„Hallo, hier bin ich“ Interaktives Fotoprojekt mit Geflüchteten aus der Region
(Pfaffenhofen, wk)Die Schwierigkeit von Geflüchteten mit geringen Deutschkenntnissen auf Muttersprachler zuzugehen und ins Gespräch zu kommen, brachte die jungen Asylbewerber auf die Idee zu einem Fotoprojekt. Bei gemeinsamen Ausflügen und Spaziergängen in Ingolstadt, Pfaffenhofen, Reichertshofen und bis nach Bamberg entstanden viele Fotos, bei denen sich die Teilnehmer die Orte auswählten und sich selbst in Szene setzten.
Sie ließen sich an verschiedenen- noch oder nicht mehr ganz so fremden - Orten fotografieren zum Beispiel im Grünen am Heideweiher, vor dem Ingolstädter Münster oder bei der Arbeit am Dönerspieß. Jeder Teilnehmer entschied für sich, welches Porträt in die Ausstellung aufgenommen werden sollte. Dabei fiel die Wahl manchmal überraschend aus und manche Fotos transportieren eine Aussage, die sich ganz ungeplant im Prozess ergab, etwa durch den kurvigen Weg oder das blumengeschmückte Kriegerdenkmal im Hintergrund.
Den Besuchern der Ausstellung stellen sich die Projektteilnehmer als Individuen vor, die unter tausenden Flüchtlingen mit ihrer ganz persönlichen Geschichte in der Region Ingolstadt-Pfaffenhofen angekommen sind und hier einen neuen Alltag wagen. Ihre Bilder betitelten die Porträtierten mit frei gewählten Sätzen in ihrer Handschrift. In gerade erst erlernten lateinischen Buchstaben ist bei dem Einen Name, Alter und Berufsziel, bei dem Anderen der Gedanke an die unvergessene syrische Heimat nachzulesen. Ergänzt wird die handgemachte Ausstellung um ein Heft mit Interviews, in denen die Teilnehmer von ihrer Kindheit oder Familie, Erfahrungen im Flüchtlingscamp, ihrer Ankunft in Deutschland und Zukunftsplänen erzählen. Alles wurde illustriert mit ausgedruckten Handyfotos. Somit lernen die Besucher der Ausstellung „Asylbewerber“ als Individuen mit Namen, einer Persönlichkeit und einer Geschichte kennen. Sie sind dann nicht mehr nur Objekte, über die Gesprochen und geschrieben wird, sondern handelnde Menschen, die sich ins öffentliche Geschehen einbringen.
Erstaunlich groß war die Resonanz auf das Projekt. Nach der Eröffnung im November 2016 in Vronis Ratschhaus in Ingolstadt, wo die Ausstellung für einen Monat zu sehen war, gastierte sie am Tag der Menschenrechte im dortigen Stadttheater und folgte im Januar einer Einladung der Ingolstädter Grünen zusammen das Jahr 2017 zu begrüßen. Bei allen Veranstaltungen kam der Großteil der Teilnehmer wieder zusammen und erfuhr, wie schön es ist, mit immer neuen Menschen ins Gespräch zu kommen und auf interessierte Fragen persönlich Antwort zu geben. Manche konnten sich sogar für den Bayerischen Rundfunk interviewen lassen, zum ersten Mal auf Deutsch vor Publikum sprechen oder ein arabisches Liebeslied singen.
Alle freuten sich sehr, dass auf Initiative der Lehrerin und Dolmetscherin Ikbal Ben Said die Ausstellung derzeit in der Berufsschule in Pfaffenhofen – wo einige der Projektteilnehmer selbst den Unterricht besuchten – ihre letzte Station macht. Denn eines ist klar: Nachdem vor einem Jahr die Arbeit begann, trifft das Motto „Hallo, hier bin ich“ für die Teilnehmer nicht mehr zu. Zwei mussten Abschied nehmen, weil sie abgeschoben wurden, für die anderen wird es in ein oder zwei Jahren, wenn sie in irgendeinem Moment zurückblicken, vielleicht überrascht und hoffentlich ein wenig stolz heißen: „Hier bin ich angekommen“.
Claudia Roth im Kreis ausländischer Berufsschüler mit Lehrerin Ikbal Ben Said
Bundestagsvizepräsidentin Claudio Roth nutzte bei ihrem Besuch in Pfaffenhofen die Möglichkeit, die Ausstellung in der Berufsschule zu besuchen und mit den jungen Menschen ins Gespräch zu kommen, dabei signierte sie einige der Fotos.
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