Unter Strom
(Pfaffenhofen, von Harald Regler)Als Reporter stehen wir hinter der Kamera, begleiten Ereignisse, berichten über Neuheiten oder schreiben über die topaktuellen Themen der Region. Für Euch wagen wir uns aber jetzt aus dem sicheren Bereich hinter der Linse hervor, um die neuesten, schrägsten und lustigsten Trends auszuprobieren, die uns während unserer täglichen Arbeit vor das Objektiv laufen. Einer davon ist das Elektro-Myo-Stimulationstraining. Schon seit einigen Jahren ist diese aus dem Rehabilitationsbereich stammende Anwendung aus der Fitnessbranche nicht mehr wegzudenken. Wir sind dieser neuen Form der körperlichen Ertüchtigung zum ersten Mal während der Wolnzacher Messe begegnet – und unsere Neugier war geweckt. Redaktionsleiter Harald Regler hat für euch den Selbstversuch gewagt und sich buchstäblich unter Strom setzen lassen.
Deutlich effektiver als ein normales Workout soll es sein und am Ende gar sieben Trainingseinheiten ersetzen – das zumindest verspricht die neue Trainingsmethode. Es klingt ein bisschen wie Zauberei. Sixpack über Nacht? Stramme Wadenmuskeln quasi im Schlaf? Irgendwie muss ich dabei an jene Geräte aus dem Teleshopping denken, die den ultimativen Beach-Body versprechen, ohne dass man dabei auch nur den kleinen Finger rühren muss. Was also steckt hinter der neuen Trainingsmethode? Einen Versuch ist es mir auf jeden Fall wert. Elektro-Myo-Stimulationstraining: Top oder flop?
Zugegeben, ich war schon ein wenig skeptisch. Sport ist normalerweise mit viel Training verbunden. Und diese Methode verspricht, das, was sich Athleten über viele Wochen und Monate erarbeiten müssen, in einem Bruchteil der Zeit zu erreichen. Dem EMS-Training wollte ich also unbedingt auf den Zahn fühlen und habe mich in Pfaffenhofen mit Fitnesscoach Anthony Gräber verabredet.
Wie fühlt es sich an, wenn Strom die Muskeln stimuliert, frage ich, als Anthony mir die nasse Weste reicht. „Man spürt ein Kribbeln in den Muskeln“, erklärt er und verkabelt mich dabei. Ein wenig mulmig ist mir schon zumute. Strom beim Sport – ist das nicht gefährlich? Anthony lacht: „Mit der Spannung leuchtet noch nicht einmal eine Glühbirne!“ Diese Aussage lässt meine Fragezeichen nicht kleiner werden, aber die schwarze Weste mit den zahlreichen Kabeln sitzt zu diesem Zeitpunkt schon bombenfest – es gibt keinen Weg zurück.
Was genau bewirkt also ein solches Training unter Strom? „Durch die elektrischen Impulse werden Muskeln deutlich stärker stimuliert als bei ‚normalen‘ Übungseinheiten“, erklärt Anthony. In Zahlen ausgedrückt: durch die elektrischen Impulse ziehen sich die Muskeln bis zu 360 Mal in vier Sekunden zusammen. Ein Wert, den man bei einem „normalen“ Training kaum erreichen kann. Soviel zur Theorie. Und in der Praxis?
Wow! Es kribbelt ein wenig, und das, obwohl ich noch gar nichts mache. „Dann könnte ich mich jetzt ganz bequem zurücklehnen und das Programm arbeiten lassen“, witzle ich, während Anthony das Trainingslevel nach oben schraubt. „Also doch ein Sixpack im Schlaf?!“
So angenehm das erste Kribbeln noch war, so intensiv wurde es bei den einzelnen Übungen: Hände an die Schläfe und in die Knie gehen. Während ich meine Muskeln ganz gezielt anspanne, jagen die Volt durch sie hindurch. „Wow, ich hätte nicht gedacht, dass das so anstrengend ist!“, keuche ich – einer der wenigen Sätze, die ich, völlig außer Puste, noch aus mir herausquetschen kann. Im Vier-Sekunden-Rhythmus gibt mir das Programm Übungen vor. Eigentlich ein einfaches, leichtes Stretchingprogramm; Kniebeugen, Rumpfdrehungen, man kennt diese Geschichten aus jedem normalen Warmup. Was von außen leicht aussieht, entpuppt sich dabei schnell aus schweißtreibend. Immer wieder ertappe ich mich dabei, wie ich auf den Bildschirm mit dem Timer schiele – und das, obwohl ich mich sportlich gesehen nicht gerade als Anfänger bezeichnen würde. Noch fünf Minuten – und Anthony gibt noch einmal Gas, oder besser gesagt Strom. „Geht noch was?“ fragt er mich, während er noch etwas weiter aufdreht. „Wo ist denn der Pause-Button“, frage ich mich. Dann ist der Timer endlich bei null. Anthony lacht: „Anstrengend?“
Ich kann kaum widersprechen – nach dem kurzen, stromunterstützten Training bin ich so ausgelaugt, als hätte man mich stundenlang mit Workouts gequält. „Im Prinzip ersetzt diese Einheit sieben Stunden im normalen Fitnessstudio“, erklärt Anthony. Ein Satz, den ich zu diesem Zeitpunkt definitiv unterschreiben würde.
Versprechen kann man am Ende viel, und in kaum einer Branche lösen sich die Trends so schnell ab wie im Fitness. Auch nach meinem zwanzigminütigen Workout mit Anthony ist meine Verwandlung in einen aus Stein gemeißelten Herkules zwar nicht getan, aber so viel kann ich verraten: Der prophezeite Muskelkater blieb nicht aus!
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