Hoffnung auf hauptamtliche Strukturen
(Pfaffenhofen, rt)Grünen-Kreischefin Kerstin Schnapp hofft auf hauptamtliche Strukturen, wenn die in der Asylarbeit tätigen Ehrenamtlichen die Arbeit nicht mehr schaffen. Archivfoto: Raths
Der Frust mancher Ehrenamtlicher in der Asylhilfe ist oftmals nur hinter vorgehaltener Hand zu vernehmen. Zum Beispiel, wenn sie merken, dass sich ihre Hilfe in schier nicht enden wollendem Papierkram verliert. Die Unterstützer sind freilich nicht nur Anlaufstellen für all jene, die gerade erst in Land gekommen sind. Auch nach der Anerkennung der Asylanten leisten sie wertvolle Dienste, ohne die Integration nicht einmal im Ansatz denkbar wäre.
Ehrenamtliche bilden das unverzichtbare Rückgrat der Flüchtlingsarbeit, ohne sie wäre das „Wir schaffen das!“ der Kanzlerin schon längst Makulatur der jüngsten bundesrepublikanischen Geschichte. Ihre Motivation zu helfen müssen die Freiwilligen jeden Tag aufs Neue mobilisieren. Sie sinkt stets dann, wenn klar ist, dass die einen oder anderen erst in Deutschland angekommenen Menschen sowieso in ein paar Monaten wieder zurück müssen. Ambivalent begegnen manche Nothelfer sogenannten "Wirtschaftsflüchtlingen und mitunter besteht Unsicherheit, ob nicht hin und wieder ein Flüchtling oder Migrant mit kriminellen Absichten gekommen ist.
Frustrierend ist für einige Ehrenamtliche mitunter auch die Zusammenarbeit mit den die Flüchtlinge hauptamtlich betreuenden Organisationen, die offenbar längst von der schieren Zahl der zu betreuenden Menschen überfordert sein sollen. Dies zumindest ist aus Insiderkreisen der Ehrenamtlichen zu hören, die sich bei ihrer Betreuung der Asylbewerber von den Profis manchmal sehr „alleine gelassen“ fühlen.
Ist dann ein Asylbewerbern erst einmal anerkannt, sollte er sich eigentlich eine Wohnung suchen und kann in der Regel seine Familie nachholen. Damit und mit dem Erlernen der Sprache beginnt der weite und anspruchsvolle Weg in Richtung Integration.
Unsere Zeitung wollte von den führenden Vertretern der Parteien, die auch im Kreistag des hiesigen Landkreises einen Sitz haben, wissen, von wem die Betreuung weiterer Asylbewerber übernommen werden soll, wenn die wenigen Ressourcen an ehrenamtlichen Helfern ausgeschöpft sind und wie ist ihre Vorstellungen von Integration anerkannter Asylsuchenden am Beispiel eines im dörflichen Umfeld untergebrachten Asylanten aussieht. Die Antworten geben wir nachfolgend im Wortlaut wieder.
Ludwig Gaßner, ÖDP-Kreisvorsitzender:
„Wie schon (oben) angesprochen, sind sowohl die hohe Zahl der Flüchtlinge als auch eventuell vorübergehende Probleme bei deren Betreuung zu einem wesentlichen Teil der überraschenden neuen Herausforderung zuzuschreiben. Eine bessere Routine lässt hier Verbesserungen erwarten. Das ehrenamtliche Engagement, wie es schon heute besteht, wäre vorab so nie vermutet worden. Immer wieder sind Menschen in Deutschland froh darüber, dass wir uns in der Flüchtlingssituation so positiv zeigen; das lässt auch weiteres Engagement erwarten. Der von Stadt und Landkreis eingeschlagene Weg, mehr Stellen für die Betreuung von Migranten zu schaffen, ist richtig. Ein gutes Feld für Integration sind Sportvereine. Hier zeigen sich schon in manchen Dörfern gute Ansätze. Auch die Kirchen sind hier gefordert. Wichtig ist, dass die Medien nicht nur über Probleme mit Flüchtlingen berichten (Rockolding, Köln) sondern auch über die wesentlich häufigeren positiven Begegnungen, wie zum Beispiel die Dankdemonstration der Flüchtlinge in Ebersberg oder die erfolgreiche Integration von Flüchtlingen in die örtlichen Sportvereine. Mit der Darstellung der tatsächlichen Notsituation in den Kriegsländern kann das Verständnis für die Flucht verbessert werden. Dabei geht es nicht darum unangenehme Wahrheit zu verschweigen; vertuschen hilft niemand. Eine Differenzierung ist jedoch dringend geboten. Der Bau von Sozialwohnungen muss weiter vorangetrieben werden.
Es gilt die gegenseitigen Berührungsängste abzubauen. Die vielfachen freiwilligen Helferkreise und die Integration in das Vereinsleben, insbesondere Sportvereine und in das Arbeitsleben sind ermutigende Anfänge dazu; sie gilt es fortzuführen. Dagegen sind Aktionen, die gegenseitige Angst und Ressentiments (Wortwahl!) schüren, nur von Nachteil.“
Markus Käser, SPD-Kreisvorsitzender:
„Zunächst einmal denke ich, ist es vor allem Aufgabe ist, die Zivilbevölkerung und Arbeitskreise intensiver zu unterstützen. Auch in der Koordination. Da leistet das Landratsamt bereits ganz gute Arbeit. Ausbaufähiger sind aber immer noch abteilungs- und zuständigkeitsübergreifende Prozesse beispielsweise von Regierung über Landratsamt hin zu den ehrenamtlichen Helfern. Und unter Umständen müssen wir uns auch damit anfreunden, dass einige dauerhaft notwendige Aufgaben auch von professionellen Kräften umgesetzt werden müssen, um die Freizeit der Helfer nicht zu überstrapazieren. Wo sich unsere Bevölkerung aber geordnet und mit kalkulierbarem Zeitaufwand einbringen kann, sollten wir die ehrenamtlichen Beteiligungsmöglichkeiten verstärken. Die SPD Pfaffenhofen hat deshalb genau vor einem Jahr die Kleiderkammer ins Leben gerufen um die Sammlung und Versorgung mit Kleidung für Bedürftige zu regeln und sicher zu stellen. Und es zeigt sich, wie auch in den Bürgerläden Geisenfeld, Vohburg, Wolnzach oder Manching, dass auch nach einem Jahr die Spendenbereitschaft der Bevölkerung ungebrochen ist und sich immer mehr Bürger aktiv beteiligen. Eine Aufstockung unseres pädagogischen Personals in Schule und Kitas wird man sicher auch bald ins Auge fassen müssen.
Die Antwort (Anm. d. Red.: auf die Frage nach der Integration im dörflichen Umfeld) ist ganz einfach: Sprache lernen und arbeiten gehen. Um anerkannte Asylbewerber in Lohn und Brot zu bringen, braucht es aber noch wesentlich mehr Engagement, sowie auch finanziellen Einsatz der Wirtschaft. Von staatlicher Seite muss außerdem wesentlich mehr in Sprach-, Kultur-, und Integrationsangebote investiert werden. Ein schönes Beispiel in der Region ist die ‚Willkommens-Klasse‘ der Realschule Schrobenhausen oder die ‚Schwerpunkt-Kitas Sprache & Integration‘ der Stadt Pfaffenhofen. Dahingehend und in punkto Förderung des sozialen Wohnungsbaus muss auch gemeinsam der politische Druck erhöht werden, wie es ja unsere Bürgermeister mit ihrer Resolution an die Bundeskanzlerin bereits getan haben. Eine wesentliche Rolle spielen bei der Integration auch unsere Sport- und Freizeitvereine. Um einen konkreten Anreiz zu schaffen wird beispielsweise die ‚Bunte Koalition‘ in Pfaffenhofen demnächst mit allen Beteiligten ein Bonussystem für Integrationsleistungen von Vereinen erarbeiten und umsetzen. Siehe Plan 2020 / http://www.spd-pfaffenhofen.de/index.php?nr=60488&menu=1.“
FDP-Kreischef Thomas Stockmaier:
„Hier sind ganz klar der Bund und der Freistaat in der Pflicht. Das Ehrenamt darf nicht ausgenutzt werden!
Viele Menschen, die vor 30 oder 40 Jahren nach Bayern gekommen sind, sind heute fester Bestandteil unseres dörflichen Umfeldes. Integration ist für mich daher zum einen die Bereitschaft der Asylsuchenden sich anzupassen, zum anderen aber auch unsere Bereitschaft die Angst vor Veränderungen los zu lassen.“
Karl Straub CSU-Kreisvorsitzende und Landtagsabgeordneter:
„Ich habe keine Vorstellung und will es mir auch nicht vorstellen, ich kann nur appellieren, weiterhin zusammenzuhalten.
Auch hier schließt sich der Kreis. Jetzt sind über eine Million registrierte Asylbewerber bei uns. Etwa zehn Prozent davon können voraussichtlich in den Arbeitsmarkt integriert werden. Es dauert zehn Sekunden, um über die Grenze zu kommen aber es dauert drei Jahre, bis das Asylverfahren abgeschlossen ist. Viele sind chancenlos, was ihr Asylverfahren betrifft. Das kann so nicht bleiben. Und jetzt zur Frage: Was passiert dann mit all jenen, die bleiben dürfen, was mit denen, die erste Wurzeln geschlagen haben? Darauf kann Ihnen niemand eine Antwort geben, denn wir haben noch nicht einmal richtig mit der Integration anfangen können. Es fehlt, das ist vorhersehbar, an Lehrern, an Erziehern, an Wohnungen, besonders auf dem Land an einem dichten Nahverkehrsnetz mit arbeitnehmerfreundlichen Fahrzeittakten. Wenige Beispiele sind das, ich könnte Ihnen einen ganzen Katalog dazu aufzählen. Wie ist all diese Arbeit - meines Erachtens eine Bundesaufgabe - zu schaffen und von wem? Nehmen Sie die Mitarbeiter des Landratsamts: sie schieben bereits jetzt ungezählte Überstunden vor sich her und können sie womöglich nicht mehr abbauen. Der Landkreis, Bayern, Deutschland sind auf so eine Aufgabe nicht vorbereitet und war es nie. Sämtlichen Organisationseinheiten, die mit Asyl zu tun haben, sind an der absoluten Grenze ihrer Kräfte. Es ist für einen Außenstehenden nicht vorstellbar, was da alles hinter den Kulissen läuft, damit man über die Runden kommt. Die einzige Lösung, ja, auch um eine humanitäre Katastrophe abzuwenden, besteht meiner Meinung nach in einer sicherlich noch zu diskutierenden Obergrenze an aufzunehmenden Asylbewerbern. Damit ist ja nicht, was vielfach nicht verstanden wird, eine Obergrenze nach dem im Grundgesetz verankerten Asylrecht gemeint. Das verwehrt uns der Bund, ebenso wie auch die angebotene Grenzsicherung durch die bayerische Polizei zur Entlastung der Bundespolizei. Und Sie dürfen mir das glauben, ich höre auch aus der SPD und den Grünen viele Stimmen, die ebenfalls für Obergrenzen bei Asylbewerbern sind. Trotzdem bekommen wir leider nicht die nötigen Stimmen im Bundestag zusammen. Jedenfalls kann es so wie bisher nicht weitergehen, das muss jedem realistisch denkenden Menschen klar sein.
Kerstin Schnapp, Grünen- Kreisvorsitzende:
„Um Ihre Frage einfach zu beantworten - ich hoffe, wenn die wenigen Ressourcen an ehrenamtlichen Helfern ausgeschöpft sind, auf die Schaffung von hauptamtlichen Strukturen. Nicht nur im Bereich Asyl haben wir den Sozialstaat in weiten Teilen durch ehrenamtlich-freiwilliges Engagement ersetzt. Dieses Phänomen durchzieht den gesamten sozialen Sektor. Aus meiner Sicht braucht es allerdings im sozialen Bereich wieder eine stärkere hauptamtliche Struktur, um den Herausforderungen gerecht zu werden, nicht erst dann, wenn dem Ehrenamt die Kraft ausgeht.
Ich denke es gibt drei wichtige Bausteine zur Integration: Integration ist nur möglich, wenn Menschen miteinander kommunizieren können. Der Spracherwerb ist also der erste und zugleich wichtigste Schritt. Ebenso wichtig ist die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben - Das Kennenlernen der Mitmenschen zum Beispiel in Vereinen. Der nächste wichtige Schritt ist der Zugang zu Bildung und zum Arbeitsmarkt. Arbeit hilft das Selbstwertgefühl wieder herzustellen. Arbeit ist entscheidend für menschliche Würde, sie erleichtert die Gesundung nach traumatischen Erlebnissen, sie ermöglicht finanzielle Unabhängigkeit.“
Christian Staudter, AUL-Fraktionssprecher im Kreistag und Bürgermeister der Stadt Geisenfeld:
„Ohne den unermüdlichen Einsatz der ehrenamtlichen Helfer wird es nie gehen. Ich hoffe, dass diese ihre Motivation und christliche Hilfsbereitschaft nicht verlieren. Wir brauchen hier aber noch weitere engagierte Mitbürger, die sich einbringen. Weiter ist eine Aufstockung der Personalstellen beim Landratsamt, in den Kommunen und Behörden (Polizei, Jobcenter und so weiter) unumgänglich. Die Einstellung von Sozialarbeitern, die als Streetworker in direktem Kontakt mit den Flüchtlingen stehen, ist zur Entlastung der Ehrenamtlichen unbedingt notwendig.
Unabhängig vom dörflichen Umfeld ist die Frage der Integration letztlich das zu lösende gesellschaftliche Problem schlechthin. Bisher können wir uns in erster Linie nur um die existenziellen Bedürfnisse der Flüchtlinge kümmern, hinsichtlich Behausung, Nahrung, Kleidung und Sicherheit. Eine ganz andere und viel größere Herausforderung stellt die Integration so vieler Menschen unterschiedlichster Religion und Kulturkreise dar. Ob sie gelingt, ist das entscheidende gesellschaftliche Problem der Zukunft. Dies setzt voraus, dass sich die Flüchtlinge auch integrieren wollen. Dazu gehört das Erlernen der deutschen Sprache, das Anerkennen unserer Gesetze und Regeln und unseres politischen Systems, vor allem aber unserer Werte und unserer Kultur. Wer bei uns dauerhaft bleiben will, muss sich uns anpassen und nicht umgekehrt. Für mich ist klar, dass Integration in obigem Sinn bei der großen Zahl von Flüchtlingen nicht möglich ist. Deshalb habe ich die große Hoffnung, dass ein hoher Prozentsatz der Flüchtlinge in ihre Heimatländer zurückkehrt, wenn dort wieder stabile und friedliche Verhältnisse herrschen.“
(Anm. d. Red.: Auf mehrmalige Anfragen unserer Zeitung zum Thema kam von den Freien Wählern leider keine Rückmeldung.)
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