Gegen den Plastik-Fluch
(Pfaffenhofen, hal)Patricia Kufer vor ihrem plastikfreien Kühlschrankinhalt. Foto: Kufer
Das Thema Plastik und damit die Verschmutzung der Umwelt, insbesondere der Meere, ist in aller Munde. Dabei wäre es so einfach: Wenn jeder Verbraucher selbstkritisch die Verwendung von Plastik individuell verringern würde, könnte man schnell die Mengen senken.
„Plastikvermeidung steht hoch im Kurs. Gerne unterstützt der Landkreis daher die Initiative der Plastikfrei Community Pfaffenhofen, Bürgerinnen und Bürger bei der Vermeidung von unnötigem Plastik, das Klima und Natur belastet, im Alltag zu unterstützen“, so Landrat Martin Wolf.
Mal schnell den Schokoriegel an der Kasse mitgenommen, die Milch im Tetrapak gekauft und sich für die Mittagspause für frisch geschnittene Früchte und den fertig gemixten Salat im Becher samt Plastikbesteck vom Supermarkt entschieden. Und schon wieder vermehrt sich der Plastikberg. „Das schlechte Gewissen ist immer mit dabei, denn wir wissen, mit unserem Plastikverbrauch kann es so nicht weitergehen“, betont Doris Rottler von der Fachstelle Energie und Klimaschutz des Landratsamts.
„Seit 1950 das erste Plastik auf den Markt kam, hat es seinen Siegeszug um die Welt angetreten. Wurden damals 1,5 Millionen Tonnen Kunststoffe pro Jahr hergestellt, sind es nun über 300 Millionen Tonnen pro Jahr bei steigender Tendenz“, so die Expertin. Das vielfältige und langlebige Material lasse sich für Verpackungen, Möbel, Spielzeug und sogar Kleidung einsetzen.
37 Kilo Plastikmüll produziert laut einer Studie des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft im Durchschnitt jeder Mitbürger jährlich. Allein in den vergangenen zehn Jahren stieg der Pro-Kopf-Verbrauch an Plastik um knapp 30 Prozent. Rottler: „Nur knapp die Hälfte des Plastiks wird recycelt. Der Rest wird thermisch verwertet, deponiert oder landet als Abfall in der Umwelt und im Meer.“ Dort macht sich die Kehrseite der Langlebigkeit bemerkbar: Beispielsweise 450 Jahre braucht eine Plastikflasche, bis sie sich in der Umwelt in kleinste Partikel zersetzt hat. Diese gelangen über die Nahrungskette in Pflanzen, Tiere und Menschen. Und nicht nur das: So genannte Additiva, wie Bisphenol A, Phtalate oder Flammschutzmittel und Farbstoffe, die den Kunststoffen beigesetzt werden, stehen in Verdacht, krebsbildend und/oder hormonell auf den menschlichen Organismus zu wirken.
Familie Kufer aus Pfaffenhofen spielt bei dieser Entwicklung nicht mehr mit. Vor knapp fünf Jahren hat sie den Schlussstrich gezogen und lebt seitdem praktisch plastikfrei. Ausschlaggebend war eine Fernsehdokumentation: „Im Film wurde eine Familie portraitiert, bei der man Bisphenol A im Blut nachweisen konnte. Vier Wochen hat diese Familie auf Plastik verzichtet und danach konnte man feststellen, dass auch die Bisphenol A-Konzentration im Blut geringer war“, erzählt Patricia Kufer. Nach und nach hat sie daher den Familienhaushalt auf plastikfreie Alternativen umgestellt. Der Anfang war mit Trinkflaschen und Behältnissen für Lebensmittel schnell gemacht. „Putzen, einkaufen, waschen – anfangs war das mit einigen Herausforderungen verbunden. Zentral war die Frage: Wo bekomme ich was? Zum ersten Mal zum Metzger zu gehen und sich die Wurst direkt in die mitgebrachte Dose legen zu lassen, das hat schon Überwindung gekostet.“
Was anfangs ein Experiment war, ist heute gelebter Alltag. Und der hat sich in der Familie mittlerweile eingespielt. Zahnbürsten aus Holz, Gefäße aus Glas und selbstgemachte Kosmetika haben den Einzug in den Haushalt gehalten. Ein Riesenaufwand? „Einstellungssache“, meint Patricia Kufer, die mit ihrer Familie 2017 den städtischen Klimaschutzpreis gewonnen hat. „Wir leben plastikfrei aus Überzeugung, ohne uns einzuschränken. Wir transportieren Milch, Joghurt, Sahne in Pfandgläsern sowie Käse und Wurst in mitgebrachten Behältern. Oliven und Antipasti zum Beispiel gibt´s nur aus eigenen Dosen. Der Wocheneinkauf funktioniert ohne Verpackungen und man hat ein gutes Gefühl dabei. Und wenn man die vollen Mülltonnen der Nachbarn sieht und dann unsere, in der kaum etwas drin ist, macht uns das schon ein wenig stolz“.
„Einfach den Anfang machen“, rät Patricia Kufer allen Menschen, die künftig auf (noch mehr) Plastik verzichten möchten. „Nicht mit dem schwierigsten beginnen oder gleich alles wollen, sondern überlegen, wo kann ich ganz einfach auf Plastik verzichten. Viele Dinge wissen wir längst.“ Sich selbst unter Druck zu setzen und die Sache dogmatisch anzugehen, davon hält die „Plastikfrei-Expertin“ nichts. Man müsse es gern tun und davon überzeugt sein.
Es gibt viele Möglichkeiten, sofort auf Plastik zu verzichten, zum Beispiel bei Verpackungen, Take-away-Essen und Kleinstpackungen. Schrittweise können dann auch andere Themen in Angriff genommen werden. Was möglich ist, wird Patricia Kufer, die zusammen mit Caro Färber die Plastikfrei Community Pfaffenhofen gegründet hat, zeigen. Demnächst gibt es viele Denkanstöße und erprobte alltagstaugliche Tipps, das eigene Leben ein Stück plastikfreier zu gestalten. „Die Ratschläge werden gut umsetzbar sein“, verspricht Doris Rottler.
Patricia Kufer und Caro Färber haben 2017 die Plastikfrei Community Pfaffenhofen gegründet. In regelmäßigen Abständen tauscht sich der „Plastikstammtisch“ zu diversen Themen, wie z.B. „Wie bringe ich meinen Kindern bei, dass Plastikspielsachen nicht gesund sind“, „Plastik und Sport“ oder „fair hergestellte Kleidung ohne Plastik“ aus.
Interessenten können sich gerne zum Newsletter der Plastikfrei Community Pfaffenhofen anmelden auf www.unkraut-von-dahoam.de
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