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Helikopter-Eltern

(Fahlenbach, wk)

Unter Helikopter-Eltern versteht man Eltern, die sich überfürsorglich um ihre Kinder kümmern und dauernd in ihrer Nähe sein müssen, um sie zu überwachen und zu behüten. - Ein Erziehungsstil, der geprägt ist von zum Teil zwanghafter Überbehütung und extremer Einmischung in die Angelegenheiten des Kindes.


In Anlehnung an den Sport sprechen auch viele von "Curling-Eltern", die wie bei diesem Eissport jedes noch so kleines Hindernis aus dem Weg des Kindes räumen wollen. Zu diesem Thema hatte der Ring der Landfrauen den früheren Gymnasialdirektor Josef Kraus eingeladen, der neben einer früheren Tätigkeit als Schulpsychologe umfangreiche Erfahrungen aus seiner Gymnasialzeit hat. Danach hat er Eltern erlebt, die alles für ihr Kind tun würden, nur damit es ohne Probleme durch sein junges Leben kommt. Er berichtete von Eltern, die das Handy des Kindes per GPS verfolgen würden, um immer sicher sein zu können, wo es sich gerade befindet - es sei ein Kontrollwahn und die Kinder seien wie an einer elektronischen Nabelschnur angehängt. Kinder werden dann auch nicht mehr allein zu Fuß oder mit dem Bus auf den Schulweg geschickt, sondern von den Eltern mit Pkw vor die Schultür gefahren. Einige Eltern würden es für ihre Kinder als unzumutbar empfinden, wenn das Kind 12 Vokalbel lernen müsste. Teilweise in der 2. Klasse würden Eltern bereits mit Nachhilfeunterricht beginnen, nur damit das Kind später einmal aufs Gymnasium kommt. Der Markt mit Nachhilfe boomt derzeit - insgesamt 1,5 Mrd. Euro werden jährlich für Nachhilfe ausgegeben ("80 % davon sind für die Katz", so Kraus). Es gebe bereits Förderinstitutionen für Babys und Kleinkinder und Potentialanalysen für 3-Jährige, natürlich besonders in Großstädten. Und es gibt über 5.000 Buchtitel zum Thema Baby- und Kleinkindförderung ("das ist ´ne Lachnummer", so Kraus). Den Eltern werde oft eingeredet, das sei alles aufgrund neuester Erkenntnisse der Hirnforschung notwendig, dabei würden Legenden zur Hirnforschung verbreitet, die inzwischen alle widerlegt seien.


Josef Kraus fragte die Besucherinnen des Abends, was sich denn wohl in den Köpfen der Eltern abspiele. Sie würden häufig mit dem Argument kommen, dass es immer mehr Verkehrstote geben würde sowie Entführungen und Kindsmißbrauch. Da konnte Kraus aber mit konkreten Zahlen aufwarten: 1970 gab es in Deutschland (West) 22.000 Tote im Straßenverkehr, davon 2.167 KInder. Im Jahr 2015 gab es in ganz Deutschland 3.000 Verkehrstote, davon 84 KInder. Obwohl es um jedes tote Kind sehr traurig sei, dürften das keine Gründe für die Angst der Eltern sein. Und beim Kindsmißbrauch und bei Entführungen hätten sich die Werte auch nicht nach oben bewegt; außerdem sei zu beachten, dass die meisten Fälle innerhalb des Familienkreises auftraten.
Außerdem hielten Eltern ihr Kind in den meisten Fällen für ein Supertalent, aber eigentlich nur, um sich in einem besseren Licht gegenüber anderen darzustellen. "Was werden denn das einmal für Leute, wenn sie erwachsen werden?" so Josef Kraus - Menschen die das Risiko scheuen, nicht selbständig sind, nie richtig mündige Bürger würden.
Josef Kraus hatte deshalb drei Appelle an die Eltern: 1. Erziehung kann nie total geplant werden, man muss einen Mittelweg zwischen Führen und Wachsen-lassen finden; 2. Erziehung heißt Liebe, aber auch Kinder in Anspruch nehmen, denn Kinder machen die meisten Fortschritte wenn die Anforderungslatte höher hängt; 3. bei der Erziehung nicht nur darauf achten, was Kinder belasten könnte, sondern darauf, was sie stark macht und sie mit Widerständen fertig werden.

Eigentlich wäre dieses Thema für junge Eltern interessant gewesen, von denen nur sehr wenige im Raum waren, doch auch für Großeltern war das Thema ein Gewinn, können sie doch bei Erziehungsfragen auch mal ein Wörtchen mitreden, wie es die lebhafte Diskussion zum Schluss des Referates zeigte.

Josef Kraus bekam als Dank von der Vorsitzenden Christine Schwarzmeier ein selbstgemachtes Hopfenkissen und seine mitgereiste Gattin den neuen Landfrauen-Kalender überreicht.

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