Frau Schmalfuß und andere Weibsbilder
(Rohrbach, rs)Ein wenig nervös sei sie schon, so Lena Kettner zu Beginn des diesjährigen Auftritts der Gruppe Lesezeichen beim Rohrbacher Incontri-Kulturverein. Kein Wunder, konnte doch ihr Vater Lorenz - ansonsten der "Frontmann" des Quartetts - aus gesundheitlichen Gründen heuer nicht mit auf der Bühne sein. Mit "Frauen in der Literatur" haben sich die Literaturliebhaber dieses Jahr wie immer ein selbst gestelltes Thema unter unterschiedlichsten Aspekten vorgenommen, "Die bessere Hälfte" eben.
Dabei sein wollte Lorenz Kettner aber dennoch, das konnte er sich nicht entgehen lassen. Im Publikum in erster Reihe empfing er zunächst Genesungswünsche von seinem Literaturkreis, bevor der Incontri-Ehrenvorsitzende Hans Dollinger ihn auf die Vorzüge dieser Konstellation hinwies: "Vielleicht kannst Du heute das tun, was wir sonst immer tun: den Abend nämlich voll und ganz genießen!"
Lena Kettner, Christian Weigl und Nora Sailer (von links) waren heuer das literarische Trio der Gruppe Lesezeichen
Wieder einmal ging die Reise durch die Epochen der literarischen Geschichte, machte Halt in unterschiedlichsten Regionen und beleuchtete das Thema aus allen Blickwinkeln. Mal lustig und humorvoll, dann nachdenklich, manchmal auch provozierend - das Spektrum (über)zeichnete starke Frauen ebenso wie die Mädchenbilder, nahm sich die allseits bekannten Auseinandersetzungen der Geschlechter in ihren Paarbeziehungen vor und entwickelte das Rollenverständnis der Frau in der Gesellschaft über die Jahrhunderte; all das über Zitate aus literarischen Werken, versteht sich.
Angefangen hat ja bekanntermaßen alles bei Adam und Eva, so beschreibt es aus der Sicht Adams humorvoll auch Mark Twain in seinen Tagebüchern des ersten Paares der biblischen Geschichte. "Dieses neue Geschöpf mit den langen Haaren steht mir ganz schön im Weg. ... Ich mag das nicht, ich hatte vorher ja auch keinen Begleiter. Warum bleibt es nicht bei den anderen Tieren? ... Und dauernd spricht es, ich wünschte, es hörte auf zu reden." Heinrich Heine stellte seinerseits fest, er wolle nicht behaupten, "die Weiber hätten gar keinen Charakter. Beileibe nicht! Sie haben vielmehr jeden Tag einen anderen."
Zurück in das 19. Jahrhundert führt Henrik Ibsens "Nora oder Ein Puppenheim", ein Paar im Begriff, sich zu trennen. Nora will aus ihrer Rolle, rein Gattin und Mutter zu sein, ausbrechen, "Mensch" sein wie die Männer der Männer in damaliger Zeit. Ihr Gatte Torvald jedoch behandelt seine Frau wie ein Püppchen, mit dem er spielen kann, nimmt sie genauso wenig ernst wie früher ihr Vater; ein Dialog, der das Incontri-Publikum nachdenklich stimmte.
Ebenfalls mit den Rollenerwartungen und den gesellschaftlichen Ansichten - jedoch ein Jahrhundert später - setzt sich Sarah Kirsch auseinander. "Frau Schmalfuß war 28 und hatte immer noch kein Kind. ... An Heirat dachte Frau Schmalfuß nicht. ... Guten Tag, ich möchte ein Kind." - die Frau als alleinige Entscheiderin ihrer Lebenssituation.
Lena Kettner, Nora Sailer und Christian Weigl waren dieses Jahr die Gruppe Lesezeichen. "Die bessere Hälfte" im Wandel des gesellschaftlichen Ansehens, Beziehungsprobleme über die Jahrhunderte, die Forderung nach Gleichberechtigung und Selbstbestimmung, abwechslungsreich und kurzweilig vorgetragen auch beim 13. Auftritt der Literaturliebhaber im Incontri. Die Kulturwerkhalle war ausverkauft, was zu erwarten war. Für musikalische Intermezzi sorgte Anja Morell, die am Samstagabend zum Thema passende Lieder so großer Frauen wie Hildegard Knef, Marlene Dietrich oder Patricia Kaas in ihr Programm aufgenommen hatte; am Klavier begleitet wurde die Münchener Sängerin von Christian Willisohn.
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