Mit dem Kanzlerkandidat auf den Gillamoos
(Abensberg, ls)Im Jungbräuzelt ging es heiß her. Nicht nur die zahlreichen Hendlbratereien verwandelten das Festzelt in eine dampfende Sauna, auch Kanzlerkandidat Martin Schulz (SPD) sorgte mit einer Entourage von Parteianhängern und riesigem Medienaufgebot für eine aufgeheizte Stimmung. In 20 Tagen wird der 19.Bundestag der Bundesrepublik gewählt. Seit dem Kanzlerduell der letzten Nacht ist man nun hochoffiziell in der heißen Phase eines bisher lauwarmen Bundestagswahlkampfes angekommen.
Der politische Gillamoos – für die Elite der Bundespolitik ein echter Pflichttermin. Im Wahljahr 2017 war SPD-Kanzlerkandidat Schulz jedoch nicht der einzige, der sich auf der politischen Bühne platzierte. Cem Özdemir von den Grünen, Christian Lindner von der FDP, Hubert Aiwanger von den Freien Wählern und nicht zuletzt ein verschwunden geglaubter Karl-Theodor zu Guttenberg von der CSU nutzen Bayerns Traditionsfest für den politischen Reigen.
Schulz gab dem voll besetzten Jungbräuzelt nach flammenden Reden der niederbayerischen SPD-Spitze den hunderten Festzeltbesuchern eine Ode an die Sozialdemokratie und distanzierte sich stark von dem Vorwurf, seine Forderungen und die von Kanzlerin Merkel seien austauschbar. „Merkel will die Vergangenheit verwalten, Schulz will die Zukunft gestalten“, so sein Veto. Vor allem für den schleppenden Ausbau des deutschen Breitbandnetzes sah er Merkel in der Pflicht. „Nach 14 Jahren stehen wir im Ranking hinter Mexiko und Chile“, erklärte Schulz. Für ihn eine verpasste Chance und keine zukunftsweisende Politik für junge Generationen.
Es war eine Rede, die sich an den Bedürfnissen junger Menschen orientierte. Ein Nein erteilte er beispielsweise Kita-Gebühren. „Eltern ziehen ihre Kinder groß und der Staat lässt sie dafür bezahlen!“ Für Schulz eine unhaltbare Vorgehensweise, genauso unhaltbar wie der Einkommensunterschied zwischen Krankenschwestern und Managern. Eine unzureichende Beisteuerung von Top-Verdienern grabe laut dem SPD-Parteivorsitzenden unüberwindbare Gräben in ein eigentlich reiches Land. „Ja, uns geht es gut. Aber es gibt Menschen, denen geht es weniger gut. Lasst uns diese Menschen nicht vergessen“, so sein Bekenntnis zur Steuerpolitik der SPD, die eine starke Entlastung mittlerer Einkommen vorsieht.
Neben einem großen Lob auf Deutschlands duales Ausbildungssystem, starker Kritik an den türkischen Regierungschef Erdogan und US-Präsident Donald Trump war es jedoch seine Absage an die AfD, die im Festzelt den lautesten Beifall erntete. „Die SPD war die Partei, die sich 1933 gegen das Nazi-Regime gestellt hat“, mahnte er an. Eine wie von der AfD geforderte Wende in der Erinnerungskultur des dritten Reiches sei für ihn Beweis, dass es sich bei der AfD nicht um eine Alternative sondern eine Schande für die Nation handele. In diesem Zusammenhang war daher auch sein Aufruf für mehr europäische Integration kaum überraschend. „Denkt daran, was für ein Geschenk Europa für uns alle ist“, so Schulz. Mehr als 70 Jahre Frieden – für den Sozialdemokraten ein Beweis für das gelungene Projekt „Europa“.
Viele Themen wurden letztlich angeschnitten, für wahrscheinlich noch mehr Selfies und Unterschriften durfte der Star der SPD am Ende herhalten. Das doch so vehement durch die Medien getriebene „Dieselgate“ klammerte Schulz am Ende aus seiner Rede aus. Er nutzte die Bühne des diesjährigen Gillamoos vor allem für SPD-starke Grundthemen – soziale Gerechtigkeit und den europäischen Gedanken.
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