeiten der Diktatur einen Zufluchtsort bieten, und dass romantische Strömungen, seitdem sie in Polen Fuß gefast haben, stark mit dem langen Freiheitskampf in Verbindung standen, der das nationale Bewusstsein bis heute prägt.


Einen bemerkenswerten Einblick in diese Traumwelt erlauben die Exponate der Ausstellung "Polen in Bayern", die von Ludwig Valentin Angerer (bekannt als Angerer der Ältere) mit Unterstützung des Verlagshauses Kastner nach Wolnzach geholt wurden.
Was übrig bleibt nach der Sündflut - die Frage hat schon den Surrealisten Max Ernst beschäftigt. Ausgewaschene Monumentalarchitektur, verlassene, aus dem Sandstein herausgehauene Großstädte bilden ein Lieblingsmotiv des 1963 geborenen Marcin Kołpanowicz - Kulissen für einen Endzeitfilm, manches erinnert an Cover-Artwork aus der Prog-Rock-Ecke.
Die großformatigen Ölgemälde des 1960 geborenen Dariusz Kaleta beeindrucken zunächst durch ihre altmeisterliche Pinselführung und Illusionskunst, geschult an der akademischen Malerei des neunzehnten Jahrhunderts. Die mythologisch aufgeladenen Sujets schließen jedoch andererseits an die Illustration aktueller Graphic Novels aus dem Fantasy-Sektor an.


Die Arbeiten des in Deutschland tätigen Jacek Lipowczan (geb. 1951) zitieren einerseits Ausdrucksformen der Renaissance, auf der anderen Seite aber der naiven Malerei. Die Bilder sind voll von allegorischen Gestalten, die etwa einen auf dem trockenen sitzenden Ostseekahn bevölkern. Diese skurrilen Karikaturen wollen im politischen Kontext der Gegenwart gedeutet werden. Mit traurigen Pierrots und schwebenden venezianischen Gondeln werden freilich - wie teilweise auch bei Kołpanowicz - allzu gefällige Sujets berührt.
Auch Krzysztof Izbebski-Cruz (geb. 1966), der sich mit Vorliebe der Pastellmalerei bedient, bearbeitet mythologische Themen, sein vielgestaltiges Werk hat aber auch einen realistischen Einschlag. Der Künstler widmet den Details des menschlichen Körpers viel Aufmerksamkeit.


Ausgestellt sind schließlich auch noch Arbeiten des Kurators, Angerers des Älteren (geb. 1938), der mit mystischen Visionen - fein ziselierten, strahlenden Himmelsgewölben in der Tradition Philipp Otto Runges - und von Caspar David Friedrich, aber auch M. C. Escher inspirierten Ruinengebilden eine New-Age-haltige Romantik in die Gegenwart fortschreibt.


Die Stärke der Wolnzacher Schau ist einerseits, dass hier die Annäherung an das Phantastische aus vielen unterschiedlichen Perspektiven erfolgt, die ihrerseits einen geschlossenen Kreis bilden. Andererseits wird dem Zuschauer bewusst, wie selten das klassische Handwerk der Ölmalerei ihm inzwischen begegnet. So fühlt man sich im Hopfenmuseum um ein Jahrhundert zurückversetzt, irgendwo an eine Gelenkstelle zwischen Symbolismus und Surrealismus. Angesichts dessen, dass im Kunstbetrieb im Wesentlichen die Diktatur der Innovation herrscht, nimmt man mit anerkennendem Staunen zur Kenntnis, mit welcher Offenheit und Hingabe die in Wolnzach versammelten Künstler sich ohne Ironie zu ihren Vorbildern bekennen.
 

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