"Von Menschen, Mächten und Meinungen"
(Wambach, sh)
Ohne es vielleicht geahnt zu haben, haben die Macher von „MAI-Kultur 2017“, Präsident Klaus Sperling und seine Mitstreiter vom Lions Club sowie Horst Pinsker der deutschen Sprache ein Denkmal gesetzt. Nach dem Mundartabend mit Prof. Ludwig Zehetner am Mittwoch (Bericht erfolgte) durften die Zuhörer bei der Lesung von keinem geringeren als dem früheren ARD-Vorsitzenden Peter Voß ein zweites Mal erfahren, welche Wirkkraft die deutsche Sprache entwickeln kann.
Er war Fernsehjournalist, Rundfunk-Intendant und ARD-Vorsitzender. Doch Peter Voß als Lyriker? Wer diese Facette an dem Grandseigneur des deutschen Fernsehjournalismus noch nicht gekannt hatte, der ist beim „Brunnenwirt“ in Wambach vor den Toren der Hopfenstadt angenehm überrascht. Der 76-jährige frühere Intendant des SWF und Präsident der Quadriga Hochschule Berlin in den letzten Jahren zwei Gedichtbände herausgegeben, die er den rund 100 Gästen an diesem Abend nicht vorenthalten wollte. Ebenso las Peter Voß aus seinem im Herbst 2016 erschienenen Buch „An den Ufern des Mainstreams“. Es handelt dem Autor zufolge „von Menschen, Mächten und Meinungen“ und soll „ein Notizbuch“ aus seiner Zeit als Fernsehjournalist sein.
Horst Pinsker, Chef von Pinsker Druck und Medien, mit Peter Voß (rechts)
Der Autor nimmt den Leser mit zu Begegnungen mit den ganz Großen der Zeitgeschichte. Man trifft die Kanzler Helmut Kohl, Willy Brandt und Angela Merkel genauso wie Papst Benedikt XVI., den Schriftsteller Martin Walser, den Kritikerpapst Marcel Reich-Ranicki und viele mehr. Über sie alle erzählt Peter Voß Geschichten und Geschichtchen - hin und wieder garniert mit dem feinen Spott des zurückhaltenden Hanseaten. Immer wieder wechselt er dabei - ganz Fernsehmann - die Perspektive und leuchtet auf diese Weise so manchen Hintergrund aus, der sonst im Verborgenen geblieben wäre.
Voß’ sonore Stimme, vielen noch im Ohr aus seiner Zeit als Anchorman des "heute-journal" im ZDF, verleiht den rezitierten Versen etwas „Geheimnisvolles und wunderbar Durchsichtiges“, wie es die FAZ bei seinem Debüt als Lyriker im Jahre 2000 mit „Zwischen den Kratern“ einmal beschrieben hatte. Vieles aus seiner Kinderzeit hat der selbstgenannte "in Hamburg geborene Lübecker“ in seinen Gedichten verarbeitet. In wenigen Zeilen setzt sich das Kriegskind Peter Voß mit dem Verlust des Vaters, eines Marinesoldaten, der 1943 von einer U-Boot-Feindfahrt nicht zurückkehrt, auseinander. Einen Ausschnitt daraus enthielt der Professor seinen Zuhörern nicht vor:
Biskaya
Vater? Nur ein armer junger
dummer Kerl voll Lebenshunger,
dessen Hand ich nicht mehr fand -
fiel, wie’s hieß, für’s Vaterland,
für Führer, Volk et cetera,
dreiundvierzig, im Julei.
Biskaya heißt sein Wassergrab.
Er war dreißig, ich kaum drei,
da war es schon mit ihm vorbei,
ich hab ihn also kaum gekannt
und fuhr ein paar mal an den Strand,
an dem ich denk, ich wär ihm nah.
Doch er ist auch dort nicht da.
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