Kino! Kino! Heute: Thor – Tag der Entscheidung
(Pfaffenhofen, ls/mu)Was gibt es Schöneres, als sich an einem verregneten Sonntagabend mit Nachos, Popcorn und Eiskonfekt in den Kinosessel zu kuscheln? Kino – die perfekte Mischung aus Ausgehen und Faulenzen feiert im Herbst wieder Hochsaison. Für alle Cineasten haben wir uns Marvels Mega-Streifen „Thor – Tag der Entscheidung“ mal genauer angeschaut. Lohnt sich ein Ausflug in ein Lichtspielhaus? Achtung, Spoiler!
Eine Rezension von Michael Urban.
Eines hat der neuseeländische Tausendsassa und Regisseur Taika Waititi (BOY (2010), WHAT WE DO IN THE SHADOWS (2014), HUNT FOR THE WILDERPEOPLE (2016)) auf jeden Fall schafft: der dritten Thor-Fortsetzung, neues Leben einzuhauchen. Eine Menge Leben. Bunt, funky, schwungvoll, sexy und exzentrisch geht es zu. Thor (Chris Hemsworth) muss sich auf Asgard nicht nur mit seinem gaunerhaften Bruder Loki (Tom Hiddleston) und seiner todbringenden Schwester Hela (Cate Blanchett) herumschlagen. Er muss auch dem Müllplaneten Sakaar entkommen, nachdem er dort gestrandet ist und in der Arena des Grandmasters (ein schillernder, wunderbar schräger Jeff Goldblum) als Gladiator antreten muss.
Durch Waititis Hand verändern sich sowohl das Volumen als auch die Natur des zu erwartenden Marvel-Humors noch einmal deutlich. Durch seine Meta-Ebene und das „Selbst-auf-die-Schippe-nehmen“ bewegt THOR RAGNAROK sich auf Augenhöhe mit DEADPOOL und GUARDIANS OF THE GALAXY. Das Gegenüberstellen von außerordentlichen Momenten mit fein ausgewählten, prosaischen Details erzeugt eine absurde Situationskomik. Zum Beispiel beschwert sich ein übler, aus Felsbrocken bestehender Krieger (gesprochen von Waititi selbst) darüber, dass seine Rebellion daran gescheitert sei, dass nicht genügend Flyer ausgeteilt wurden. Oder der despotische Grandmaster bezeichnet seinen beeindruckenden, fleisch-zersetzenden Stab ganz trocken als banalen „Schmelzstab“. Dazu frotzelt und rempelt Thor mit dem einsilbigen, primitiv-komischen Ruffalo als Hulk um die Wette, während er mit dem vergnüglich heimtückischen Middleton als Loki auf brüderliche Weise sticheln darf.
Der Film bietet mit dem paradiesischen, archaischen Asgard und dem müllbedeckten, modernen Sakaar atemraubende und gegensätzliche Kulissen. Led Zepplins „Immigrant Song“ peitscht THOR RAGNAROK durch 130 Minuten Laufzeit, das urweltliche Kreischen passt wie die Faust aufs Auge zu durch die Luft zischenden Überwesen wie Göttern, Hulks oder Walküren. Waititis liebvoller Umgang mit den Figuren und der zugestandene Improvisationsspielraum vereint zahlreiche bekannte Schauspieler und ikonische Momente auf organische Weise. Man merkt den Akteuren den Spaß an, den sie beim Spielen der Figuren entwickeln konnten.
Doch einige dramaturgisch interessante Punkte werden nur im Vorbeigehen behandelt. Durch den geschickt eingefädelten Sub-Plot der Planet Hulk Story verliert die mit Charme spielende Blanchett als Haupt-Bösewicht an Entfaltungsmöglichkeit. Dem auf Krieg und Sklaverei aufgebauten Asgard droht der Untergang, während Loki und Thor sich als Figuren weiterentwickeln; letzterer sieht sich zudem mit Odins Nachfolge konfrontiert. Bevor zu viel Spannung und Pathos aufkommen, werden Situationen mit Komik gelöst. So zum Beispiel als Bruce Banner sich aufopferungsvoll in den Hulk verwandelt, ohne zu wissen, ob er wieder die Kontrolle gewinnen kann. Logiklöcher werden süffisant ignoriert oder übergangen.
Fazit: THOR RAGNAROK ist sicher eine sehr unterhaltsame, innovative, überschäumende Space-Tollerei, hochwertig produziert mit einem satten (geschätzten) Budget von 180 Mio. Dollar im Hintergrund. Die Kino-Kassen werden klingeln. Thor, eine eher arrogant und tragisch angelegte Figur, war mit seiner großherzigen, dickköpfigen Lebensansicht und der theatralischen Großspurigkeit seines Kostüms und seiner Lieblingswaffe schon immer ein Superheld, der anfällig – und gewissermaßen geeignet – für Komik war. Aber: zu viele Guardians verderben irgendwann den galaktischen Brei. Nichts ersetzt den eigentlichen Reiz der Comic-Verfilmungen: nämlich die übergroßen Figuren mit überraschender Menschlichkeit, Spannung und Griffigkeit anzureichern. Wie weit können die Macher von Marvel den Spaß noch treiben?
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