Tränenreiches Wiedersehen
(Reichertshofen, rt)Diese beiden Brüder haben nach Jahren der Trennung jetzt eine gemeinsame Zukunft in Reichertshofen. Foto: Privat
In Reichertshofen war die Wiedersehensfreude geradezu überschäumend, als Karin M. (Alle Namen von der Redaktion verändert) ihren heute zwölfjährigen Sohn Christian vor wenigen Wochen in ihre Arme schließen konnte. Elf seiner Lebensjahre musste er unfreiwillig in Südafrika verbringen. Sein Vater ließ ihn von dort nicht mehr zurück. Nun wendete sich das Blatt.
„Hallo Mami, ich bin zuhause!“ Diese Worte zur Begrüßung wird Karin M. nicht mehr vergessen. Christian ist nach elf Jahren endlich wieder zu ihr und seinem Bruder zurückgekehrt. Die Geschichte dahinter ist herzergreifend. Indem sie sie jetzt erzählt und damit öffentlich macht, möchte die Mutter anderen Mut machen, niemals aufzugeben, auch wenn es das Schicksal einmal nicht so gut mit einem meint.
„Anfang der Neunziger Jahre hatte ich Mittlere Reife und eine kaufmännische Ausbildung abgeschlossen. Doch der Sinn stand mir nicht nach einem Job in der Heimat – mich hatten Fernweh und Abenteuerlust gepackt“, erzählt Karin freimütig. Zuerst sei sie als Au-pair-Mädchen nach Rom, danach verschlug es sie aufgrund von Verwandtschaftsbeziehungen nach Südafrika.
„Nach sieben aufregenden Jahren jedoch zog mich das Heimweh nach Deutschland – genauer gesagt ins schöne Bayern – zurück. Das Schicksal wollte es, dass ich kurz vor der Abreise meinen späteren Mann kennen lernte.“ Das Paar heiratete noch in Südafrika, um dann gemeinsam in Deutschland neu durchzustarten. „Leider gewöhnte sich mein jetzt Ex-Mann nicht an die europäische Lebensweise, obwohl er schnell Arbeit gefunden und die deutsche Sprache rasch und sehr gut erlernt hatte.“
Abgeschottet von der Umwelt
Aus einer südafrikanischen konservativen Buren-Familie stammte er, Nachfahren der holländischen Kolonialmächte. „Er war sehr altmodisch eingestellt. Mein Erfolg im Arbeitsleben war ihm ein Dorn im Auge. Seine Einstellung war: für die Frau gelte auch heute noch das Kinder-Kirche-Küche-Motto.“
Kurz hintereinander, im Abstand von 15 Monaten, bekam das Paar zwei Söhne. „Da hatte ich keine Chance mehr, von ihm noch als eigenständige Person angesehen zu werden. Als er durch eigenes Verschulden arbeitslos wurde, kümmerte er sich weder um neue Arbeit, noch um das Abbezahlen des vorhandenen Kredits.“ Zusammen hatten sie ein altes Haus gekauft und in viel Eigenarbeit renoviert. Karin M. nennt die damalige Zeit ihre Gefangenschaft: „Trotz der schwierigen Situation erlaubte er mir nicht, zur Arbeit zurückzukehren; das steigerte sich dann soweit, dass er uns völlig von der Umwelt abschottete. Doch ich gab nicht auf und es gelang mir, nach einem Jahr mich auf eine Arbeitsstelle zu bewerben.“ Sie bekam sofort einen Arbeitsvertrag.
„Mir war klar, mein Mann würde sich das natürlich nicht lange anschauen.“ Und tatsächlich: Er beschloss, nach Südafrika zurückzukehren.
„Leider konnte ich nicht verhindern, dass er unseren jüngeren Sohn Christian mitnahm, der da gerade einmal eineinhalb Jahre alt war.“ Warum sie diese „Entführung“ nicht den Behörden gemeldet habe, auf diese Frage antwortet sie: „Ich war in einer unvorstellbaren psychischen Ausnahmesituation.“ Mit der Zeit arrangierte sie sich mit den Gegebenheiten. Um die Verbindung der beiden Brüder nicht abreißen zu lassen, schickte sie ihren Sohn Klaus später jedes Jahr mit Hilfe des Begleitservice der Fluggesellschaft auf Besuch zu seinem Bruder. „Allerdings konnte ich mich nicht dazu durchringen, jedes Mal mitzufliegen. Mit nur einem meiner Söhne nach Hause zurückzukehren – das hätte ich nicht verkraften können.“
Zum Glauben gefunden
All die Jahre habe sie versucht, ihren Mann zu überzeugen, dass die zwei Brüder zusammengehörten und Christian hier eine bessere Zukunft habe als in Südafrika. „Ich schickte Päckchen, Glückwunschkarten und rief regelmäßig an. Meine Aktivitäten waren jedoch einseitig: wenn überhaupt kamen nur abweisende und auch abwertende Reaktionen meines Ex-Partners zurück.“
Also musste ich sie sich in Geduld üben. „Dabei fand ich zum Glauben, der mir half, einfach darauf zu vertrauen, dass dies alles aus irgendeinem Grund passiert – und eines Tages alles gut werden wird.“
Und so geschah es: „Aus heiterem Himmel kam im vergangenen Juni der Anruf, dass Christian unbedingt zu uns nach Deutschland will – zu seiner Mutter und seinem Bruder! Offenbar hat auch er Geduld bewiesen und seinen Vater weich geknetet. Wir konnten es kaum glauben.“ Die Freude war tränenreich und unbeschreiblich, als Christian dann endlich am Münchner Flughafen ankam.
„Meine Geschichte wollte ich eigentlich nicht groß herumerzählen. Doch mit der Zeit wurde mir klar, dass sie das Zeug hat, Menschen Mut zu machen, die mit einem ähnlichen Problem kämpfen. Mit Geduld, Zuversicht, Vertrauen und einer positiven Einstellung wird alles gut!“
Karin M. dankt ganz besonders ihrem Arbeitgeber, den Vorgesetzten und Kollegen. Sie hätten stets ein offenes Ohr gehabt und sie auch tatkräftig unterstützt. „Aber auch der Reichertshofener Mittelschule und der Marktverwaltung gebührt Dank für die schnelle und freundliche Abwicklung aller bürokratischen Hemmnisse.“
Christian freut sich jetzt über das neue Schuljahr, aber vor allem auf den Winter, denn er hat ja noch nie Schnee erlebt! Der Schlitten steht schon bereit.
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