Rotlichtviertel und Lutterwirt
(Pfaffenhofen, ce)Zahlreiche interessierte Teilnehmer bei der Reformationsführung
"Klein aber sehr elegant" beschrieb schon Philipp Apian vor knapp 500 Jahren Pfaffenhofen. Er wollte gar die Ingolstädter Universität hierher verlegen, so gut gefiel es ihm. Und ganz nebenbei wollte er so der Pest entkommen. Der Protestant musste wenig später in Augsburg sein Quartier beziehen.
Aber er war selbst in Pfaffenhofen, das gilt als gesichert, auf die Stadt warf er sogar einen Blick vom Kirchturm aus.
"Landsknechte, Hexen und Badegäste - Pfaffenhofen in der Reformationszeit" heisst die neue Themenführung von Frieder Leipold. Der Historiker, Journalist und Gästeführer lockt die Teilnehmer auf eine spannende Zeitreise in die Welt vor 500 Jahren. Dabei enthüllt er Geschichte und Geheimnisse in Pfaffenhofen, das zu keiner Zeit lutherisch war, aber natürlich von der Reformation beeinflusst wurde. Pfaffenhofen gehörte meist zum Teilherzogtum Oberbayern und ab 1506 schlicht zum Herzogtum Bayern und da war man katholisch wie der Herzog, eine andere Wahl gab es nicht.
Frieder Leipolds Leidenschaft ist Geschichte, und das spürt man. Seine Führungen sind ausgebucht und längst kein Geheimtipp mehr. Er hat schon zur Schlacht um Pfaffenhofen geforscht und geführt, über Napoleon und nun auch zur Reformation.
Es hat sich herumgesprochen dass Frieder Leipold Geschichte fundiert erforscht und sie dann mitreißend und kurzweilig darbietet. Seine Führungen sind vielseitig und informativ. Er erzählt frivol im ehemaligen Rotlichtviertel, fesselnd vor dem Türltor und immer mit einem Augenzwinkern humorvoll und bewegend.
Pfaffenhofen vor 500 Jahren, der Zeit als Luther seine Thesen anschlug, war ein kleines Provinznest mit vielleicht 1.200 Einwohnern. Und dennoch war es am Puls der Zeit, es lag an wichtigen Verkehrswegen, berittene Boten brachten Neuigkeiten, über eine Art "B 13 der frühen Neuzeit". Der Ochensenweg führte auch durch, es war zudem nicht weit in die nächsten großen Städte.
Viel ist nicht mehr zu sehen aus der Zeit der Reformation, doch Frieder Leipold versteht es, lebendige Bilder in die Köpfe zu zaubern. Er illustriert mit historischen Karten und Abbildungen, scheut sich nicht witzige Bögen in die Neuzeit zu spannen und an die Gegenwart anzuknüpfen.
Stadtführungen in Pfaffenhofen sind immer eine besondere Herausforderung, man muss stets gegen Verkehrslärm ankommen und gleichzeitig Geschichte meist vor schmucklosen Neubauten präsentieren. "Hier war einmal..." beherrscht Frieder Leipold meisterlich, Geschichte liegt plötzlich direkt vor den verblüfften und freudig gespannten Teilnehmern.
So erfahren die Teilnehmer, dass die Landsknechte wahre "fashion victims" waren in ihren zerschlitzen Hosen und dass Pfaffenhofen einmal ein internationaler Badeort war. Vermutlich eher nicht wegen der Wasserqualität oder der schönen Landschaft, schon mehr wegen der sinnlichen Angebote im Badehaus an der Altenstadt.
Überhaupt war das Mittelalter keineswegs so dunkel und eingeschränkt wie wir oft glauben, erst die Reformation führte zu einer gewissen Prüderie und Kleinteiligeit. Studierten einige Pfaffenhofener Söhne früher in ganz Europa, auch in Wien oder Paris, mussten sie in der Reformationszeit alle an die bayerischen Landesuniversität ins nahe Ingolstadt.
Frieder Leipold führt vom Hauptplatz über Platzl und Stadtmauer und macht einen Abstecher in die Stadtpfarrkirche. Er erläutert wie eine eigentlich protestantische Formel auf einen katholischen Grabstein gelangte und wie die Kirchenbänke in die Kirche kamen. Auf der Runde lüftet er auch das Geheimnis vom "Lutterwirt", der so gar nicht protestantisch war. Bei ihm wurde "gelottert", die einfachen Leute konnten dort auf den Bänken übernachten. Ein Lotterleben führten sie, ein Begriff der sich erhalten hat.
Damals war Bayern noch ein Weinland, das Bier war vielfach Luxusgut, musste sogar importiert werden. Am Hungerturm werden die Teilnehmer der Führung dann auch mit jenem edlen Gebräu bewirtet, die Führung schliesst mit einer Bierverkostung.
Unentschieden stand es bei der Abstimmung welche Biersorte besser schmeckt, einig waren sich die Teilnehmer allerdings: Es war eine spannende, lehrreiche und gleichzeitig lustige Führung.
Wegen der großen Nachfrage wird Frieder Leipold ab September weitere Touren anbieten.
Der ehemalige "Lutterwirt", der eigentlich ein Lotterwirt war
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