Zwischen Zupferromantik und Maschinisierung
(Pfaffenhofen, ce)Lorenz Kettner liest über die Geschichte des Hopfenanbaus
Es soll eine wilde, unwegsame Gegend gewesen sein, voller Rossdiebe, mit St. Kastulus als Schutzpatron. So wird in Sagen und Erzählungen die Hallertau beschrieben. "San fertn unsa neine gwen, und heia san uns drei. De andan san beim Schimmestäin, Maria steh ea bei" wird im Holledauer Schimmel gesungen.
Damit begann auch Lorenz Kettner seine Lesung über die Geschichte des Hopfenanbaus. Im Festsaal des Rathauses präsentierte er keine trockene Abhandlung, sondern einen ebenso amüsanten wie informativen Vortrag. Der war bestens vorereitet und konzipiert und begeisterte die Zuhörer, darunter Hans Prechter, Kulturreferent Kopetzky und zahlreiche Fans der Lesungen.
Umrahmt wurde der Abend von Karoline Frey, die an der Harfe virtuos traditionelle Volksmusik spielte.
Lorenz Kettner unterrichtete Geschichte, Deutsch und Sozialkunde am Schyrengymnasium und begeisterte Generationen von Schülern für Geschichte und Sprache, für Politik und Kultur. Er fesselte im Unterricht genau so wie auf seinen zahlreichen Lesungen und Vorträgen. 1975 promovierte Kettner über "die Entwicklung der Hallertau zum Größten Hopfenanbaugebiet der Welt im 19. und 20. Jahrhundert". Er studierte noch bei Karl Bosl, einem der Väter der Bayrischen Geschichte. 750 Seiten schrieb er damals, eine bis heute umfassende Abhandlung.
Er schmückt seinen fundierten Vortrag mit lustigen und unterhaltsamen Quellen, mit Liedtexten, Briefen und Gedichten. So entsteht ein lebendiger Eindruck der Zeit, mal lustig, mal rührend und oft drückend schwer. Kettner kannte noch den Roider Jackl und natürlich fehlt auch ein Ausschnitt aus dessen Liedern nicht.
Pfaffenhofen, so wird schnell klar, gehörte eigentlich nicht zur Hallertau. Die fand sich anderswo, irgendwo bei Abensberg, Nandlstadt und Mainburg und bis hinüber nach Wolnzach.
Dabei ist die Hallertau erst seit jüngerer Zeit zum größten zusammenhängenden Hopfenanabaugebiet der Welt aufgestiegen. Bayern war von den Römern bis weit ins Mittelalter hinein ein Weinland. Das Klima war besser, der Wein schmeckte, davon zeugen auch heute noch zahlreiche Orts- und Straßennamen in der Region.
Erst im Mittelalter erfolgte langsam ein Wechsel zum Bier, Hopfen war einfach robuster. Der wurde überall da angebaut, wo Bier gebraucht wurde: In Klöstern ebenso wie in Adelshäusern und Bauernhöfen. Und das keineswegs nur in der heutigen Hallertau. Für die Region ist der Hopfenanbau seit rund 1.200 Jahren urkundlich belegt. Doch es dauerte, bis Bier zur Voksnahrung wurde, zum "fünften Element der Bayern".
Erst seit Mitte des 19. Jahrhunderts konnte man Hopfen und Bier weiter transportieren, die Wege wurden langsam besser, die Eisenbahn kam. Lorenz Kettner zeigt die von vielen Krisen und Niederlagen gekennzeichnete Entwicklung durch die letzten beiden Jahrhunderte auf. Lange Zeit waren die Hopfenanbaugebiete in Franken und in Tschechien deutlich erfolgreicher.
Hopfenzupfen war bis weit nach dem zweiten Weltkrieg reine Handarbeit. Schwere Arbeit, gewürzt von verklärter Plückerromantik. Für die wenigen Wochen der Hopfenernte herrschte Ausnahmezustand in der Hallertau. Von weit her kamen Arbeiter, aus Preußen gar und aus Sachsen, aus dem Osten und aus München, so berichten Quellen. Verkrachte Künstler waren darunter, arme Studenten, allerlei Gaukler und Gelichter, fleissige Arbeiter, Frauen und Kinder.
Die Gendarmeriestationen wurden zur Ernte verstärkt, Sicherheitsprobleme gab es trotzdem. Manche Schlägerei, teils nach heftigem Bierkonsum, artete aus. Lorenz Kettner liest hierzu ein Vorkommnis aus Enzelhausen, am Ende waren dort fünf Personen angeschossen, alle anderen Beteiligten der Wirtshausschlacht hatten bis zum Morgen das Weite gesucht.
Beide Weltkriege führten zu massiven Krisen, Hopfen galt als unnütz für die Ernährung. Nach dem ersten Weltkrieg setzte die Inflation auch den Hopfenbauern zu, zudem gefährdete die Peronospora die Pflanzen.
Lorenz Kettner geht auch auf die Lage und Haltung der Hopfenbauern im dritten Reich ein. Diese erhofften sich zunächst Rettung aus misslicher Lage durch einen "starken Mann" und starke Regulierung. Gegen Ende des zweiten Weltkriegs sollte der Hopfenanbau sogar ganz eingestellt werden. Erst langsam erholten sich die Betriebe wieder.
In den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts veränderte die Einführung von Pflückmaschinen die Struktur der Hallertau gravierend und nachdrücklich. Innerhalb weniger Jahre setzte eine drastische Betriebskonzentration ein. Nebenerwerbs-Hopfenbauern konnten nicht mehr bestehen, zu teuer waren Maschinen, Spritzmittel und Darren. Die Hopfenpflückerromantik der früheren Jahre war endgültig vorbei. Wo früher dutzende Menschen von Hand in Metzen gezupft hatten, erledigte das nun eine Maschine.
Die Brauwirtschaft setzte zusätzliche Impluse, Bitterhopfen war gefragt, es kam zum Anbau ganz unterschiedlicher Sorten. Zudem banden sich Bauern mit mehrjährigen Lieferverträgen an die Brauereien, was zwar Spitzengewinne kappte, aber Sicherheit bot.
Lorenz Kettners großartiger und kurzweiliger Vortrag endete mit den ungeklärten Fragen, die er vor mehr als 40 Jahren an das Ende seiner Dissertation gestellt hatte: Wie sich zeigt, sind diese Fragen nach etwa nach Umweltschutz oder Betriebsgrößen bis heute aktuell.
Wie es bei Kettner-Lesungen Tradition ist, gab es natürlich auch noch eine Zugabe für das begeisterte Publikum. Wilhelm Busch war nicht nur Zeichner sondern auch Dichter und sprach um 1900:
Mich wurmt es, wenn ich nur dran denke. -
Es saß zu München in der Schenke
Ein Protz mit dunkelroter Nase
Beim elften oder zwölften Glase.
Da schlich sich kümmerlich heran
Ein armer, alter Bettelmann,
Zog vor dem Protzen seinen Hut
Und fleht: Gnä Herr, ach sein S' so gut!
Der Protz jedoch, fuchsteufelswild,
Statt was zu geben, flucht und schilt:
Gehst raus, du alter Lump, du schlechter!
Nix möcht' er, als grad saufen möcht' er!
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