Schreiner, Schauspieler und ein bisschen Schelm
(Langenbruck, rt)
Zweimeterfünfzig überm Stammtisch des Langenbrucker Fröhlich-Wirts ist er auf die Welt gekommen und schon wenige Jahre später stand er erstmals auf den Brettern, die für so manche die Welt bedeuten: Josef Reichart, bekannt als Reporter-Engel Ambrosius von der Langenbrucker Theaterbühne, der die großen und kleinen Sünder beim Namen nennt. Im kommenden Sommer besetzt er bei der Freilichtaufführung „Der Holledauer Fidel“ eine der zentralen Rollen.
Dem Amateurschauspieler, der im Brotberuf Schreinermeister ist, steht noch ein ereignisreiches Theaterjahr bevor. Erst steht für Reichart im Juni die Moderation der „Nasen-Weltmeisterschaft“ an, ehe er als einer der fünf Solisten beim „Der Holledauer Fidel“ auf den Theaterbrettern zu sehen sein wird. Das Singspiel wird im kommenden Sommer vor der Langenbrucker Schule über die Freilicht-Bühne gehen. Schon seit mehreren Monaten sind dafür regelmäßig Gesangsproben angesagt. Zeitgleich liefen bis Anfang des Jahres für den 58-Jährigen auch die Proben für das Stück „Der Brandner Kaspar und das ewig` Leben“ beim Stadttheater Neuburg; dort spielte er die Titelfigur. Zur Osterzeit gab es drei Wochen lang fast täglich ausverkaufte Vorstellungen.
Alljährlich in der Starkbierzeit konzentriert sich Reichart auf die Kultfigur Ambrosius, die stets stürmischen Applaus des Publikums erntet. Den spitzzüngigen Reporter-Engel gibt es in Langenbruck seit dem Jahr 1992. „Bei der damaligen Programmzusammenstellung habe ich mich erinnert an einen Vortrag vom Aigner Wigg, einem gebürtigen Holledauer, den es berufsbedingt als Polizisten in den Bayrischen Wald verschlagen hat“, erzählt Reichart. „Er war mit meinem Vater in Kriegsgefangenschaft auf der Krim und bei den Heimkehrer-Treffen der ehemaligen Gefangenen im Fröhlich-Saal trat er manchmal auch als Engl auf, der es schaffte mit Erinnerungen und lustigen Anekdoten sogar der schweren Zeit der Gefangenschaft noch schöne Seiten abzugewinnen.“ In seine Fußstapfen trat Reichart: „Es wurde extra ein weiß-blaues Engelsgewand für mich gefertigt und dazu mächtige Flügel.“ Ob`s denn auch heute noch passt? „Ja, nur die Kordel um den Bauch musste verlängert werden.“ Wie auch sein Autor, wurde Ambrosius mit den Jahren reifer, zum Teil auch kritischer.
„Es war und ist mir wichtig mit meinen Texten auch zum Denken anzuregen und nicht nur die Leute zum Lachen zu bringen. Ambrosius muss das Ortsgeschehen und die kommunalpolitischen Ereignisse auch für auswärtige Zuschauer verständlich schildern.“ Die ausgewählten Themen dürften nicht nur den Einheimischen ansprechen, meint Reichart, der heuer in dieser Rolle die 25. Saison spielte. Bereits die 30. Saison hat er als Moderator beim Theaterstarkbierfest hinter sich. „Wie lange der Ambrosius noch auf der Bühne wettert? Das kann ich nicht sagen, sowas liegt nicht immer in der eigenen Hand.“
Reichart ist nicht nur Spieler auf der Langenbrucker Theaterbühne, sondern war vor drei Jahrzehnten auch deren Gründungsmitglied, danach 20 Jahre im Vereinsausschuss, davon 16 Jahre als Erster Vorsitzender. „Mit sehr großem Fleiß vieler Mitglieder entstand 1989 als Anbau an die Pfarrer-Höfler-Halle in Eigenregie ein Bühnengebäude. 1997 wurde dieses aufwendig erweitert, so dass neue Räumlichkeiten entstanden und jetzt auch Kulissen nach oben gezogen werden konnten“, erinnert sich Reichart. Im Jahr 2000 hätten die Theaterfreunde die in die Jahre gekommene Pfarrer-Höfler-Halle wieder mit viel Engagement saniert. Einer der bisherigen Höhepunkte im Verein war 1999 mit dem Freilichtspiel „Die Katzenliesel“ von Reinhard Haiplik.
„Die Mehrfachbelastung in diesem sehr rührigen Verein als aktiver Spieler, als Bühnenarbeiter oder auch als Moderator und dazu die Verantwortung als Erster Vorsitzender, hatten zur Folge, dass mein ‚Akku‘ nicht nur leer war, sondern sich auch nicht mehr aufladen ließ.“ Ein Ehrenamt müsse man jedoch gerne und mit Freude ausfüllen. „Dies war jedoch nicht mehr der Fall und um nicht auch noch die Freude am Spiel zu verlieren, stellte ich mich damals nicht mehr zur Wahl.“ Leicht gefallen sei ihm dies nicht, denn dazu habe er „zu viel Herzblut über die Jahre in den Verein gesteckt. Doch wie so oft im Leben - wenn eine Tür zufällt, öffnet sich eine andere.“ Schon so mancher habe sich vor diesem Hintergrund gefragt, warum er sich vor zehn Jahren auch nach Neuburg orientierte. „Mein erstes Gastspiel war mit Theo Berger ‚Bruchstücke‘ von Winfried Frey, eine Eigenproduktion des Stadttheaters Neuburg. Das Stück über den sogenannten Al-Capone vom Donaumoos war seinerzeit teils mit Profis und teils mit Amateuren besetzt.
„Scheinbar war ich dem Regisseur bekannt und es erreichte mich die telefonische Anfrage, ob ich denn mitmachen wollte. Ich sagte ja!“ Mit Könnern ihres Faches, wie Werner Rom oder Bernhard Ulrich, bekannt auch aus der Fernsehserie ‚Dahoam is Dahoam‘, und anderen zu spielen, das habe ihn schon sehr gereizt. „Da musste ich einfach zusagen.“ Ein Jahr danach spielte Reichart bereits bei der Operetten-Welturaufführung ‚Treffpunkt Tegernsee‘ mit. „Seitdem gehöre ich zum festen Spielerstamm auch dieser Bühne.“ Dieses „Fremdgehen“, meint Reichart, werde nicht von allen Kollegen akzeptiert. „Manchmal habe ich schon das Gefühl, dass das nicht so gern gesehen wird. Aber ich habe mit jeder Produktion Erfahrungen gemacht, die mir nicht geschadet haben und dankenswerterweise gibt’s beim Theater keine Spielerpässe wie beim Fußball.“
Regelmäßiger „Fremdgänger“ ist er auch bei der Neuburger Inszenierung des vielgespielten „Brandner Kaspars“, die sich teils deutlich von der anderer Bühnen unterscheidet. „Unser Brandner ist sehr flott, emotionsgeladen und wird von einer Life-Band mit der Musik von Haindling und Hubert von Goisern umrahmt“, schwärmt Reichart. Im Himmel gebe es beispielsweise keine Heiligen, sondern nur bayrische Originale. „Da ist der rüstige Brandner, dem man seine 72 Jahre nicht ansieht, der Boandlkramer alias Sepp Egerer, der den Tod in einer Weise verkörpert, wie man ihn sich nicht einmal in Bayern vorstellt. Wir genießen es, das Publikum, oftmals mit Gänsehaut-Feeling, durch die Höhen und Tiefen der Gefühlswelt zu schicken.“
Doch jetzt steht als eine ebenfalls besonders anspruchsvolle Aufführung noch der „Holledauer Fidel“ im kommenden August an. Der fiebert Reichart von Anfang an entgegen, wie er durchaus zugibt. „Ohne die anderen Produktionen schmälern zu wollen, muss ich sagen, dass mir mit diesem Stück ein Herzenswunsch in Erfüllung geht. Denn nicht nur unser Regisseur Hermann Thalmeier sondern auch ich träume schon viele Jahre von diesem Singspiel und es freut mich sehr bei diesem aufwendigen Projekt mitwirken zu dürfen.“ Reichart verkörpert darin die Rolle des reichen Sichbauern, einem geachteten Holledauer Hopfenbauern, der seine stolze Tochter glücklich und gesichert verheiratet sehen will. „Das reizvolle und auch schwierige für mich und einige Darsteller bei dieser Inszenierung wird sein, dass zum Spiel auch noch der Gesang kommt. Die Sache leichter macht mir, dass ich bereits seit Jahren Mitglied eines sehr aktiven Chors bin.“ Trotz Reicharts dichtgedrängtem Spielplan ist seine Vorfreude so groß wie es „die Erwartungen in diese Freilichtaufführung sind und ich hoffe sehr, dass auch das Wetter mitspielen wird.“
Oft werde Reichart gefragt, ob man ein derart umfangreiches schauspielerisches Pensum neben dem Beruf überhaupt bewältigen könne und er womöglich auch noch Einnahmen aus seinem Hobby erziele. „Wenn man zu bestimmten Zeiten Prioritäten setzt ist es möglich“, erkläre er darauf. „Als selbstständiger Schreinermeister kann ich mir meine Arbeiten terminlich gut einteilen, aber ohne den Rückhalt der Familie wäre so etwas nicht möglich und wäre zum Scheitern verurteilt.“ Ohne die Unterstützung seiner Ehefrau Helga und seines Sohnes Florian, der bereits als Schreinermeister voll in den väterlichen Betrieb eingebunden ist, könne diese zeitaufwändige Freizeitbeschäftigung nicht so intensiv betreiben werden. Reicharts Tochter Stefanie kümmert sich übrigens um ihre Kinder, früher war sie ebenso wie Florian ebenfalls aktiv auf den Theaterbrettern gestanden. „Und Geld verdienen? Mit welchem Hobby kann man das schon? Ist es nicht eher so, dass man meist noch Geld investiert? Man darf den Aufwand nicht gegenrechnen. Es ist sonst die echte Freude nicht mehr mit dabei und ich glaube nicht, dass ich dann noch Spaß an diesem herrlichen Hobby hätte.“
Fotos: Raths (4), Neuburger Volkstheater (3)
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