Dreikönigstreffen der SPD – besorgt um Tier- und Menschenwohl
(Wolnzach, wk)Seit 2011 hat sich inzwischen die Tradition des Dreikönigstreffens der Landkreis-SPD in Wolnzach etabliert. In diesem Jahr war das Oberthema die Industrialisierung der Landwirtschaft mit ihren Auswirkungen auf Menschen und Tiere. Anknüpfungspunkt war dabei die geplante Erweiterung des Hähnchenmastbetriebes in Eschelbach und deshalb war auch der Wolnzacher Vorsitzende des Bund Naturschutz (BN), Micha Lohr, eingeladen.
Hermann Schaubeck
Ortsvereinsvorsitzender Hermann Schaubeck konnte bei seiner Begrüßung neben dem BN-Vorsitzenden für Wolnzach und Rohrbach, Micha Lohr, eine umfangreiche Schar von Gästen aus Wolnzach und den umliegenden Gemeinden sowie den Kreisvorsitzenden der SPD, Markus Käser und den SPD-Bundestagskandidaten Andreas Mehltretter begrüßen.
Markus Käser Micha Lohr
Markus Käser ging bei seiner Begrüßung auf den Wert des Dreikönigstreffens für die Kreispolitik ein, da bisher in jedem Jahr ein Schwerpunktthema kreisweite Auswirkungen gehabt habe. So ging es 2011 um den Erhalt der Hauptschule (heute Mittelschule), dabei war die Verhinderung der Wirtschaftsschule ein Aspekt sowie das inzwischen im Landratsamt installierte Bildungs-Monitoring. 2012 ging es um erneuerbare Energie mit der Folge eines landkreisweiten Windenergie-Plans, 2013 war Familie der Schwerpunkt mit dem Ergebnis, dass inzwischen ein Bündnis für Familie auf Kreisebene gegründet wurde; 2014 stand der 4. Rettungswagen im Landkreisnorden auf der Tagesordnung, der jetzt in Rohrbach stationiert ist und 2015 ging es um das ehrenamtliche Engagement, was sich im Rahmen der Asylhelferkreise und die Koordinierungsstelle für das Ehrenamt im Landratsamt niederschlug und in 2016 ist der notwendige Wohnungsbau inzwischen als wichtiges Thema in den Rathäusern angekommen. Mit „dem Geist von Wolnzach“ erhofft sich Käser ähnliche Wirkungen auch mit dem Schwerpunktthema dieses Jahres.
Er rief dazu auf, sich in einer inzwischen als „post-faktischen“ Gesellschaft an Fakten zu orientieren und sich nicht die Wirklichkeit mit Wunschdenken zu verstellen und nur noch die Dinge zur Kenntnis zu nehmen, die in das Wunsch-Weltbild passen, wie es derzeit beim Flüchtlingsthema üblich sei, bei dem Merkel immer für alles als Schuldige hingestellt werde. Die Sprache dieser Kreise führe immer mehr zur Verrohung der Gesellschaft. „Die Zeit des Feierabendsozialismus ist vorbei, sonst wachen wir auf in einer Zeit, die keiner von uns will“, so Käser.
Das aktuelle Thema einer nachhaltigen Landwirtschaft sei alles eine Frage der Haltung, dabei wolle niemand eine bestimmte Seite vorverurteilen. Doch die inzwischen immer mehr industriell ausgerichtete Landwirtschaft belaste nicht nur die Tiere, sondern auch die Menschen. Käser räumte ein, dass weder Landwirte noch Landratsamt gegen Gesetze verstoßen würden, wenn ein solches Vorhaben genehmigungsfähig sei, „sie tun nichts Ungesetzliches“.
Es könne aber nicht sein, dass Gemeinden wie Wolnzach keine Möglichkeit hätten, „Mega-Ställe“ zu verhindern, solange diese Betriebe vom Baurecht her privilegiert seien, also auf Gemeindeebene nicht über einen Bebauungsplan geregelt werden könnten. Denn sonst hätten die Bürger die Möglichkeit im Rahmen eines Bürgerentscheides oder eines Ratsbegehrens mitzugestalten. Vom SPD-geführten Bundesbauministerium sein bereits ein entsprechender Vorschlag erarbeitet worden, der bisher vom Landwirtschaftsministerium abgeblockt werde. Und wenn es in dieser Legislaturperiode zu keiner Einigung innerhalb der Koalition komme, sei nur der Stimmzettel der Bürger eine Möglichkeit, hier Veränderungen herbeizuführen, denn selbst Landrat Martin Wolf (CSU) hatte betont, dass er die Bürger unterstützen wolle, wenn sie der Meinung wären, dass eine andere Landwirtschaft notwendig sei.
Micha Lohr vom Bund Naturschutz (BN) räumte ein, dass viele Menschen billige Hähnchen kaufen wollten, doch zwischen Billig- und Biohähnchen gäbe es keine weiteren Abstufungen. Er ging auf den akuten Fall in Eschelbach näher ein und erläuterte die Petition, die inzwischen dem Petitionsausschuss des Landtages vorliege. Ziel sei, dass überprüft werde, ob das Verwaltungsverfahren im Rahmen des Genehmigungsprozesses für die Hähnchenmast-Anlage ordnungsgemäß gelaufen sei. Er kritisierte die Genehmigung zum „vorzeitigen Baubeginn“, da nach seinen Informationen noch nicht einmal alle Gutachten und fehlenden Unterlagen vorgelegen hätten, die die Erkenntnis geliefert hätten, dass die endgültige Genehmigung positiv ausfallen würde, denn nur in einem solchen Fall wäre ein vorzeitiger Baubeginn (Erdarbeiten) möglich. Auch die gesetzlich geforderte überwiegende Eigenproduktion von Futtermitteln sei bisher nicht eindeutig nachgewiesen. Hinzu käme, dass der Nitratgehalt des Grundwassers nicht 75 Prozent des Grenzwertes erreichen darf; ebenso sei das Thema Lüftung der Ställe nicht ausreichend geprüft und die Forderung des Brandschutzes, dass bei Feuer die Tiere gerettet werden müssten statt sie verbrennen zu lassen sei auch vernachlässigt. Und dass die schweren LKW bei Gegenverkehr auf das Bankett bzw. den Gehweg ausweichen müssen, sei auch nicht zulässig, doch hier drücke das Straßenverkehrsamt die Augen zu. Ein weiterer schwerwiegender Einwand sind die möglichen resistenten Keime, die austreten können, denn bei 35 Untersuchungen in Hähnchengroßbetrieben wurden diese Keime inzwischen festgestellt, die über Abluft, Abwasser oder Mist nach außen gelangen können.
Lohr betonte, dass der BN kein Gegner der Landwirtschaft sei, er kritisierte aber die falsche Subventionspolitik, die in erheblichem Maße den Großbetrieben zugutekomme. Subventionen solle nur jemand erhalten, der im Sinne des Umweltschutzes arbeite. Der BN lehnt auch die Gentechnik ab obwohl inzwischen im Tierfutter immer mehr gentechnische Zutaten enthalten seien. Sinnvoll sei die Reduzierung des Fleischkonsums, stattdessen solle mehr Wert auf Qualität gelegt werden, das sei gut für die Umwelt, die Tiere, die Gesundheit und den Geldbeutel. Mehr regional einkaufen und der Lebensmittelverschwendung Einhalt gebieten sei notwendig, ebenso geringerer Dünger- und Pflanzenschutzmittel-Einsatz sowie die Reduzierung von Monokulturen und Massentierhaltung, denn Deutschland produziere Lebensmittelüberschüsse und mache mit dem Export den Markt in Entwicklungsländern kaputt.
Den Vorträgen von Käser und Lohr schloss sich dann eine Diskussion an, in der die verschiedensten Aspekte von den Gästen näher hinterfragt oder den Referenten zugestimmt wurden. Kritisiert wurde dabei auch, dass Horst Seehofer nach den Protesten gegen Windräder die 10H-Regelung durchgesetzt hatte, sich aber nicht mit gleicher Kraft gegen die Industrialisierung der Landwirtschaft wehre. Ein Besucher bemerkte, dass es zur Katastrophe kommen werde, wenn sich der Rest der Welt so wie die reichen Länder ernähren würde. Kritisiert wurde auch, dass Entscheidungen über normale Hausbauanträge zum Teil zwei Jahre Zeit vergehen, die Entscheidung für die Hähnchenmastanlage in Eschelbach doch recht flott über die Bühne gehe. Als positiv wurde die Hühnerhaltung des Wolnzacher Landwirts Sepp Grabmaier gelobt, der zusammen mit über 30 anderen Hühnerwirten tiergerechte Eierproduktion betreibe und damit auch seine Familie ernähren können. Es müssten eben keine industriellen landwirtschaftlichen Großbetriebe geben.
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