Harald Grill - Mit Worten Bilder malen
(Rohrbach, rs)Mit den Augen eines Kindes in die 50er und 60er Jahre - so ließen sich viele der Geschichten und Anekdoten charakterisieren, die der Schriftsteller Harald Grill bei seiner Lesung am Samstagabend im Rohrbacher Incontri zum Besten gab. Es war einmal nicht die Virtuosität auf Gitarre, Saxophon oder Piano, sondern das Spiel mit den Worten und die erlebte Geschichte, die diese Veranstaltung prägten. Auch das gehört in das Portfolio eines Kulturvereins.
Geboren als Sohn eines kriegsversehrten Vaters und einer schlesischen Mutter 1951 in Hengersberg (Niederbayern) und aufgewachsen in Regensburg, beginnt Harald Grill die Lesung mit der Geschichte des Kennenlernens seiner Eltern. Vater Michael, beinamputiert und eigentlich viel zu schüchtern, um die hübsche Adelheid anzusprechen, versucht dabei auf alle erdenklichen Weisen, den Weg der Angebetenen zu kreuzen. Er geht - besser vielleicht: humpelt - dafür "ganz schön weit mit nur einem Bein, ganze 156 Seiten lang", verweist der Schriftsteller auf sein Erstlingswerk "Hochzeit im Dunkeln" (1995), aus dem diese Passagen seiner Lebensgeschichte rezitiert werden.
Als der kleine Harald gerade 5 Jahre alt war, verschlug es die Familie Grill nach Regensburg, eine Station und Phase seiner Kindheit, die in "gehen lernen" (2010), einem - wie er es selber im Untertitel nennt - "Roman in Geschichten" behandelt wird. Hin und her gerissen zwischen den Forderungen aus der Familie, sich verständlich und deutlich zu artikulieren, und den dialektgeprägten, derberen Ausdrucksformen der Straßenkinder gab es für den kleinen Harald hier die ersten Konfrontationen mit Sprache. "Beim Günter trau ich mich nicht, weil er sonst lacht; bei der Mutter trau ich mich nicht, weil sie sonst schimpft." Das Kasernenviertel war die neue Heimatadresse. Berühmtheit erlangte der Neuankömmling dadurch, dass er beim Graben am Haus vermeintlich einen Schatz entdeckte, der sich jedoch zum Entsetzen aller als Bomben-Blindgänger entpuppen sollte. "Bist Du der mit der Bomb'n?" hieß es fortan ehrfurchtsvoll im Kreis der Gleichaltrigen.
Erlebte Nachkriegsgeschichte, nachvollziehbar für die Besucher der älteren Generation in der Kulturwerk-Halle, gab es in den vielen kleinen Anekdoten um die Geschichten herum. Lurchi der Salamander etwa, dessen Comics in den damaligen Zeiten wohl ein jedes Kind gesammelt haben mag; das "Doktor-Buch", damals in jedem Haushalt der Erste-Hilfe-Ratgeber für die Erstdiagnose aufkommender Krankheiten; das Hacker Nährbier, das ihm die Eltern hin und wieder kredenzten, weil er doch so arg schwächlich daher kam - alles erzählt mit einem leicht schelmischen Unterton, messerscharf mit Kinderaugen die Erwachsenenwelt und die Entwicklungen der Nachkriegszeit beobachtet, so vermittelte Harald Grill seinem Publikum diese Erinnerungen.
Neben Ausschnitten aus den beiden genannten Romanen gab der Autor Kostproben eines anderen künstlerischen Standbeins zum Besten: er erweist sich dabei als fast schon philosophisch daher kommender Poet, der selber Gedichte schreibt, aber auch Gedichte aus anderen Sprachen gerne ins Bayrische übersetzt. Sie klingen dann nicht so geschwollen, nennt er seine Beweggründe. Und sie geben den Lesern einen Eindruck aus fremden Regionen und Gesellschaften mit den ihnen eigenen Stimmungsbildern.
Musikalisch umrahmt wurde die Lesung durch bayrische Stubenmusi, dargeboten durch Rohrbachs Bürgermeister Peter Keck und seine Söhne.
meine wörter sollen durchsichtig sein
wie fensterglas
du musst durchschauen können
was ich sage
nimm mich beim wort
doch lass es nicht fallen
du könntest zu mir nicht mehr
barfuß kommen (Harald Grill, "Sorge")
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