Zwischen Zensur und Meinungsfreiheit
(Reichertshausen, hr)Foto: Archiv/Steffen
Bis auf den letzten Platz war der Sitzungssaal in Reichertshausen gefüllt. Unter den Zuhörern waren viele Mitglieder des OCV Steinkichen, denn der Faschingszug stand noch einmal auf der Tagesordnung. Wie sollte es nach dem Mediensturm, der über die kleine Gemeinde im Landkreis Pfaffenhofen nach dem Faschingssonntag hereingebrochen ist, weitergehen? Vor allem aber wollten viele OCVler wissen, wie der Gemeinderat zu der Panzeraffäre steht.
„Ich habe nie geglaubt, dass wir es mit unserer kleinen Gemeinde einmal in die internationalen Medien schaffen“, so Bürgermeister Reinhard Heinrich, der von einem regelrechten Belagerungszustand sprach. Auch sein Gemeinderatskollege Konrad Moll wurde von den Geschehnissen buchstäblich überrollt. Journalisten interviewten den Zugleiter, sein Name stand nicht nur in allen Medien, sondern auch im Internet. Sogar die Kripo stand plötzlich vor seiner Tür und das alles wegen eines Faschingswagens.
Niemand innerhalb des Gemeinderates hätte wohl geglaubt, dass der Faschingszug, dessen überregionale Bedeutung auch im Grundsatz von allen Ratsmitgliedern hervorgehoben wurde, so in die Medien gerät. „Je weiter die Journalisten von Reichertshausen entfernt waren, desto eindeutiger waren die Fragen. Es ging vielen in erster Linie nur darum ein ‚braunes Eck‘ ausfindig zu machen“, so Heinrich. Dass man letztlich über den Panzer und vor allem über seine Aufschrift „Ilmtaler Asylabwehr“ trefflich streiten konnte, das zeigte sich auch im Gemeinderat. Während der Rathauschef davon sprach, dass so etwas nicht noch einmal passieren dürfe und auch betonte, dass er den Panzer nicht hätte fahren lassen – vor allem aber wegen der Situation in Reichertshausen selbst –, betonte Zugleiter Moll, dass das Zensur wäre. „Ich möchte nicht, dass im Fasching kritische Themen so wie in Dachau ausgespart werden müssen“, erklärte Moll.
Auch sein CSU-Kollege Wolfgang Linner sprach sich gegen eine Zensur aus, dennoch sahen alle Ratsmitglieder doch auch Handlungsbedarf, denn 2017 feiert der OCV Steinkirchen sein 50-jähriges Jubiläum und da soll kein negativer Pressesturm über die kleine Gemeinde ziehen. Was man in diesem Zusammenhang genau unternehmen kann, das soll gemeinsam mit den Ehrenamtlichen geklärt werden. Welche Maßnahmen genau ins Auge gefasst werden können, das konnte zu diesem Zeitpunkt noch niemand sagen. „Jetzt müssen die Wunden, die dadurch aufgerissen worden sind, erst einmal heilen“, so Heinrich.
Deutlich wurden die Räte dann aber noch einmal in Richtung des Kreisrates Florian Simbeck. Auch wenn sein Name nicht offen genannt wurde, so machten einige doch ihrem Ärger Luft. „Der Panzer war geschmacklos, aber von der Aktion meines Parteikollegen distanziere ich mich deutlich“, erklärte Benjamin Bertram-Pfister (SPD) und auch Klaus König stieß seitens der CSU ins gleiche Horn und warf die rhetorische Frage auf, ob sich der medienerfahrene Kreisrat nicht bewusst gewesen sei, was er damit auslöst. Eine Frage, auf die nicht nur die Ratsmitglieder selbst, sondern auch die Zuhörer keine Antwort brauchten. Erst durch die Öffentlichkeit in Facebook wurde der Panzer zum Politikum.
Eine Situation, die sich im kommenden Jahr nicht noch einmal wiederholen soll. „Mehrere tausend Menschen stehen beim Gaudiwurm an den Straßen, jubeln den Narren zu und genießen ein paar unbeschwerte Stunden in unserer Gemeinde. Das soll auch in Zukunft wieder so sein“, erklärte Reichertshausens Bürgermeister Heinrich und plädierte für mehr Sensibilität bei den Themen. Eine Position, der sich auch Benjamin Bertram-Pfister anschloss: „Es gibt einfach Themen, die am Ende allen schaden.“ Grundsätzlich will man den Reichertshausener Faschingszug gemeinsam mit den verantwortlichen des OCV wieder auf gesunde Beine stellen, eine Zensur soll es künftig aber nicht geben.
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