Literarische Bilder deutscher Teilung
(Pfaffenhofen, asp)Der Autor Hans Dieter Schäfer war – im Rahmen der traditionsreichen Lesereihe am Schyren-Gymnasium – am Donnerstag in Pfaffenhofen zu Gast. Als Literaturwissenschaftler hat sich Schäfer mit Gottfried Benn und Franz Kafka, Georg Büchner und Joseph Roth auseinandergesetzt, sein lyrisches Debüt erschien 1968, gefolgt von zahlreichen Erzähl- und Gedichtbänden.
Als Standardwerk gilt seine Studie „Das gespaltene Bewusstsein“ zur deutschen Alltagskultur während der NS-Zeit.
Vor etwa 50 Zuhörern stellte Schäfer, der in diesem Jahr seinen 75. Geburtstag feierte, Kostproben aus seinen aktuellen Prosa-Band „Die unsichtbare Tätowierung vor“ (Wallstein, 2013). In den ausgewählten Texten stand das Thema deutsche Teilung im Vordergrund – ein mitreißender Strom aus präzisen Momentaufnehmen: Straßen- und Restaurantszenen, Reklame, Architektur und erinnerte Fetzen von Unterhaltungsmusik. Im Gespräch mit Moderator Roland Scheerer ging es um die Frage, wie man in einer nachbürgerlichen Gesellschaft, in der der Autor seine Rolle als „Priester“ und „Originalgenie“ eingebüßt habe, überhaupt noch erzählen könne: Gefühlsschilderungen, psychologisierende Innenperspektive und Helden, die zur Identifikation einladen – dies habe heute in der Fernseh-Soap seinen Platz, sagt Hans Dieter Schäfer. Die Literatur dagegen müsse sich auf vorbürgerliche Tugenden zurückbesinnen und sich der Sachlichkeit der Naturwissenschaft annähern. An die Stelle der Fiktion sollten das Recherchieren und das Variieren bestehender Vorbilder treten.
Im zweiten Teil der Lesung präsentierte Schäfer seinen opulenten Gedichtband „Open Air Kino“, der zugleich ein Bildband mit späten Berliner Arbeiten des Fotografen Robert Lebeck ist (Verlag Thomas Reche, 2013).
Die 1987 begründete Lesereihe am Schyren-Gymnasium wird von Rose Bayerl, Sonja Schmidmayr und Heidrun Untch als Organisatorinnen fortgeführt und vom Landkreis Pfaffenhofen unterstützt.
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