Wahrheit hinter der Legende
(Mainburg, ce)Die meisten älteren Mainburger kennen noch die schöne und eindrückliche Geschichte vom Hostienfrevel, der sich irgendwann in grauer Vorzeit am Salvatorberg zugetragen haben soll. Bei Nachforschungen stellt sich schnell heraus, dass sich hinter der Legende ein sehr wahrer Kern verbirgt.
Stufen hinauf zum Hofberg, dem Ort des Geschehens
Auch die Stadtführer erzählen gelegentlich am Fuße des Hofbergs diese alte Legende. Die Gäste sind immer sehr beeindruckt, wenn sie den ganz realen Hintergrund erfahren, mit dem niemand gerechnet hätte. Nun findet die Geschichte auch Einzug in die Schauspielführungen: Eine junge Frau springt aufgeregt die Treppen vom Salvatorberg herab, ganz atemlos ist sie. Und was sie da zu berichten hat klingt wirklich sonderbar:
Dort oben soll sich die Erde aufgetan haben unter einem Fuhrknecht, gleich nachdem er einem Pfarrer die Hostie aus der Hand geschlagen hat. Der Pfarrer war auf dem Kreuzweg bergauf unterwegs, 170 beschwerliche Stufen, einem Kranken wollte er die Kommunion bringen. Aber der rücksichtslose Fuhrknecht hatte es eilig, als der Pfarrer nicht gleich weichen wollte schlug er ihm das Allerheiligste aus der Hand – und da verschlang ihn die Erde. Die Hostie aber schwebte über der Erde, sagt man. Und nur ein Priester konnte sie in die Kirche zurück bringen.
Nur so konnten sich Menschen früher ein Unglück erklären: Gottes Strafe für Sünden und Vergehen.
Der historische Hintergrund ist banaler und belegbar, aber nicht minder beeindruckend:
Am 25. Januar 1348 bebte rund um Friaul die Erde, so stark wie sonst nie. Wohl Stärke acht oder sogar neun soll erreicht worden sein, und die Ausläufer waren auch bei uns deutlich spürbar. In Passau, so berichten zeitgenössische Quellen, fingen die Kirchenglocken von selber an zu läuten, ein Kloster stürzte ein, in München fielen Ziegel von den Dächern.
Es waren unheilvolle Zeiten und Zeichen. Nur wenige Monate zuvor war Kaiser Ludwig der Bayer gestorben, auf der Jagd bei Fürstenfeldbruck. Exkommuniziert. Das Unheil folgte ganz offenbar in Form dieses Erdbebens, glaubten manche. Bald darauf raste ja sogar die Pest über Europa.
Auch in Mainburg tat sich damals die Erde auf und verschlang den Weiler Englmarsdorf. Der hatte einst aus ein paar Häusern, Höfen und Stallungen bestanden und gehörte zum Ursprung des Marktes. Geblieben ist nur die Englmarsdorfer Straße und es ist sehr wahrscheinlich, dass der Weiler tatsächlich mit den Ausläufern jenes italienischen Erdbebens ausgelöscht wurde – und dass hier die Legende vom Hostienfrevel ihren Anfang nahm.
Noch heute erzählen sich die älteren Bürger übrigens dass es früher oben in der Salvatorkirche ein Loch gab, tief und geheimnisvoll, das nie voll wurde... Genau hier soll der Fuhrknecht verschlungen worden sein, genau hier soll deshalb ein Kirchlein errichtet worden sein.
Das passt zeitlich nicht ganz, die Kirche oben auf dem Burgberg stand schon mindestens hundert Jahre, wohl noch länger. Aber örtlich passt es sehr genau. Und wie meist haben die schönen alten Legenden einen wahren Kern.
Kommentare
Einen Kommentar schreiben
Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen.