Organspende geht jeden an
(Pfaffenhofen, rt)
Proivatdozent und Ilmtalklinik-Chefarzt Reinhard Lange war viele Jahre in der Transplantationsmedizin tätig.
Über Jahrzehnte hinweg anhaltend gering ist bei den Deutschen die Spendenbereitschaft für Organe. Zu diesem Schluss kam Privatdozent und Chefarzt Reinhard Lange am heutigen Abend beim „Informationsabend Organspende“ der Ilmtalklinik. Dabei könnte jeder in die Situation kommen, ein Spenderorgan zu benötigen.
In der Bundesrepublik gebe es etwa bei Nieren eine Wartezeit von zehn Jahren, so Lange. Unter anderem sei dies auf entsprechende gesetzlicher Regelungen zurückzuführen. Denen nach müsse hierzulande die Entscheidung zur Organentnahme etwa durch einen Organspendenausweis kommuniziert werden. Im Gegensatz etwa zu Österreich und vielen anderen Ländern, in denen das Einverständnis grundsätzlich unterstellt wird und dem gegebenenfalls aktiv Widersprochen werden muss.
Organspendebereitschaft in der Realität gering
Laut einer Repräsentativbefragung aus diesem Jahr sind 81 Prozent der Deutschen einer Organ- und Gewebespende gegenüber positiv eingestellt. Zudem zeigen die ersten Ergebnisse, dass 32 Prozent der Befragten einen Organspendeausweis ausgefüllt und sich überwiegend für eine Organ- und Gewebespende ausgesprochen haben. Diese Angaben hält der zum Thema Lebertransplantation habilitierte Arzt für deutlich übertrieben: „Nach meiner Erfahrung glaube ich das nicht.“ Die tatächliche Zahl liege eher im Promillebereich. Lange ist übrigens ausgewiesener Experte im Bereich Organtransplantation und hat selbst 13 Jahre lang Organe transplantiert. Zudem war er wissenschaftlich im Bereich experimentelle und klinische Lebertransplantation tätig und hat dazu mehrere wissenschaftliche Artikel veröffentlicht.
Die Statistik der tatsächlichen Organspender gibt Lange recht. In Bayern und Deutschland waren es in den Jahren 2013: 18/230, 2014: 26/204, 215: 47/242 und 2016 bislang 26/209. Glaubte man den Angaben der befragten Bürger zu ihrer Organspendebereitschaft, müssten diese Zahlen sehr viel höher sein. Mehr als 10.000 schwer kranke Menschen hoffen daher hierzulande immer noch auf die Transplantation eines Organs. Für sie ist die Transplantation die einzige Möglichkeit, um zu überleben oder um ihre Lebensqualität erheblich zu verbessern.
Jeden kann es treffen
Unabhängig vom Alter könne jeder in die Lage kommen, ein Spenderorgan zu benötigen, erläuterte der Chefarzt. Dazu nannte er zahlreiche Beispiele, unter anderem nach Unfällen oder Vergiftungen. Jedoch könnten nur 32,9 Prozent der auf Wartelisten registrierten Patienten mit einem Spenderorgan versorgt werden. In Österreich seien es 100 Prozent. Dies führt Lange insbesondere auf die dort geltende Widerspruchslösung zurück, von der übrigens auch Touristen betroffen sind.
Dabei stünden die Chancen für Patienten gut: Es gebe einen deutlichen Unterschied zu früheren Zeiten, was die Überlebensrate nach einer Transplantation betrifft, erklärte Lange. „Diese liegen in den ersten fünf Jahren danach heute bei 90 Prozent.“ Lange begegnete auch dem Vorurteil, dass zur Organspende bereite Patienten von den Ärzten womöglich schlechter behandelt würden. Das Gegenteil sei der Fall. „Wir möchten die Organe ja in bestem Zustand behalten.“ Organe und Gewebe dürften laut Transplantationsgesetz mit Ausnahme der Lebendorganspende erst dann entnommen werden, nachdem der Tod des potentiellen Spenders festgestellt wurde.
Hirntod als Kriterium
Zur Feststellung des unumkehrbaren Hirntodes – wonach die Gesamtfunktionen des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstammes unwiederbringlich ausgefallen sein muss – wie beispielsweise in Folge einer Hirnblutung gebe es ein spezielles Verfahren. Liegen dann keine medizinischen Gründe vor, die eine Organspende ausschließen, wird die Organspendebereitschaft des Verstorbenen unter Umständen mit den Angehörigen geklärt. Lange rät dazu, diese Thematik in der Familie in jedem Fall rechtzeitig anzusprechen, damit es im Akutfall nicht zu Gewissenskonflikten kommt.
Krankenkassen und Krankenversicherungen sind seit einigen Jahren gesetzlich dazu verpflichtet, ihre über 16-jährigen Mitglieder alle zwei Jahre anzuschreiben, um sich gegebenenfalls zur freiwilligen Organspendebereitschaft zu erklären. Mitarbeiter der "Deutschen Stiftung Organtransplantation" beantworten unter der Telefonnummer 0800 90 40 400 montags bis freitags von 9 bis 18 Uhr Fragen zu Organspende und Transplantation und nehmen Bestellungen von kostenlosem Informationsmaterial entgegen.
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