Was ein Haarschnitt ausmachen kann
(Pfaffenhofen, ls)Frisch gestylt (v.l.): Gerald, Friseurmeisterin Brigitte Müller mit ihrer Kollegin, Fabian und seine Haarstylistin, (hinten) Ilios-Pädagogin Ines Pörner
Man merkt Ines Pörner die Freude an. Die Pädagogin hatte in den letzten Wochen einige Friseursalons abgeklappert, bis sie bei Brigitte Müller von B.B.‘s Frisuren gelandet ist. Ihr Anliegen: Ein frischer, neuer Haarschnitt für drei ihrer Klienten, sozusagen als vorgezogenes Weihnachtsgeschenk. Sie leben in einer betreuten Wohneinrichtung im Herzen Pfaffenhofens, wo sie von der Ilios GmbH in ihrem Alltag unterstützt werden. „Ein Wohlfühlprogramm und eine optische Veränderung können manchmal einen richtigen Auftrieb verpassen“, erklärte Pörner. Auftrieb – etwas, das die psychisch und suchterkrankten Menschen gut gebrauchen können.
Gerade ihr Leidensweg ist ein Stigma in den Augen vieler Menschen. Verletzungen oder körperliche Erkrankungen, damit kann die Gesellschaft ganz gut umgehen. Wenn man anderweitig aus dem Raster von dem fällt, was als normal wahrgenommen wird, sieht die Geschichte gleich anders aus. „Gerade der Bereich der Sucht ist für viele Leute nicht greifbar. Sie verstehen nicht, dass diese Menschen schlichtweg erkrankt sind“, macht Lisa Goerke klar. Auch sie arbeitet für die Ilius GmbH in Pfaffenhofen als Sozialpädagogin. „Die sollen sich halt mal zusammenreißen oder aufhören zu trinken.“ – Sätze, wie diesen kennt das Team um Geschäftsführer Martin Sing nur allzu gut. Es ist schnell dahingesagt, dennoch: ein großer Teil der Klienten haben aufgrund einer schwierigen Kindheit eben überhaupt nicht gelernt, wie ein normales Leben ablaufen soll oder „wie man sich zusammenreißt“.
Bis zum 21. Lebensjahr betreut das Jugendamt diese Fälle, danach muss auf eigenen Beinen gestanden werden. Wenn das nicht klappt, springt Ilios ein. „Das Gebäude für das betreute Wohnen stellt ein Vermieter zur Verfügung, der mit jedem einzelnen Bewohner einen Vertrag abschließt“, erklärt Sing. Nebenan in einer Werkhalle können die Menschen dann Arbeit finden. Auch Teakwondo Kurse mit einem echten Weltmeister aus München werden angeboten oder Behördengänge unterstützt. Die Sozialpädagogen sind dann die Brücke in die große Welt, die oft genug Ursache vieler Probleme ist. „Der Druck der Gesellschaft, täglich leistungsfähig zu sein, wird immer größer. Wir merken das“, macht Pörner klar. „Einige Menschen, die unsere Hilfe in Anspruch nehmen, haben sich im wahrsten Sinne des Wortes aufgearbeitet.“ Aus dem frustrierten Feierabendbier wurde dann schnell mehr, bis die Welt um sie herum aus den Fugen geriet.
Ein Stückchen Normalität – Pörners Idee mit dem kostenlosen Haarschnitt bei Brigitte Müller stieß auf viel Gegenliebe. „Es gibt Klienten, die beispielsweise Probleme damit haben, von anderen berührt zu werden. Irgendwann befindet man sich dann auch optisch abseits der Norm. Steckt man einmal in diesem Kreislauf drin, wird es immer schwieriger, davon auszubrechen“, machte sie klar. Bei B.B.‘s Frisuren war die Gruppe in guten Händen. Seit 48 Jahren schneidet Brigitte Müller Haare, zusammen mit ihren beiden Kolleginnen verwöhnte sie Pörners Schützlinge in guter Friseurtradition: Haare waschen und ein typgerechter Schnitt. Die Erleichterung war danach zu spüren. „Wow, das sieht richtig gut aus!“, da waren sich am Ende alle einig.
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