„Es“: Mutig und ungewöhnlich?
(Wolnzach, mu/ls)Foto @Warner Bros
Seit einem Monat läuft der Stephen King Klassiker in den deutschen Kinos. Rund 650 Millionen Dollar konnte das Grusel-Remake weltweit bereits einspielen. Jetzt, wo es auf die Horror-Hochsaison zugeht, haben wir uns gefragt: Lohnt sich ein Gang in die Kinos noch? Michael Urban hat für uns im Amper Lichtspielhaus in Wolnzach den Test gemacht.
Wer sich zu Halloween einen passenden Film wünscht, kann sich derzeit an der 35 Millionen Dollar teuren Neuverfilmung von Stephen Kings Horror-Klassiker ES versuchen. Diese geht ihren eigenen Weg und wurde von der wiederbelebten Fangemeinde rekordartig angenommen. „Es“ ist wieder in Mode und hat weltweit mittlerweile schon über 600 Millionen Dollar eingespielt.
Die Handlung orientiert sich relativ nah am Quellenmaterial. In der Stadt Derry verschwindet ein Kind nach dem anderen, es bleibt oft nur eine blutige Spur. So wirklich scheint dies aber niemanden zu interessieren, es hängt ein Amnesie stiftender und feindseliger Schatten über der Stadt, der von Generation zu Generation weitergegeben wird. Doch es regt sich Widerstand: die grauenhaften und seltsamen Begegnungen mit einem Clown Pennywise schweißen ausgerechnet eine Gruppe von Außenseiter-Teenagern zusammen. Als sogenannter „Club der Verlierer“ wollen sie dem sich von ihren Ängsten nährenden und gestaltwandelnden Dämon den Garaus machen.
Der Charme kommt dabei nicht zu kurz, es herrscht eine ähnliche, seltsame Nostalgie wie beispielsweise in der Serie STRANGER THINGS: seien es Anspielungen auf bekannte Filme der 80er-Jahre (BEETLE JUICE, GREMLINS, BATMAN, LETHAL WEAPON, NIGHTMARE ON ELMSTREET), mit Slogans gespickte T-Shirts oder Winke an die frühere Pop-Welt in Form des Arkaden-Spieles Streetfighter oder der Band New Kids on the Block. Da schlagen Nerd-Herzen höher.
Regisseur Andy Muschietti (MAMA) macht aus Kings epochaler literarischer Vorlage von 1986 einen „richtigen Film“, verknüpft eine stilgerechte, mit Anspielungen gespickte Darstellung der 80er-Jahre mit einer einfachen, aber handfesten „Coming-of-Age“-Story, überzeugenden Charakteren und gewitzten Dialogen. Umgesetzt wird der Film über eine hochwertige, kohärente Ästhetik sowie eine Filmmusik, die sich auf Verbrechen einflüsternde Kinderlieder und üppige, den kindlichen Horizont erweiternde Orchestermusik stützt. Zusammenhalten wird alles von einem brillanten Bill Skarsgård als Pennywise, dem „tanzenden Clown“.
Schauspielerisch gilt es nicht nur die Leistung der Außenseiter aus dem „Losers‘ Club“ hervorzuheben. Authentische Kinder-Schauspieler für ein mit Witz angelegtes Horror-Drama zu finden, ist nicht die leichteste Aufgabe. Die frechen und freundschaftlichen Neckereien zwischen den Kids waren oft improvisiert, was dem Charme des Filmes zugute kommt. Für die Darstellung von Pennywise legten sich Muschietti und Skarsgård besonders ins Zeug. Schließlich galt es nach Tim Currys geschätzter Darstellung von Pennywise in der Erstverfilmung (1990) große (Clown-)Schuhe zu füllen. Angeblich trainierte Skarsgård mit einem Schlangenmenschen, um Pennywise eine unnatürliche Physis zu verleihen. Das Clown-Schielen konnte er ohne Spezial-Effekte herstellen, das durch die rattenartigen Schneidezähne entstandene Sabbern wurde ein Teil des gelungenen Makeups. Skarsgård recherchierte nicht nur andere „Psycho“-Filme wie THE SHINING (Roman von Stephen King), sondern nahm auch von Alpträumen geprägte Drehphasen in Kauf, indem er sich a la „Method Acting“ seiner eigenen Ängste als Grundlage für eine eindringliche Darstellung von „Es“ zu bediente.
Fazit: Die neue Version von ES ist definitiv kein ultimativer Schocker, aber mutig und ungewöhnlich. Man merkt dem Film seine Liebe für die Figuren an, das Produkt ist eine gelungene Mischung aus Horror- und Adventure-Film. So darf man sich auch auf „Kapitel 2“ (angekündigt für 2019) freuen. Happy Halloween!
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