Marktfinanzen: Kassensturz schwieriger als erwartet
(Wolnzach, ted)Es ist ein ungewöhnlicher Grund, eine Gemeinderatssitzung nicht nur zu verschieben, sondern regelrecht ausfallen zu lassen. Aber diesen Donnerstag wird sie nicht stattfinden. Bürgermeister Jens Machold: „Uns liegt das Prüfungsergebnis der Kontrolleure des Gemeindetags zu den Gemeindefinanzen Wolnzachs noch nicht vor. Was wollen wir dann entscheiden, wenn wir nicht wissen, ob wir es noch finanzieren können“. Finanzierbar wäre es alleweil, aber es gibt Finanzlinien, zu deren Aufhebung der Gemeinderat zuzustimmen hat. So z.B. für die Kassenkredite. Sie dürfen 3 Mio Euro nicht übersteigen, ohne dass der Wolnzacher Gemeinderat sein Plazet zu geben hat bzw. eine neue Kreditlinie festzulegen hat. Natürlich stehen dahinter auch Anleitungen „von oben“. So werden Gemeindefinanzen ähnlich wie Bilanzen durch Banken vom Gemeindetag in Empfehlungen gehüllt. Kassenkredite sollen bei einer Größe wie Wolnzach und bei einem Gewerbe- und Einkommenssteuervolumen einen gewissen Betrag nicht überschreiten. Das waren bislang die besagten 3 Mio Euro und die Gemeindefinanzen schlittern derzeit an dieser Grenze.
So kann also schon eine „kleine“ Maßnahme diese Grenze überspringen bzw. die Gemeinde müsste Lieferantenrechnungen in der Bezahlung schieben, wie es viele Kämmerer handhaben – dann müssen die Handwerker auf ihr Geld entsprechend lange warten. Im Bauhandwerk hat dies schon Konkurse nach sich gezogen. Jens Machold, gelernter Jurist, weiß um die Folgen illegalen Handelns und geht auf Nummer sicher.
Doch sind immerhin die Kassenkredite in ihrer Höhe erkannt. Auch alle übrigen Kredite des Marktes Wolnzach sind erfasst. Viele Gerüchte haben sich natürlich um die Schuldenlage des Marktes gerankt. Und das Aussetzen der Gemeinderatssitzung wird sie nicht verstummen lassen. Ganz im Gegenteil. Sicherlich fordert der Gemeinderat nicht nur den Kassensturz, um neue Kreditlinien zu gewähren. Praktisch muss ein neuer Haushalt für das laufende Jahr beschlossen werden, mit Refinanzierungszeiträumen.
Was dabei herauskommen kann, schwant dem Gemeindeoberhaupt. Doch etwas trotzig stellt er fest, dass er als Bürgermeister Dinge verändern soll und nicht nur Schuldendienst zu leisten habe. Unübersehbar gab es freilich zu viele Baustellen und Projekte, die der Markt zum Ende der Periode Schäch in Angriff nahm. Das hat natürlich finanzielle Spätfolgen, auf die die Wolnzacher Woche im letzten Jahr wiederholt hinwies, auch wenn dies Bürgermeister Schäch so nicht passte. Die finanzielle Decke war zu kurz. Da hilft auch streiten nichts. Ein Kauf der Hopfenhallen mit Abriss kollidierte mit dem Neubau des Schwimmbads. Die Hopfenstraße muss finanziert werden, Turnhallenbau und vieles mehr. Das alles wurde aus einem Schuldenstand heraus beschlossen. Wenn die Neuprojekte in ihrem Nettovolumen die Einnahmen aus Gewerbesteuer und Einkommenssteueranteil abzüglich der Verwaltungskosten übersteigen, wächst der Schuldenstand um diese Differenz. Das kann auch nicht schön geredet werden. Weil das Nettovolumen der Investitionen erst entsteht, wenn Bürgerbeteiligungen (z.B. bei Umlegung Straßenbau) und Zuschüsse eingegangen sind, ergibt sich bis dahin das Bruttovolumen als Finanzierungsbedarf. So schnellen die kurzfristigen Schulden in die Höhe, sobald die Rechnungen eingehen. Für einen neuen Kämmerer ist dies sicherlich ein Alptraum, wenn die Kassenkredite ausgeschöpft sind. Und dafür sind Kassenkredite gedacht. Nicht als langfristiges Finanzierungsmittel im „Revolververfahren“.
Viele Projekte, viele Zuschüsse, aber ein um so höherer Zwischenfinanzierungsbedarf. Ohne Finanzierungsrechnungen neben dem kameralistischen Haushalt geht das nicht. Die momentane Finanzkrise kann doch wirklich keinen Gemeinderat überraschen, besonders wenn er bei den Beschlüssen in der Vorperiode beteiligt war. Addieren wir also Umlagen und Zuschüsse, die noch nicht eingegangen sind, zum beschlossenen Nettofinanzbedarf hinzu und wir wissen sehr schnell, welcher zusätzliche Finanzierungsbedarf kurzfristig besteht und wie lange. Langfristige Schulden sind langfristig zu finanzieren. Es wird also eintreten, dass das Limit für Kassenkredite um 50 % zu erhöhen ist und zugleich eine Umschuldung langfristiger Verbindlichkeiten aus Kassenkrediten in Darlehen erfolgen muss. Komisch ist es schon, dass am Kapitalmarkt seit 2007 die längeren Kredite einen niedrigeren Zinssatz erfordern als kurzfristige und in der Gemeinde Wolnzach alles umgekehrt (gewesen) ist.
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