Faszination Original
(Pfaffenhofen, ce)Uschi Beyer, Vorsitzende des HKK und Dr. Kartrin Marth beim Vortrag
"Der größte Feind jeder Urkunde ist der Benutzer" stellte Dr. Katrin Marth schmunzelnd klar. Die Mitarbeiterin des Bayerischen Hauptstaatsarchivs kam auf Einladung des Heimat- und Kulturkreises und der VHS zu einem kurzweiligen und sehr informativen Vortrag in den Rentamtssaal des Landratsamtes.
Archivgut ist auf vielfältige Weise bedroht, Kleber, Feuchtigkeit, Risse und Knicke richten auf Dauer Schäden an, ebenso Säure, falsche Lagerung, Schimmel, Brand oder Freuchtigkeit. Mäuse und Insekten verspeisen gerne einmal Papier, in Holzdeckeln kann der Holzwurm nagen, Wachssiegel zerbröseln wenn sie falsch behandelt oder gelagert werden, Naturkastatrophen und Kriege haben früher große Schäden angerichtet. Die Säkularisation hat zwar vieles zentralisiert, aber leider auch zerstört. "Der Zahn der Zeit nagt an allem".
Wer sich die Arbeit der Archivrätiin und Referentin für Archivtechnik trocken und langweilig vorstellt, hatte sich getäuscht und wusste spätestens nach diesem Vortrag: Spürsinn, Sorgfalt, Kriminaltechnik und Liebe zum Detail sind gefragt wenn die "Bewahrer des Wissens" an die Arbeit gehen. Wertvolle Urkunden, Chroniken, Karten und Pläne gehen durch ihre Hände. "Sie wissen gar nicht was alles passieren kann", so die Archivrätin.
Dr. Karin Marth stellte zunächst kurz die Aufgaben des Hauptstaatsarchives vor, eines der bedeutendsten Archive in Europa. Der etwas unscheinbare Bau in München hat es in sich, die Magazine reichen tief in die Erde und wachsen täglich an.
Die Referentin zeigte in einem spannenden Vortrag anhand ausgewählter Beispiele die mühsame und hochmoderne Arbeit der Restaurierungswerkstatt. Neun Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern stehen dabei 45 Millionen Archivstücken oder 250 Kilometer gegenüber. Archivrätin Marth hatte dabei wenn möglich Beispiele aus dem Pfaffenhofener Raum gewählt, etwa von Kloster Scheyern oder Geisenfeld. Klosterliteralien aus Scheyern von 1595 oder 158 Einheiten Briefprotokolle aus Pfaffenhofen zeigte Katrin Marth in Abbildungen.
Der Vortrag war detailliert und strukturiert und gerade deshalb faszinierend. Im Vordergrund steht immer die passive Konservierung, also die Prävention von Schäden durch optimale Lagerung. Die aktive Lagerung umfasst dabei die ganze klassische Restaurierungsarbeit. Dabei werden auch einmal externe Fachleute hinzu gezogen, jedoch verlässt Archivgut nie das Hauptstaatsarchiv – nur ausnahmsweise zu Ausstellungen.
Neben dem Benutzer, für den das Archivgut bereit gehalten wird, ist Papierzerfall durch Säure und Schimmel der schlimmste Feind. Papier zwischen circa 1850 und 1950 ist säurebehandelt und zerfällt langsam, wenn man nicht einschreitet und mühsam dagegen arbeitet. Schimmel muss in aufwändigen Arbeitsschritten entfernt werden, bei Schimmelbefall wird ein Archivstück sofort für den Benutzer gesperrt.
Auch die oft prunkvollen Siegel an einer Urkunde, aus Wachs, Blei oder sogar Gold sind bedroht, ebenso die Malerei auf Urkunden.
Jeder Arbeitsschritt wird dokumentiert, ist nachvollziehbar und bei Bedarf reversibel. Es wird stets nur so viel gemacht wie unbedingt nötig, die Mitarbeiter, allesamt gelernte Buchbinder arbeiten mit viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl.
Die Archivrätin kennt die "Faszination Original" nur zu gut, Geruch, Haptik und Format lassen sich nicht digital abbilden. Dennoch wird Archivgut digitalisiert und wenn möglich so dem Benutzer zur Verfügung gestellt, das Original ist dann gar nicht oder nur noch im Ausnahmefall verfügbar.
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