Kommunalpolitische Geisterfahrt
(Reichertshofen, rt)
In Winden am Aign ist eine Asylbewerberunterkunft geplant an deren Einrichtung sich die Gemüter entzünden.
Mit einem Dringlichkeitsantrag, dem kurzfristig noch ein Nachtrag hinterhergeschickt wurde, wollte die CSU-Fraktion im Reichertshofener Gemeinderat in letztlich nicht eindeutig definierter Weise Einfluss nehmen auf das Vorhaben eines Investors, aus dem ehemaligen Däuber-Gasthof eine Asylbewerberunterkunft zu machen. Die Versammlung entgleiste dabei stellenweise und irritierte unter den zahlreichen Zuhörern wohl so einige. Selbst der als Gastreferent eingeladene Baurechtsfachmann Professor Ferdinand Kuchler wurde während der Debatte attackiert.
Der Hintergrund ist kompliziert: Zuerst stellte die CSU-Fraktion den Antrag auf Aufstellung eines Bebauungsplans und einer Veränderungssperre für das Däuber-Grundstück und auch die umliegenden Grundstücke. Damit glaubten die Christsozialen, einen Weg gefunden zu haben, die Zahl unterzubringender Asylbewerber nach unten drücken zu können.
Dass Asylbewerber nach Winden kommen, stand dabei zunächst außer Frage. Es ging ursprünglich eigentlich nur darum, die Bettenzahl von 131 oder 135 auf ein verträglicheres Maß zu reduzieren. Im Verlauf der weiteren Geschehnisse stellte sich dieses Ansinnen dann aber als keine so feste Konstante heraus. Franken verstand nach eigenem Bekunden den ersten Antrag so, dass dieser darauf abzielte, die Zahl der Asylbewerberplätze auf 80, die gegenwärtig baurechtlich als Hotel zulässig sind, zu begrenzen. Dem wurde auch von keiner Seite widersprochen. Diesem Antrag folgte eine Ergänzung kurz vor der gestrigen Gemeinderatssitzung, wonach im Zuge der Überplanung Bauparzellen für Doppel- und Mehrfamilienhäuser ausgewiesen und die Überplanung umliegender Grundstücke entsprechend angepasst werden sollten. Offen blieb dabei allerdings die Frage, welchen Einfluss genau diese Planungseingriffe auf die Verringerung der Asylbewerberbetten gehabt hätte.
Rechtlich nicht durchsetzbar
Der Baurechtsprofessor machte dann in seinem Vortrag deutlich, dass das CSU-Vorhaben vom juristischen Standpunkt aus nicht durchführbar ist: „Das geht nicht, das geht nicht in einer rechtlich zulässigen Art und Weise.“ Es fehlten die dafür erforderlichen städtebaulichen Gründe und es bestehe keine Rechtsgrundlage für die geplanten Festsetzungen. „Der Erlass einer Veränderungssperre setzt voraus, dass das Planungsziel durch einen rechtmäßigen Bebauungsplan erreicht werden kann“, so Kuchler, der damit auch die Planungshoheit der Gemeinden ansprach.
Überdies sei eine Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber als „Anlage für soziale Zwecke“ in Dorfgebieten und in „allgemeinen Wohngebieten allgemein zulässig“. Ausnahmen gäbe es lediglich bei unzumutbarer Lärmbeeinträchtigung, nicht jedoch aufgrund der Herkunft und Lebensformen der Nutzer oder der Anzahl der unterzubringenden Personen. Festsetzungen in einem Bebauungsplan mit einer Begrenzung, beispielsweise von Asylbewerberplätzen, sei nach Baurecht nicht möglich.
Wenn es etwa darum ginge, die bisherige Sozialstruktur in einem Dorf zu erhalten, was Milieuschutz bedeute, dies sei etwa kein erforderlicher spezifisch städtebaulicher Grund, führte der Professor aus. Sollte es zu sozialen Spannungen oder Schlimmerem kommen, seien diese mit Mitteln des Sicherheitsrechts zu bekämpfen.
Gemeinderat in Haftung
Darüber hinaus sähen die allgemeinen Regelungen zum Dorfgebiet und zum allgemeinen Wohngebiet Differenzierungen bei Anlagen für soziale Zwecke, insbesondere auch nach ihrer Größe, nicht vor. Würden Gemeinderäte als Amtsträger wider besseren Wissens nun baurechtlich unzulässige Beschlüsse fassen, müssten sie gegebenenfalls auch über den Rückgriff der Gemeindeverwaltung mit Ansprüche wegen Aufstellung eines rechtswidrigen Bebauungsplans, dem Erlass einer rechtswidrigen Veränderungssperre oder der rechtswidrigen Versagung des gemeindlichen Einvernehmens rechnen.
Solch rechtsmissachtendes Vorgehen könnte in gewissen Fällen auch einen enteignungsgleichen Eingriff bedeuten. Kuchler mahnte in aller Deutlichkeit: „Die Gerichte verlangen, dass sich jedes Gemeinderatsmitglied die erforderlichen Rechtskenntnisse verschaffen muss, die erforderlich sind, um dem Geschäft eines Gemeinderats ordentlich nachzugehen.“ Sie müssen sich also über die rechtlichen Anforderungen ihres Handelns kundig machen.
Zum Nachtragsantrag, mit dem unter anderem Bauparzellen gefordert wurden, sagte Kuchler: „Auch das funktioniert nicht, egal, wie ich es anfasse.“ Dafür sei der Bebauungsplan nicht geeignet. Auch auf die unlängst erfolgte Versagung des gemeindlichen Einvernehmens mit der Begründung des Gebotes der nachbarlichen Rücksichtnahme ging Kuchler ein und empfahl: „Wenn es Ihnen in Verhandlungen gelingt, mit dem Bauherrn – und insbesondere mit der Lösung, dass der Landkreis als Mieter dazwischentritt und er dann in der Hand hat, wie viele Asylbewerber er aufnimmt – eine verträgliche Lösung herbeizuführen, dann sollten Sie das in jedem Fall machen.“ Mit jeder streitigen Lösung sei es extrem schwierig eine Garantie zu geben, wie das vor Gericht ausgehe. Kuchler mahnte, dass man auch bei Anwendung dieses Gebots in einem Rechtsstreit städtebauliche Gründe dafür benötige.
Gefälligkeitsgutachten auf Kosten der Gemeinde
Ungeachtet der Ausführungen Kuchlers beharrte CSU-Fraktionsführerin Schweiger auf dem Recht der Planungshoheit der Gemeinden: „Die Bauplanung ist die einzige Möglichkeit, Einfluss zu nehmen und auch die künftige Entwicklung mitzugestalten und ich frage mich schon, warum man den Ortskern von Winden und die angrenzenden Siedlungsgebiete nicht überplanen sollte.“ Schweiger könne einfach nicht verstehen, warum der Bürgermeister mit allen Mitteln da dagegen schieße. „Wenn ihm das Wohl von den Windener Bürgern wichtig wäre, dann hätte er Professor Kuchler einen Weg zur Aufstellung eines Bebauungsplanes aufzuzeigen.“ Aber dann hätte er ja einem Antrag der CSU folgen müssen. „Noch bevor überhaupt ein Beschluss zur Aufstellung eines Bebauungsplanes gefasst wird, wird der Antrag der CSU zerrissen und ohne Not ein Gefälligkeitsgutachten auf Kosten der Gemeinde erstellt.“ Die Behauptung, mit dem Erlass einer Veränderungssperre bestehe ein Haftungsrisiko für die Gemeinderäte, das sei „blanker Unsinn.“ Damit sollte verunsichert und eingeschüchtert werden. Wer den Windenern helfen wolle, müsse dem CSU-Antrag zustimmen. Wer dies nicht wolle, verschanze sich eben hinter einem Gutachten und „leeren Drohungen.“
Kommunalpolitischer Geisterfahrer
Franken antwortete darauf direkt mit den Worten: „Vielen Dank Frau Schweiger, ich muss feststellen, Sie sind als kommunalpolitischer Geisterfahrer unterwegs!“ und sie habe keine Ahnung von Bebauungsplänen. Kuchler verwahrte sich gleich darauf gegen den Vorwurf, ein Gefälligkeitsgutachten erstellt zu haben. Er, Kuchler, habe seine Sicht der Rechtslage vorgetragen, die sich auf diverse Gerichtsentscheidungen in vergleichbaren Fällen stütze. Deshalb sei er der Überzeugung, dass er vor dem Gremium die Rechtslage zutreffend dargestellt habe. „Das brauchen Sie mir nicht zu glauben. Sie dürfen, aus welchen Gründen auch immer, durchaus einer anderen Auffassung sein.“ Was aber nicht sein müsse, „dass das was ich hier gemacht habe, Sie als Gefälligkeitsgutachten bezeichnen, weil damit einhergeht, ich hätte Ihnen, aus welchen Gründen auch immer, hier eine Rechtslage vorgestellt, die in Wahrheit gar nicht meiner Überzeugung entspricht – und das ist falsch!“
Vorbei an der Lebensrealität
SPD-Gemeinderat Marc Geist brachte ins Spiel, dass in einem Umgriff um den Däuber-Gasthof auch Bauernhöfe seien; diese würden bei der vorgeschlagenen Planung bedeuten, dass deren Eigentümer ebenso bereit dazu sein müssten, ihre Grundflächen für entsprechende Bebauungen zu teilen, ansonsten wäre ein Bebauungsplan nicht ganzheitlich. Würde man dem CSU-Antrag folgen, so Geist, setzte man sich als Gemeinderat vorsätzlichen zumindest aber einer fahrlässigen Handlungsweise aus mit den bereits von Kuchler aufgezeigten rechtlichen Folgen. Waltraud Schembera (SPD) zitierte nach eigenen Angaben aus dem Baugesetzbuch, wonach Kommunen entsprechende Möglichkeiten schaffen müssten, um traumatisierte Flüchtlinge zu integrieren, für sie müsse eine Willkommenskultur stattfinden. Diese geforderte Willkommenskultur und Integration sei ihrer Meinung nach auch abhängig von der Anzahl der Asylbewerber: „Bei 125 bis 131 ist das wirklich nicht möglich.“ Schembera hätte sich gewünscht, dass der Gemeinderat bereits im November des vergangenen Jahres, als bekannt wurde, dass das Däuber-Anwesen verkauft werden würde, informiert worden wäre und es gegebenenfalls hätte ankaufen können. Dies sei aber versäumt worden.
Franken antwortete - wie schon bei früheren Gelegenheiten auch - darauf, dass es nie ein Vorkaufsrecht der Gemeinde beim Däuber-Anwesen gegeben habe; dieses sei nur in wenigen bestimmten und rechtlich geregelten Fällen anwendbar und ansonsten ein reiner Verwaltungsakt. Sinngemäß sagte der Bürgermeister ergänzend, dass dies auch nicht der Lebensrealität entsprechen würde, da ein Immobilienverkäufer nicht erst die Gemeinde anzufragen bräuchte, ober sie denn ein vorrangiges Interesse an seinem Objekt habe. Zu berücksichtigen ist dabei freilich auch, dass ein Immobilienkäufer einem potentiellen oder tatsächlichen Verkäufer nicht zu sagen braucht, wofür er die Immobilie nach Abschluss des Kaufvertrages nutzen möchte. Insofern kann auch niemand außer dem Käufer selbst wissen, was er damit später zu tun gedenkt.
Michael Weichselbaumer (CSU) appellierte an das Gremium, Rückgrat zu zeigen und für den Antrag seiner Fraktion zu stimmen. Johann Felber betonte auf den CSU-Antrag verweisend die enorme Nachfrage nach Bauplätzen im Gemeindebereich und der Absicht „den Ortsteil einmal vernünftig zu gestalten.“ Gleichzeitig betonte er, „wir wollen das nicht verhindern“. Gemeint war damit die Asylbewerberunterkunft als solche und man habe seitens der CSU auch nicht gesagt, wie viele Asylbewerber dort unterkommen sollten. Der Nachtragsantrag sei sinnvoll und habe Hand und Fuß.
Fehlt dem Bürgermeister die Weitsicht?
Kuchler versuchte daraufhin nochmals, deutlich zu machen, warum die verschiedenen Forderungen aus der CSU-Fraktion baurechtlich nicht durchführbar sind. Felber erklärte daraufhin: „Wir wollen einen großen Umgriff haben und möchten dafür einen Juristen, der uns das definiert; wir brauchen keinen Juristen, der das von vorneherein als ablehnend behandelt - wir wollen eine Positivplanung.“
Kuchler entgegnete, dass der Gemeinderat jedem Planer und auch Juristen zunächst sagen müsse, wohin die Reise überhaupt gehen solle. Dabei ging es auch um Begrifflichkeiten wie sie im CSU-Antrag etwa als Bauparzellen bezeichnet wurden. Es wurde Kuchler in der weiteren Folge kein Planungsziel genannt. Kuchler ging, wie er es darstellte, von der Annahme aus, dass die CSU-Fraktion mit ihrem Antrag darauf aus war, eine Reduzierung der Asylbewerberplätze zu erreichen. Schweiger stellte dazu fest: „Das war nie Gegenstand des Antrages.“
Dann aber müsse, so Kuchler, gesagt werden, was das Planungsziel denn sein solle, dann könne er auch die Wege dafür aufzeigen. Winden sei faktisches Dorfgebiet, wo schon jetzt jeder zulässigerweise ein Wohnhaus planen und errichten könne. Eine Veränderungssperre würde schon deshalb nicht greifen. Josef Pfab (CSU) merkte an, dass alle Windener Bürger geschützt werden sollten. „Wir müssen alle miteinander einen Weg finden, die Menge (der Asylbewerber / Anm. d. Red.) ein bisserl einschränken indem man die Nutzungserweiterung, die er (der Investor / Anm. d. Red.) vorhat, nicht durchbringen oder sie verhindern.“ Dieser Schutz sei im Grunde genommen Inhalt des CSU-Antrages.
Reichertshofens gemeindlicher Geschäftsleiter Johann Wojta meldete sich mit dem Hinweis zu Wort, dass von der CSU ja eigentlich ein Bebauungsplan gefordert wurde, der - wie von Kuchler gehört - nicht funktioniere. Josef Pfab sagte im Rückblick auf die ersten Hinweise darauf, dass das Däuber-Anwesen zum Verkauf stünde: „Eine gewisse Weitsichtigkeit eines Bürgermeisters oder einer Verwaltung, wenn so ein Gebäude zum Verkauf steht oder angetragen wird, da gehört zumindest als Information in den Gemeinderat hineingegangen um zu sagen, passt auf, da passiert was. Schalten wir uns ein oder nicht.“ Darauf antwortete Franken „Herr Pfab, Sie sind völlig daneben – es stellt sich gar nicht die Frage, ob wir es kaufen, das wäre eine Enteignung, da steht das Grundgesetz dagegen. Ihr werdet ja immer noch wahnsinniger!“
Kukral stellt sich gegen ihre Fraktion
Georg Pfab (JWU / aus Winden) erklärte, dass bei den Windenern die Meinung herrsche, dass die CSU mit ihrem Antrag dazu in der Lage wäre durchzusetzen, dass überhaupt keine Asylbewerber in den Ortsteil kämen. Darüber hinaus wolle man - unter Hinweis auf die landwirtschaftlichen Höfe - in Winden überhaupt keinen Bebauungsplan. In Richtung CSU-Fraktion sagte er: „Der Antrag der hier gestellt worden ist, ist einen 100-prozentige Luftnummer.“
Georg Link (FW) setzte seine Hoffnung darauf, dass der Landrat auf seinem eingeschlagenen Weg mit künftig 67 einzumietenden Asylbewerbern zum Erfolg komme. An die CSU-Fraktion richtete er die Bitte, zu bekennen, dass man auf dem falschen Weg gewesen sei. Gabi Breitmoser (CSU) erkannte den vom Landrat eingeschlagenen Weg als den einzig möglichen an.
Franken stellte schließlich den Geschäftsordnungs-Antrag auf das Ende der Debatte, dem mit Ausnahme von Josef Pfab vom Gremium zugestimmt wurde. Anschließend votierte der Gemeinderat mit der Stimme von Elisabeth Kukral (CSU), jedoch ohne die Stimmen der restlichen CSU-Fraktion gegen deren Antrag.
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