Familienhund als Waffe missbraucht
(Pfaffenhofen, rt)Symbolbild: rt
Die Ängste in der Bevölkerung vor Angriffen nehmen insbesondere seit den Vorkommnissen in der vergangenen Kölner Silvesternacht augenfällig zu. Neben Pfefferspray und Co. möchte neuerdings so mancher Besitzer eines vierbeinigen Gefährten den schmusenden Familienhund zu einer Art Beißmaschine umerziehen lassen. Seriöse Hundeschulen distanzieren sich jedoch in aller Deutlichkeit davon.
Ein Hund muss generell so geführt beziehungsweise gehalten werden, dass er niemanden verletzen kann. Überdies ist das spezielle Abrichten von Hunden auf Menschen hierzulande verboten. Doch meint offenbar so mancher Zeitgenosse, dieses Verbot umgehen zu können. „Hundetrainer werden seit einigen Wochen vermehrt darauf angesprochen, ob man denn den eigenen Familienhund nicht ‚scharf machen kann‘, um sich vor möglichen Angreifern zu schützen“, sagt Manuela Klemz, die in Reichertshofen eine Hundeschule betreibt. Solchen Ansinnen erteilt sie eine glatte Abfuhr.
Es gebe zwar eine Ausbildungsmöglichkeit, mit der ein Hund durch spezielle Signale und Handlungen des Hundehalters andere Personen von gewissen Handlungen abhalten könne, doch seien dabei Beißhandlungen nicht vorgesehen. „Es gibt genug Hunde, denen es an einer gesellschaftsfähigen Grunderziehung mangelt“, das sei aber dem Zweibeiner am anderen Ende der Leine geschuldet. Den eigenen Hund wie eine Waffe einzusetzen, das funktioniere vielleicht gerade auf dem Übungsplatz, nicht jedoch im Alltag. „Der heutige Familienhund hat längst andere Aufgaben als das zu früheren Zeiten vielleicht noch der Fall war.“ Heutzutage sei er Alltagsbegleiter, Kuscheltier und wie ein Familienmitglied. Jene Zeiten, in denen Hunde vielfach unter Schmerzen erzogen worden seien, gehören der Vergangenheit an. „Ich hoffe, dass sie nicht wieder anbrechen in Hinterhöfen oder auf dubiosen Hundeschulungsplätzen wo freundliche Familienhunde ‚scharf‘ gemacht werden“, so Klemz. Die Hundetrainerin appelliert deshalb: „Lasst eure vierbeinigen Freunde weiterhin ihre bisherige Rolle weiterspielen - in der Regel kann ein mitgeführter Hund schon Abschreckung genug sein.“
Beißer unerwünscht
IHK-Hundefachwirt Hans Scharl, der in Geisenfeld eine Hundeschule führt, bestätigt: „Auch ich habe in jüngster Vergangenheit bereits mehrere Anfragen gehabt, wo Hundehalter ihren Familienbegleithund, also ein Tier, das in der Regel eine gering ausgeprägte Schutzdiensteigenschaft und eine hohe Frustrationstoleranz hat, zum mannscharfen Hund ausbilden lassen wollten. Und es gibt auch vermehrt Leute, die meinen, sich jetzt einen besonders bissigen Hund, vorrangig im Ausland, anschaffen zu müssen.“
Eine „scharfmachende“ Ausbildung lehne er jedoch kategorisch ab: „Ich trainiere genau das Gegenteilig und will den Hunden ein Verhalten beibringen, dass sie eben nicht zu Beißern werden und den Menschen angehen.“ Bei den herkömmlichen Haushunden sollte überdies bereits im Welpenalter die Beißhemmung vom Hundehalter in einer Hundeschule trainiert werden, rät Scharl.
Von Bedeutung ist also im Allgemeinen, dass der Mensch seinen vierbeinigen Freund durch dessen Lebensphasen souverän begleitet und ihm die notwendige fachkundige Anleitung gibt. In Privathand sollte der Hund deshalb in erster Linie als sozialer Familienbegleiter oder Weggefährte gesehen werden.
Unkontrollierte Gefahr
Man könne einen Familienhund nicht einfach zu einer Art Polizeihund ausbilden, der darauf trainiert sei, auf Kommando gezielt Menschen im Notfall anzugreifen, meint Udo Kopernik, Vorstandsmitglied im Verband für das Deutsche Hundewesen, im Gespräch mit unserer Zeitung. „Das ist absoluter Unfug und im hohen Maße gefährlich, auch für den betreffenden Hundehalter. Diese sogenannten polizeilichen Diensthunde müssen von ihren Eigenschaften her zu den Aufgaben passen und dann ist eine langjährige intensive Ausbildung notwendig. Das bewachende Element als solches ist zwar generell im Wesen des Hundes begründet, hat aber mit ‚Schärfe‘ nichts zu tun.“ Auch das landläufig bekannte In-den-Arm-fassen gehört in den Bereich des Hundesports und bedeute noch lange nicht, dass der Hund damit auch scharf gemacht worden sei. „Das steht ganz im Gegensatz zu den besonderen Diensthunden, diese sind für ihre speziellen Aufgaben berufen und mit ihnen wird auch täglich geübt.“ So nebenbei gehe das bei Privatleuten selbst unter Anleitung nicht - und selbst wenn, dann hätte der normale Hundehalter hinterher das große Problem, dass man unter Umständen einen teilausgebildeten Hund habe, den der eigenen Besitzer nicht mehr kontrollieren könne. „Ich rate von solchen Vorhaben absolut ab und man sollte die Finger davon lassen. Nicht nur für die Umwelt, auch für den Hundehalter selbst wäre ein solches Vorhaben viel zu gefährlich“, bekräftigt Kopernik.
Lieber die 110 wählen
Die Wahl, sich als Bürger wie auch immer zu bewaffnen, dies sei in praktisch jedem Fall das falsche Mittel, sagt Peter Grießer vom Polizeipräsidium Oberbayern Nord: „Auch ein Hund ist grundsätzlich als Waffe zu betrachten.“ Bis jetzt seien im Präsidiumsbereich jedoch keinerlei Vorkommnisse bekannt in denen ein besonders auf Schärfe abgerichteter Hund im Spiel gewesen sei. Wer allerdings seinen Hund in welcher Art und Weise tatsächlich als Waffe einsetzen wolle, sollte bedenken, dass sich damit ein eventueller Deliktgrad unter Umständen von einfach zur gefährlichen Körperverletzung erhöhe. „Nach wie vor raten wir dazu, in Konfliktfällen die Notrufnummer 110 zu wählen“, sagt Grießer.
Herrchen hat immer die Gefährdungshaftung
Gute Dienste leisten kann ein Hund auf alle Fälle als Schutz vor Einbrechern. Denn ein aufmerksamer Vierbeiner in der Wohnung schreckt allein schon durch sein Bellen in den meisten Fällen einen potentiellen Einbrecher von seinem Vorhaben ab. Oftmals reicht auch alleine schon die bloße Anwesenheit eines Hundes. Beißt allerdings ein Hund dann auch mal zu, kann dies unter Umständen etwa auch zur Schadenersatzpflicht und einer Mitschuld des Hundehalters führen, selbst wenn der Gebissene sich unberechtigt Zutritt zur Wohnung oder dem Grundstück verschafft hat. Hundehalter haften im Rahmen der „Gefährdungshaftung“ grundsätzlich und unabhängig von den näheren Umständen zunächst für alle Schäden, die ihr Hund verursacht. Schon alleine das Halten eines Hundes stellt nach deutschem Recht eine potentielle Gefahr dar. Im konkreten Fall ist freilich immer die Einzelfallentscheidung eines Gerichtes maßgebend.
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