So nicht: "Nein" zur Däuber-Nutzungsänderung vom Bauausschuss
(Reichertshofen, rt)Voll mit Zuhörern war der Besucherbereich im Rathaussaal von Reichertshofen als es um die Nutzungsänderung des früheren Däuber-Gasthofes ging.
Ein klares "Nein" kam gestern vom Bauausschuss des Reichertshofener Marktgemeinderates zur beantragten Nutzungsänderung des früheren Gasthofes Däuber. Dessen Eigentümer hat vor, dort 131 Asylbewerber in einer Gemeinschaftsunterkunft einzuquartieren. Zuvor protestierten - wie am gestrigen Abend bereits berichtet - etwa 150 Demonstranten friedlich vor dem Rathaus gegen diese Pläne. Bürgermeister und Gemeinderäte üben Kritik an Bezirksregierung und Landratsamt.
Im Bauausschuss gab es ein eher seltenes Einvernehmen über alle Fraktionen hinweg darüber, dass nach Berücksichtigung des "Gebots der Rücksichtnahme" eine derartige Einrichtung nicht in das 827 Einwohner zählende Dorf kommen soll. Dazu muss man wissen, dass sich der Beschluss nicht auf eine wie auch immer geartete marktgemeindliche Verweigerung bezog, überhaupt in dem Ort Asylbewerber unterzubringen. Es handelte sich vielmehr um eine Entscheidung nach rein baurechtlichen Gesichtspunkten. Reichertshofens Bürgermeister Michael Franken (JWU) wies im Rahmen der kurzen Debatte zu diesem Tagesordnungspunkt in einem Nebensatz darauf hin. Die CSU-Fraktion sah sich gleich zu Anfang des Tagesordnungspunktes im Vorfeld nicht ausreichend informiert und wollte deshalb neben der Däuber-Nutzungsänderung gleich mehrere Tagesordnungspunkte vertagt wissen. Dem wollte Franken unter Hinweis auf Stellungnahmen der Kommunalaufsicht jedoch nicht folgen, ließ darüber abstimmen mit dem Ergebnis, dass die Mehrheit im Rat weitermachen wollte.
Einer in diesem ersten Stadium notwendigen Zustimmung zur Nutzungsänderung hat also das Gremium, dem Beschlussvorschlag der Gemeindeverwaltung folgend, einstimmig das Einvernehmen verweigert. Es berief sich bei seiner Entscheidung auf den Paragraf 15 der Baunutzungsverordnung, wonach das "Gebot der Rücksichtnahme" hier zum Tragen komme.
131 auf 960 Quadratmetern
Franken erläuterte vor dem Ausschuss und etwa 50 Zuhörern die Begründung der beantragten Nutzungsänderung. Dernach sollen ins Erdgeschoss des Hauptbaues drei Zimmer mit neun Betten, in der ehemaligen Disco elf Zimmer mit 41 Betten und im Erdgeschoss des Anbaus drei Zimmer mit zehn Betten neu kommen. Im Obergeschoss sind 13 Zimmer mit 34 bis 42 Betten , im Dachgeschoss zwölf Zimmer mit 26 bis 33 Betten auf insgesamt 960 Quadratmeter vorgesehen. Für die eventuell künftigen Bewohner gibt es den Vorstellungen des Eigentümers nach in dem Gebäude einen Aufenthaltsraum mit 45 Quadratmetern, eine Küche und einen weiteren Aufenthaltsraum mit jeweils 28 Quadratmetern. Nach dem Baugesetzbuch ist ein Vorhaben nur dann zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssten gewahrt bleiben; das Ortsbild dürfe nicht beeinträchtigt werden. Das Vorhaben im Dorfgebiet füge sich hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung in die Umgebung ein, da es sich um ein Bestandsgebäude handelt. Da es sich bei der beantragten Gemeinschaftsunterkunft baurechtlich um eine Anlage für soziale Zwecke handle, sei es im Dorfgebiet grundsätzlich allgemein zulässig. allerdings sei bei der Beurteilung das "Gebot der Rücksichtnahme" zu beachten und es müsse gebietsverträglich sein. "Unzumutbar sind solche von einer baulichen Anlage und ihrer Nutzung ausgehenden Einwirkungen, die spürbar über das Maß dessen hinausgehen, womit ein nicht überdurchschnittlich empfindlicher Bewohner der näheren Umgebung aufgrund der in diesem Baugebiet planungsrechtlich zulässigen Nutzungsarten üblicherweise rechnen muss." Mitarbeiter der Marktverwaltung hätten sich mehrere Tage damit beschäftigt, sich auf die Suche nach Gründen zu machen, um das gemeindliche Einvernehmen in diesem aktuellen Fall verweigern zu können.
Berliner Vorlage
In diesem Zusammenhang sei man auf eine Entscheidung des Berliner Oberverwaltungsgerichtes gestoßen, dernach die Nutzungsänderung eines Altenheims mit 39 Plätzen in eine Unterkunft für 71 Asylbewerber in einem "Allgemeinen Wohngebiet" nach Ansicht des Gerichts die Grenze der Gebietsverträglichkeit allein durch die Erweiterung der Belegungskapazität von 39 auf 71 Personen überschritte habe. Eine Belegung mit 39 Asylbewerbern hielt das Gericht allerdings mit dem Charakter eines allgemeinen Wohngebiets für vereinbar. Die Baugenehmigung war aber als unzulässig befunden worden, "soweit die Belegungskapazität von 39 Plätzen überschritten wird."
Im Fall von Winden handele es zwar um den Gebietscharakter eines Dorfgebietes, jedoch werde beim geplanten Vorhaben nach Ansicht des Marktes die Grenze der Gebietsverträglichkeit durch 50 neu beantragte Betten, die noch nie Gegenstand einer Baugenehmigung waren, überschritten. "Das als Hotel und Diskothek genehmigte Bestandsgebäude wurde in dem jetzt beantragten Umfang noch nie genutzt."
Nach Ansicht des Marktes sei die geplante Unterbringung von bis zu 131 Asylbewerbern in einem Ortsteil mit 827 Einwohnern verhältnismäßig zu hoch. "Der Umfang der geplanten Nutzung widerspricht daher der Eigenart des Baugebiets", deshalb sei nach Ansicht des Marktes mit dem geplanten Vorhaben das Gebot der Rücksichtnahme verletzt. "Das Vorhaben fügt sich daher nach der Prüfung der Art der baulichen Nutzung in dem beantragten Umfang nicht in die Umgebung ein", legte Franken dar. Nun ist deshalb also das Pfaffenhofener Landratssamt am Zug, denn über die Zulässigkeit von bestimmten Bauvorhaben wird im bauaufsichtlichen Verfahren von der Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde entschieden.
Von tiefer Angest erfüllt
Hat die Gemeinde - wie jetzt in dem Windener Fall - ihr erforderliches Einvernehmen rechtswidrig versagt, ist das fehlende Einvernehmen vom Landratsamt zu ersetzen. Zuvor wird allerdings die Gemeinde noch einmal angehört. Franken verlas auch das Schreiben eines Anwohners aus dem Sonnenweg. Dieser machte ob der beabsichtigten Asylbewerberquote auf relativ engem Raum seine Befürchtungen deutlich: "Soziale Konflikte in der engen Unterkunft und nach außen sind vorprogrammiert; eine Integration kann bei dieser Menge an Personen auch nicht umgesetzt werden." Winden sei damit überfordert, eine Quote von zwei Prozent sollte, wie in anderen Orten auch, das Maximum an Asylanten sein. "Die Nachbarn sind von tiefer Angst erfüllt, dass in Winden ein ständiger Brennpunkt geschaffen wird und der soziale Friede dauerhaft gefährdet ist."
Skeptische Räte
In der daran anschließenden Ratsdebatte nannte Georg Pfab (JWU) die vorgelegten Pläne für "baurechtlich bedenklich“ und es sehe aus „wie Hühnerhaltung in Käfigen.“ Der Gemeinderat wies darauf hin, dass, den Prognosen des Landratsamts nach, bis zum Ende des Jahres 1200 Flüchtlinge im Landkreis untergebracht werden müssten. Dies würde bedeuten, dass bei 19 Gemeinden der kleine Ort Winden über den Daumen gerechnet zehn Prozent aller vorhergesagten Asylbewerber aufnehmen müsste. So etwas sei nicht richtig. Er sei vielmehr davon überzeugt, dass 30 (Asylbewerber) auch langten, "die sind mit Sicherheit gut aufgehoben." Pfab merkte parteipolitisch-kritisch an, dass es derzeit nur vier Gemeinden - Reichertshofen, Manching, Geisenfeld und Pfaffenhofen - im nördlichen Landkreis gebe, die Asylanten aufgenommen hätten. Mit Ausnahme von Reichertshofen seien dort im Übrigen alle Asylbewerber außerorts untergebracht. Pfab stellte dazu fest, dass es sich "komischerweise" jeweils um Orte handle, die keinen Bürgermeister aus den Reihen der CSU hätten. Zusätzlich machte Pfab darauf aufmerksam, dass es zwar eine unverbindliche Zusage gäbe, nach Möglichkeit nur Familien in den Gasthof einzuquartieren. Doch gebe es auch eine natürliche Fluktuation bei den Asylbewerbern: "Wir wissen nicht, was dann in der zweiten Schicht kommt." Franken bestätigte: "Auf dieses Versprechen, wir bekommen Familien oder wir bekommen nur eine Nation", das sei der Worte nicht wert.
25 bis 50 Asylbewerber seien ihrer Ansicht nach sinnvoll im früheren Däuber-Gasthof unterzubringen, erklärte Waltraud Schembera (SPD). Die Gemeinderätin begründete dies unter anderem mit den wenigen gemeinschaftlichen Räumen und fehlenden Ausweichstellen. Unter Hinweis auf die verschiedenen Nationen und Kulturen sagte Schembera "je mehr Menschen auf einem Raum zusammengepfercht sind, umso größer ist die Gefahr, dass es Konflikte gibt.
Roland Bachhuber (FW) fand die Zahl von 131 Asylbewerbern ebenfalls zu hoch und wies darauf hin, dass Reichertshofen bereits jetzt schon knapp 100 Asylbewerber beherberge.
Josef Pfab (CSU) kritisierte den Bürgermeister und fand Frankens Vorgehensweise bei diesem bedeutenden Objekt "absolut daneben“, was seine Informationen dazu anbelangt, gerade weil nun über ein Vorhaben abzustimmen sei, "das massiv einen Ort bedrängt." Zudem wollte Pfab wissen, seit wann Franken Kenntnis von der beabsichtigten Gemeinschaftsunterkunft gehabt habe. Die vollständigen Unterlagen, so der Bürgermeister in seiner Antwort darauf, seien erst "am Montag letzter Woche eingereicht worden; am Donnerstag davor habe ich mit der Regierung telefoniert."
Im Sinne der Zuschauer mahnte Elisabeth Großmann (JWU), keine Polemik aufkommen zu lassen. Alle seien sich doch darin einig, dass man diese Gemeinschaftsunterkunft in Winden nicht brauche.
Kritik an Bezirksregierung und Landratsamt
Franken kritisierte sowohl die Regierung von Oberbayern und auch das Landratsamt, beide hätten die Marktgemeinde bislang nicht nach ihrer Meinung zur Einrichtung einer Gemeinschaftsunterkunft in Winden gefragt. "Wahrscheinlich würde uns auch keiner nach unserer Meinung fragen." Der Markt müsse sich lediglich deshalb mit der Sache befassen, weil im Rahmen des Umbauvorhabens auch die Diskothek betroffen sei. "Wenn die Disko nicht umgebaut werden sollte, dann hätte es - wahrscheinlich - keiner Nutzungsänderung bedurft." Es hätte dann passieren können, dass der Eigentümer an der Gemeinde vorbei diese vor vollendete Tatsachen gestellt hätte. Nur weil es sich um die jetzt vorliegende Nutzungsänderung handle, habe der Markt so rechtzeitig davon erfahren.
Zusammenfassend sagte Franken: "Ich glaube, dass unsere Argumentation jetzt stimmig ist, es ist keine Willkürentscheidung, dass wir das ablehnen." Jetzt könne nur noch die rechtliche Bewertung des Landratsamtes abgewartet werden.
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