Emotional und trotzdem sachlich: Informationsabend zu Asylbewerberunterkunft
(Winden am Aign, rt)Volles Haus bei der Informationsveranstaltung des Landratsamtes im Windener DJK Sportheim zur geplanten Asylbwewerberunterkunft.
Diese Gratwanderung könnte den Windenern offenbar gelungen sein: Nachdem sie einen hoch emotional, dabei aber immer auch mit der notwendigen Sachlichkeit geführten Widerstand gegen die mit über 130-Betten geplante Asylbewerberunterkunft in ihrem Ort führen, brachte gestern Abend bei einer Informationsveranstaltung der Kreisbehörde der Pfaffenhofener Landrat Martin Wolf (CSU) eine neue Belegungszahl ins Spiel. Demnach könnte es auf 67 Asylbewerberplätze hinauslaufen. Bislang wurde noch kein entsprechender Mietvertrag unterschrieben, wie die Sprecherin der Bezirksregierung anmerkte.
Mit Vollgas und gepfefferten Worten startete Werner Klein, Sprecher der Bürgerinitiative, die sich gegen eine Überbelegung mit Asylbewerbern in ihrem aktuell 829 Einwohner zählenden Reichertshofener Ortsteil zur Wehr setzt, die Redebeiträge im örtlichen DJK-Vereinsheim. Das platzte wegen des Besucherandrangs aus allen Nähten, so dass sogar vor der Lokalität Bierbänke für die vielen Zuhörer aufgestellt werden mussten. Angesicht des – bei derartigen Veranstaltungen jedoch üblichen – Sicherheitsdienstes erklärte Klein: „So gefährlich sind wir nicht – wenn ihr uns nicht ärgert.“
Gegen die Unterbringung von Asylbewerbern würde man sich nicht wehren, stellte Klein eingangs klar. „40 bis 50 sind o.k., aber was darüber geht, kann man nicht verkraften.“ Vielerlei Gerüchte machen mittlerweile die Runde. So stellte Klein die Frage, ob es denn stimme, dass die Gemeinde ein Vorkaufsrecht für das in Rede stehende Däuber-Anwesen nicht ausgeübt habe. „Das Vorhaben ist eine reine Geschäftemacherei“, wetterte er und ergänzte, dass das Gebäude aus reiner Profitgier „mit Menschen vollgestopft werden soll.“ Die gemeinschaftlich zu nutzenden Räume seien so gering bemessen, dass „jede Henne in ihrem Stall mehr Platz hat.“
Gefragt sei jetzt das Landratsamt, das eine Nutzungsänderung in diesem Ausmaß „unbedingt abwenden muss.“ Dass der Landrat seine Unterbringungsquote für Asylbewerber erfüllen müsse, das sei schon klar - „aber nicht auf unsere Kosten in so einem kleinen Ort.“ Eine junge Familie mit zwei Kindern habe kürzlich direkt neben dem Däuber-Anwesen einen Neubau errichtet und sie seien nun verzweifelt angesichts der aktuellen Situation.
Der Teufel ist los
Scharf kritisierte Klein das seiner Ansicht nach fehlende Interesse und Engagement des Reichertshofener Gemeinderats als sich die Bürgerinitiative im vergangenen März vor einer Sitzung des Gremiums zu einer Demonstration gegen die Überbelegung des Däuber-Anwesens auf dem Rathausvorplatz versammelte: „Da hätten die Gemeinderäte einmal die Chance gehabt, mit ihren Bürgern zu reden, um etwas über ihre Ängste und Sorgen zu erfahren.“ Aber stattdessen seien sie lieber schnell durch den Hinter- oder Seiteneingang gegangen, während sie vor den Wahlen noch von Haus zu Haus gegangen seien. Klein appellierte dann an die Politiker, „so einen sozialen Brennpunkt“ in Winden nicht zuzulassen. „Bei so vielen Leuten, bei 130, da brauchen wir nicht reden, dass da der Teufel los ist.“
Franken: Lassen Sie uns nicht hängen
Reichertshofens Bürgermeister Michael Franken (JWU) stellte für die Gemeinde klar, dass es mit einer Belegung von über 130 Asylbewerbern keine menschenwürdige und sozialverträgliche Unterbringung in Winden geben könne. Es seien gute Erfahrungen mit den bislang zugewiesenen Flüchtlingen gemacht worden, „insbesondere wegen der großen Hilfsbereitschaft der Bevölkerung und dem unermüdlichen Helferkreis aus der Nachbarschaftshilfe.“ Das werde auch für Winden ein wichtiger Meilenstein sein, doch mit 130 hilfesuchenden Personen wäre „jede ehrenamtliche Initiative hoffnungslos überfordert.“ Die Marktgemeinde mit all seinen Ortsteilen habe sich immer als weltoffen, tolerant und hilfsbereit gezeigt und sie werde dies auch in Zukunft beweisen. „Reichertshofen unterstützt die Politik und die Arbeit der Regierung und des Landratsamtes vorbildlich und zählt sicherlich zu den Leuchttürmen in der Asylarbeit.“ Dies würde alleine schon von den gegenwärtigen Aktivitäten bewiesen und deshalb werde er die entsprechenden Akteure auch zum Bürgerpreis 2015 des Bayerischen Landtages vorschlagen. Franken fügte zum Abschluss seiner Rede noch an, dass durch die frühzeitige Bekanntgabe des Unterbringungsvorhabens den Bürgern die Möglichkeit geschaffen wurde, „die Verantwortlichen bei ihrem Entscheidungsprozess noch zu beeinflussen.“ An die Bezirksregierung und den Landkreis appellierte der Bürgermeister: „Lassen Sie uns nicht hängen und überfordern Sie unser Sozialgefüge nicht:“ Selbst eine Zahl von 100 Flüchtlingen, die offenbar in den frühen 1990er Jahren schon einmal in dem Gebäude untergebracht waren, sei nicht sinnvoll. Zum Thema Vorverkaufsrecht sagte Franken, dass die Gemeinde zu prüfen habe ob sie eventuell ein Vorverkaufsrecht hat. „Es ist ein ganz großer Unterscheid ob ich ein Vorverkaufsrecht ausübe oder ich eines habe.“ Dabei handle es sich um einen reinen Verwaltungsakt. „Beim Gasthof Däuber gibt es und gab es definitiv kein Vorverkaufsrecht der Gemeinde“, stellte der Bürgermeister klar.
Halbe Million Flüchtlinge kommen noch
Der CSU-Landtagsabgeordnete Karl Straub ging unter anderem auf die Zahl der heuer noch zu erwartenden Flüchtlinge ein, die auf eine halbe Million geschätzt werde. Wie bei vielen Gelegenheiten vorher, so sagte er auch in Winden, das nicht mit einem Rückgang der Asylbewerberzahlen zu rechnen sei, eher sei das Gegenteil der Fall. Gleichzeitig sprach er ein Lob für die Asylpolitik im Landkreis aus, die „in keinem Landkreis so gut läuft wie in Pfaffenhofen.“
90 bis 95 Betten sind rechtlich möglich
Ursprünglich hatte der jetzige Eigentümer des Däuber-Anwesens ja die Immobilie der Regierung von Oberbayern zur Nutzung als Gemeinschaftsunterkunft angeboten und deshalb eine Nutzungsänderung zur Unterbringung von 131 Flüchtlingen beantragt. Der Reichertshofener Bauausschuss hatte diesem Antrag einstimmig das Einvernehmen verweigert. Daraufhin trat das Landratsamt als zuständige Genehmigungsbehörde auf den Plan und von dort kam die Aussage, dass es die beantragte Anzahl unterzubringender Asylbewerber bei dieser Sondernutzung für nicht genehmigungsfähig halte. Gerichtsfest sei eine Größenordnung von 90 bis 95 Personen, sagte Wolf an dem gestrigen Informationsabend zur rechtlichen Situation.
Landrat Martin Wolf blies der Wind in winden ordentlich ins Gesicht.
Drei Varianten
Wolf (CSU) präsentierte danach mehrere mögliche Varianten, wie die Unterbringung der Asylbewerber künftig aussehen könnte. Allerdings immer unter dem Vorzeichen, dass man dabei den Investor nicht verlieren wolle. Variante eins lautete demnach: Die Regierung von Oberbayern betreibt in Winden eine sogenannte „Gemeinschaftsunterkunft“ für etwa 90 Leute, wobei sich offenbar Stefanie Weber, die als zuständige Vertreterin der Bezirksregierung der Regierung mit dabei war, auf einen Kompromiss eingelassen hat, denn üblicherweise sei der Betrieb von Gemeinschaftsunterkünften grundsätzlich erst ab 100 Personen sinnvoll, weil man dann auch eine Vollzeitstelle mit einem Verwaltungsmitarbeiter besetzen könne. Die zweite Variante: Im Däuber-Anwesen werden 67 Flüchtlinge untergebracht. Die Zahl resultiert aus den Richtlinien für die Unterbringung von Asylbewerbern ohne dass das Gebäude – genehmigungspflichtig – umgebaut werden müsste. Betreiber der dann „dezentralen Unterkunft“ wäre in diesem Fall dann nicht die Bezirksregierung sondern der Landkreis, der auch die dann entstehenden Mietkosten noch tragen könnte. Während bei den beiden genannten Varianten gegenwärtig von der Zustimmung des Investors ausgegangen wird, ist sie bei der dritten Variante äußerst fraglich. Denn der nach würde über eine Belegung von unter 67 Asylbewerbern mit ihm zu sprechen sein, womit der Betrieb der Unterkunft vermutlich nicht mehr rentabel wäre. Zu bedenken für die Windener ist dabei, dass sich der Investor dann abermals an die Bezirksregierung wenden könnte und seinerseits wieder neu verhandelt. Was wieder auf eine Belegungszahl von etwa 100 Menschen hinauslaufen würde und die nach dem gegenwärtigen Stand unter bestimmten Voraussetzungen rechtlich vermutlich auch durchzusetzen wären. Wolf wies darauf hin, dass der Investor in einer Art Geschäftsmodell bereits mehrere Asylbewerberunterkünfte betreibe. Keinesfalls aber werde vom Landkreis Mietwucher unterstützt.
Turnhallen und Container
Wolf erklärte in aller Offenheit aber auch, dass der Landkreis aufgrund der Zuteilungsquoten von heute an gerechnet bis zum Jahresende voraussichtlich noch 400 Unterkunftsplätze benötige: „Wir werben um jedes Bett, einfach um immer wieder mitzukommen.“ Es zeichne sich ab, dass die angebotenen Objekte im Landkreis Pfaffenhofen ausgehen und deshalb bis zum Ende dieses Jahres die Unterbringung der Flüchtlinge in Turnhallen mit allen damit verbundenen Nachteilen - etwa Einschränkung des Sportvereinslebens, menschenunwürdige Raumverhältnisse - erfolgen werden müsse. Wohncontainer seien nicht unbedingt eine Alternative dazu. Beispielsweise benötige man zur Unterbringung von 30 Asylbewerbern 20 Container.
Neue Realität im Land
Das Leben in Winden werde sich mit den Asylbewerbern zweifelsohne verändern, sagte Wolf. Gleichzeitig bat er die Windener darum, über die von ihm vorgeschlagenen Varianten genau nachzudenken. Zu bedenken sei - so der Landrat in der anschließenden dreiviertelstündigen Diskussion auf die Frage einer Bürgerin, die ihre Angst darüber äußerte, in der Dunkelheit von Asylbewerben in eindeutiger Absicht angesprochen zu werden - dass es eine neue Realität in unserem Land gebe, der man sich stellen müsse. Darüber hinaus wurde sinngemäß auch von Klein betont, dass man sich nicht vor eine rechtsextreme Karre spannen lassen werde. Am Ende der Aussprache war dann doch zu spüren, dass sich jetzt die Hoffnung darauf konzentriert, mit womöglich 67 künftigen Asylbewerbern als goldenen Mittelweg in Winden zu leben. Immerhin wäre das ja knapp die Hälfte der ursprünglich geforderten Personenzahl und somit gewissermaßen als Erfolg für alle Beteiligten – mit Ausnahme der Bezirksregierung vielleicht - zu werten.
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