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Norbert Nemetz: Der Blick für das Wesentliche und das Ganze

(Wolnzach, )

Wer sich je Gedanken über die geistlose, lakaientreue Umsetzung von Verwaltungsvorschriften, zum Nachteil der Menschen gemacht hat, wird sofort an viele Beispiele erinnert, die das bestätigen.

Da ist der Schulbusfahrer, der ein neunjähriges Mädchen nicht einsteigen ließ, weil es den Schülerausweis vergessen hatte. Auch die Tausenden am Schreibtisch entschiedenen Sorgerechtsurteile sind unrühmlich.

Ein schönes Beispiel gibt auch der Vollzug der Richtlinie, die den Krümmungsgrad der Gurken festschreibt. Das Umweltstrafrecht öffnet grenzenlos die Möglichkeit, in die Strafbefehlsfalle zu stolpern (Augsburger Abfallverwertungsanlage AVA 15.05.08).

Der hohen Rechtsunsicherheit ist beim neuen Gleichbehandlungsgesetz Tür und Tor geöffnet (die Juristen freuen sich). Selbst staatliche Institutionen verwickeln sich in Tausenden von unterschiedlichsten Richtlinien und zum Teil gegensätzlichen Vorschriften und Gesetzen, in sogenanntes Unrecht. Schon ein Jahr später ist der gleiche Vorgang legitim, der vorher auf Grund von Denkblockaden und Strafrecht verfolgt wurde.

Auch die Gesetzgebung (Deutscher Bundestag) verfängt sich in diesem Wirrwarr. Immer wieder hebt das Verfassungsgericht (in Karlsruhe) beschlossene Gesetze auf, weil sie nicht verfassungskonform sind.

Regelmäßig werden Kommunen, Städte und eigentlich alle staatlichen Instanzen per Gerichtsbeschluss zur Aufgabe ihres von hochkarätigen Juristen erarbeiteten Standpunktes gezwungen.

Der Steuerdschungel ist ein weiteres Feld, auf dem unsere Staatsgewalt jeden jederzeit fassen kann. Zwei Drittel der Weltliteratur in Sachen Steuern sind in deutscher Sprache geschrieben – da kennen sich selbst die besten Steuerrechtler nicht mehr aus! Die Folge ist: Alleine die Stadt Köln hat mehr Finanzbeamte als die gesamte Schweiz beschäftigt. Ein Staat, der über 150 verschiedene Sozialleistungen anbietet, bringt, wenn er nur will, jeden Bürger, aber auch jeden Bürgermeister vor den Richter.

So wird in einigen Jahren das über Jahrhunderte verstaubte, kameralistische Rechnungswesen der öffentlichen Hand, gegen ein zeitgemäßes, kaufmännisch richtiges und somit besseres Finanzwesen aufgegeben werden. Über 20 Gemeinden in Bayern haben zum Sammeln von Erfahrungen schon umgestellt.

Dann würde vieles in einem anderen Licht erscheinen. Die Wertstellungen würden explizit ausgewiesen und dargestellt.

Ich gebe zu, einiges hat sich ja geändert, ich kann mich noch erinnern, als der unsägliche Kuppelparagraph viele Menschen vor den Richter brachte. Spielend leicht konnte jeder frömmelnde Mitbürger seinen Nachbarn vor den Kadi bringen. Schon Vincent van Gogh schrieb: „Es ist besser, feurig von Geist zu sein, selbst wenn man dann mehr Fehler begeht, als beschränkt und übervorsichtig“.

Der Blick für das Wesentliche und das Ganze, die moralische Überzeugung, gefestigt aus dem geläuterten Gewissen, die Liebe zu den Menschen, die Gewissheit, der erfahrenen und gereiften Persönlichkeit, das Richtige, nämlich lösungsorientiert entschieden zu haben, rechtfertigt jederzeit die nicht buchstabengenaue Einhaltung von Verwaltungsvorschriften.

Anders der Pharisäer mit seinen Sekundärtugenden, der immer eine Vorschrift parat hatte, um nicht handeln und helfen zu können.

Wir haben einen hohen Respekt vor Menschen, die Gesetze umgangen und geholfen haben. Beispiele gibt es genug im Alten und im Neuen Testament, im Mittelalter, die letzten 500 Jahre, von 1933 – 1945, wir ehren sie zurecht, weil sie die Menschen liebten und nicht die Vorschriften.

Viele von euch hören sich in den nächsten Wochen wieder voller Inbrunst die Weihnachtsgeschichte an, würden aber nie ihre eigene Haustüre aufsperren und Asyl gewähren und helfen. Ich möchte sehen, wer von euch „Gerechten“ einen jungen Palästinenser mit seiner schwangeren Frau Obdach gewähren würde.

Ihr braucht nicht verzagen und mit schlechtem Gewissen, aber mit gesicherten Sparkonten ins gemachte Bett zu gehen.

Es gibt noch viele Steigerungen. Derjenige, der Leute entlässt, um seine Kapitalerträge ungestraft und schamlos auf 25 % hochschrauben zu können, der 0,5 – 100 Millionen für sich selbst behält und Milliarden durch Spekulationen verschiebt, ganze Volkswirtschaften zum Zittern bringt, der mit von euch eingesammeltem Geld die Dritte Welt ausbeutet, der sich aber immer noch gesetzeskonform verhält – auf den könnt ihr schimpfen und euch dabei gut fühlen.

Eigentlich sollte es so sein: Was das Gesetz nicht regelt, verbietet die Moral, was das Gesetz regelt, muß durch die Moral ständig hinterfragt werden.

Bitte seid in Zukunft vorsichtiger beim Verurteilen, denn niemand ist besser, wenn man ihn lobt und niemand ist schlechter, wenn man über ihn lästert.

Norbert Nemetz

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