Stellen Sie sich vor, Biedenkopf liest – und keiner geht hin! Ganz so schlimm war es nicht, als Kurt Biedenkopf die Reihe „Lesezeit“ in der Buchhandlung Pesch mit der Vorstellung seines neuen Buches „Wir haben die Wahl“ bereicherte. Vor gut gefülltem Hause stellte Dorle Kopetzky, Mit-Initiatorin der Lesung, den prominenten Politiker vor, der anschließend für einen interessanten, aufschlussreichen und nicht zuletzt auch unterhaltsamen Abend sorgte.
Prof. Kurt Biedenkopf, Jahrgang 1930, war in den 60er Jahren Rektor der neugegründeten Ruhr-Universität Bochum. Von 1973 bis 1977 war der gebürtige Ludwigshafener CDU-Generalsekretär und von 1990 bis 2002 Ministerpräsident des Freistaates Sachsen. Seit 2003 ist er Vorsitzender des Kuratoriums der Hertie School of Governance Berlin. Derzeit ist Biedenkopf Vertreter der Bundesländer im Lenkungsausschuss des Banken-Rettungsfonds der Bundesregierung.
Als einer der wichtigsten Meinungsführer Deutschlands präsentierte er in der Buchhandlung angenehm ruhig und gelassen, doch durchaus mit dem nötigen Nachdruck, die Ideen seines Werkes: ein Loblied auf Reformbereitschaft, Flexibilität und Modernität. Wesentliche Wahrheiten stünden im gesellschaftspolitischen Raum: Immer weniger „Junge“ werden per Rentenversicherung für immer mehr „Alte“ aufkommen müssen, und dies führe zwangsläufig zu der Frage, wie das bezahlt werden soll, eine Frage, deren Beantwortung ein hohes Maß an Umdenken erfordere.
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Die nette Dame neben Kurt Biedenkopf (auf zwei Fotos) ist seine Gattin Ingrid
Kurt Biedenkopf plädierte für mehr Entscheidungen von unten, von der Basis. „Wir haben als Konsumenten im weitesten Sinne die Freiheit, das, was wir haben wollen, wenigstens zum großen Teil zu bestimmen – und diese Freiheit haben wir nicht immer genutzt!“ Dies führe zum Untertitel seines Buches: „Freiheit oder Vater Staat“. Je mehr Verantwortung die Bürger dem Staat aufzwingen, desto mehr wird er sich in einem Wust von Aufgaben verzetteln, und der sogenannte „kleine Mann“ ist jetzt gefordert, sich die „Freiheit“ zu nehmen, um „Vater Staat“ zu stärken – indem er ihn entlastet! Entscheidungen müssen wieder dort getroffen werden, wo sie unmittelbare Auswirkungen haben: nicht Brüssel, sondern Deggendorf, nicht Berlin, sondern Pfaffenhofen! Damit wird überzogener Zentralismus und Bürokratismus verhindert, mehr Bürgernähe ermöglicht und Engagement und Motivation der Bürger gestärkt. |
Dazu gehöre selbstverständlich auch, die Natur zu erhalten und nicht zu plündern. Als er geboren wurde, erklärte Kurt Biedenkopf, gab es zwei Milliarden Menschen auf der Erde; heute sind es mehr als sechs Milliarden: „Aber die Zahl der Fische im Meer ist nicht größer geworden – das sollte uns zu denken geben!“
Ebenso zu denken geben sollte uns die Tatsache, dass von der politischen Prominenz der Kreisstadt – egal, welche Farbe das jeweilige Parteifähnchen hat – niemand den Weg in die Buchhandlung gefunden hatte. Auf wen warten die Damen und Herren eigentlich? Sie sind ja auch zugegen, wenn transitorische Minister Firmen oder Volksfeste besuchen; dann kann’s doch nicht so schwierig sein, einem eloquenten und prominenten Politiker mit jahrzehntelanger Erfahrung und einleuchtenden Thesen die Ehre zu erweisen. Möglicherweise könnte man sogar was lernen. Aber, um es mit Kurt Biedenkopf zu sagen: Man hatte die Wahl. |
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