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Mit dem Rücken an der Wand

(Pfaffenhofen, hr/rt)

von links: Manfred Russer, Bürgermeister von Hohenwart, Landrat Martin Wolf und Landratsamtssprtecher Karl Huber

Kommunen des Landkreises sollten nach Vorstellung von Pfaffenhofens Landrat Martin Wolf (CSU) künftig selbst als Investoren auftreten, wenn es um die Unterbringung von Asylbewerbern geht. Am heutigen Vormittag stellte er das Modell bei der Bürgermeister-Dienstbesprechung vor. Die gemeindliche Zuteilungsquote von Asylbewerbern steigt überdies von einem auf zwei Prozent.

Von der Lokal- bis hin zur Bundespolitik gibt es offenbar nur noch ein großes Thema: Asyl. Auch wenn die Lage aufgrund des Oktoberfestes rund um Bayerns Landeshauptstadt noch relativ ruhig ist, so bleibt sie dennoch regional angespannt. Wie sehr, das machte der Pfaffenhofener Landrat Martin Wolf (CSU) heute auf einer Pressekonferenz deutlich: „Das, was wir in den vergangenen drei Jahren geleistet haben, das müssen wir jetzt noch einmal in drei Monaten stemmen!“

Kein Ende des Flüchtlingszustroms abzusehen

Sowohl der Landkreis in Gestalt des Landrat als auch die Kommunen in Gestalt der Bürgermeister stehen in der Flüchtlingskrise an der Wand. Der in absehbarer Zeit nicht endende Flüchtlingsandrang wird von der Regierung von Oberbayern nach Zuweisungsprozenten an die Kommunen weitergereicht. Und den dann in den Gemeinden ankommenden Menschen muss eine menschenwürdige Unterkunft zur Verfügung gestellt werden. Zögen jetzt die Gemeinden bei Lösungsansätzen nicht mit, liefe das auf Zwangsmaßnahmen durch die Kreisbehörde hinaus. Dieses Szenario wünscht sich freilich niemand. Bis Jahresende werde man mindestens 1.000 weitere Asylbewerber aufnehmen müssen, heißt es jetzt aus dem Landratsamt. Derzeit seien im Landkreis 1.034 Asylbewerber und anerkannte Flüchtlinge in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht. Regierungspräsident Christoph Hillenbrand sagte kürzlich, dass in Oberbayern zu den bereits untergebrachten 34.600 weitere 36.000 Flüchtlinge aufgenommen würden. Für den Landkreis Pfaffenhofen bedeutet das, dass zum Ende des Jahres voraussichtlich fast 2.500 Flüchtlinge ein Dach über dem Kopf brauchen – und zwar möglichst schnell.

Der Druck auf die Gemeinden steigt nun durch eine Erhöhung der Flüchtlings-Zuweisungen von bisher einem auf nunmehr zwei Prozent der jeweiligen Einwohnerzahl. Zugleich fallen die steten Bemühungen um Unterkünfte bekanntlich immer seltener auf fruchtbaren Boden. Wolf stellte deshalb heute eine Idee vor, die vermutlich so zuvor noch in keinem Landkreis praktiziert wird.

Unsere Heimat wird sich verändern

Darum geht es in dem Vorschlag des Landrats: Auf ihrem eigenen Grund könnten die Kommunen freiwillig und auf eigene Rechnung dauerhafte Unterkünfte bauen, das Landratsamt würde das Objekt für zehn Jahre anmieten sowie bereits im Vorfeld im Rahmen der aktuellen Gesetzeslage mit dem geforderten Minimum an Bauauflagen das Feld bereiten. Das stellte die Bürgermeister heute vor die Frage, ob und wie das Objekt finanziert und ob es überhaupt vom Gemeinde- oder dem Stadtrat mitgetragen und damit der Finanzierung zugestimmt wird; an welcher anderen Stelle deshalb künftig eventuell gespart werden muss. Natürlich sollte auch eine bebaubare Fläche zur Verfügung oder eine in Aussicht stehen. Zeichnet sich keine Lösung ab, käme man nicht umhin, zunächst kreiseigenen Turnhallen zu belegen. Doch dies als auch Traglufthallen, Container oder Zelte sind ebenfalls keine dauerhaften Lösungen. Zumal sie aufgrund der immensen Nachfrage kurz- bis mittelfristig ohnehin nicht mehr zu bekommen sind. Hinzu kommt, dass derzeit praktisch nur von den Unterkünften für Asylbewerbern gesprochen wird. Da aber so gut wie beispielsweise alle Syrer anerkannt werden, steht ihnen auch Wohnraum zu. Das wirft die Frage für die Gemeinden auf, wo sollen diese Menschen - je nach örtlichen Verhältnissen handelt es sich um mehrere Hundert - mit dem dann geltenden Anspruch auf Hartz IV Leistungen und mit der damit verbundenen Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung bezahlbaren Wohnraum finden. Und bleiben sie überhaupt in so großer Zahl wie sie zugewiesen sind in den jeweils Gemeinden. Wie soll dann sozialer Wohnungsbau auf welcher Grundlage überhaupt aussehen, welche Dimensionen sind notwendig?

Fraglich ist dann auch, wer wo noch bereit ist, Bauland zur Verfügung zu stellen; wird ein Sozialbau neben dem Einfamilienhaus akzeptiert, was gibt das Baurecht her und ist es in der derzeitigen Fassung überhaupt nach aufrecht zu erhalten, kippt dann auch das Einheimischenmodell, die Stellplatzsatzung, wie sieht ein Dorf dann überhaupt noch aus in den kommenden Jahren? Über eine einen Zentimeter mehr oder weniger bei der Kniestockhöhe werden dann die Gemeinderäte und Verwaltungsmitarbeiter wohl keine Diskussionen mehr führen müssen. Wolf sagte es bereits bei vielen Gelegenheiten, wenn es um Asylfragen ging, und wird nicht müde, dies zu wiederholen: "Unsere Heimat wird sich verändern".

An einem Strang

„Wir waren uns alle einig, dass wir diese Probleme, die auf uns zukommen, lösen wollen“, erklärte Manfred Russer (CSU), Bürgermeister von Hohenwart. „Es ist nicht einfach, aber wir wollen hier alle an einen Strang ziehen!“ Landrat Wolf betonte, dass es nicht einfach sei, im Landkreis geeignete Objekte für die Unterbringung zu finden. In mehreren werde derzeit zwar über teils umfangreiche Unterbringungsmöglichkeiten verhandelt (unter anderem in Pfaffenhofen das alte Zählerwerk und die Trabrennbahn), doch „uns ist aber auch klar, dass es Kommunen gibt, die keinen weiteren Wohnraum haben oder zur Verfügung stellen können.“
Wolf machte aber auch deutlich: „Wir wollen weg von den Containern!“ Und auch Turnhallen sollten nicht in Unterkünfte umgewandelt werden. „Es kann sein, dass wir kurzfristig eine Halle belegen müssen, aber dies soll nur eine Zwischenlösung sein, bis an anderen Stellen Wohnraum geschaffen ist.“ Allen gehe es um eine nachhaltige Lösung und es müsse Wohnraum geschaffen werden. Hierbei seien die Gemeinden gefordert, so der Landrat.

Über eine sogenannte modulare Bauweise könnten zügig Unterkünfte entstehen. „Natürlich würden die Kommunen damit in eine finanzielle Vorleistung gehen“, ist Wolf klar. Doch die Gebäude könnten durch die Miete aus dem Landratsamt abbezahlt werden. „Dies würde auch die latente Diskussion nach dem sozialen Wohnungsbau aufgreifen“, so Wolf. Nach Ablauf des Mietverhältnisses hätten die Gemeinden ihre Gebäude wieder zur Verfügung, die sie nach kleineren Umbaumaßnahmen selbst vermieten könnten. „Durch die modulare Bauweise könnten hier später mit wenigen Handgriffen mehrere Räume zu einer Wohnung zusammengefasst werden“, erläuterte Landratsamtssprecher Karl Huber. Eine Lösung die, wie Bürgermeistersprecher Russer sagte, durchaus ihren Charme habe. Er betonte in diesem Zusammenhang aber auch: „Wir dürfen unsere eigene Bevölkerung dabei nicht vergessen!“

Kritische Stimmen

Zu schaffen wäre der Bau gemeindeeigener Unterkünfte, so Huber, innerhalb weniger Monate auf kommunalem Grund. Was das Baurecht für Asylbewerberunterkünfte anbelange, werde es zwei Ausnahmen geben, sagte Wolf. So sei es möglich, diese Gebäude entweder an Ortsrandlagen oder auch innerhalb eines Gewerbegebietes zu platzieren. „Wir rechnen in diesem Zusammenhang schon mit kritischen Stimmen. Aber es ist auch eine sehr außergewöhnliche Situation.“
Dass sich letztlich alle Bürgermeister solidarisch gezeigt hätten und in dieser Frage an einem Strang ziehen wollten, sei ein positives Signal. Doch letztlich, so betonte Russer werde man „diese Belastungen nicht jedes Jahr stemmen können!“ Mit den jetzt beschlossenen Maßnahmen rechnet man im Landratsamt, sich bis ins Frühjahr 2016 retten zu kommen. Weiter gehen aber auch dort die Planungen noch nicht, denn die Vergangenheit hat bereits gezeigt, dass aktuell geglaubte Zahlen sehr schnell überholt sein können.

Nicht nur im Landkreis Pfaffenhofen darf man in den kommenden Wochen darauf gespannt sein wie die Kommunen die Idee des Landrats in die Praxis umsetzen.

 

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