Lesenswert und lebenswert: unsere kleine Stadt
(Pfaffenhofen, lot)Wie, bitte schön, lässt es sich in einer kleinen Stadt, gar in der lebenswertesten Stadt der Welt, leben? Das war die Frage, auf die die Gruppe „Lesezeichen“ im Rathaussaal eine literarische Antwort präsentierte. Dass die Lesung im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Stadt.Geschichte.Zukunft“ auch noch musikalisch begleitet wurde, machte sie zu einem außergewöhnlichen Hörgenuss.
Ebenso musikalisch outete sich zu Beginn Dr. Lorenz Kettner, der Kopf der lesenden Truppe, als er zu Quetschen-Begleitung einige selbstgeschriebene Gstanzl zur aktuellen Lage in der bekannten und von höchster südkoreanischer Stelle anerkannten lebenswertesten Stadt der Welt zum Besten gab. Eine weitere Neuerung war die Gastleserin: An Stelle von Lena Kettner, die terminlich verhindert war, saß Eva Berger, die Kulturmanagerin der Stadt, zwischen Nora Seiler und Christian Weigl auf dem Podium im ausverkauften Rathaussaal.
Dann ging die Reise los durch die Werke von Autoren aus Vergangenheit und Gegenwart, die alle auf irgendeine Weise Bezug nahmen auf das Leben in einer kleinen Stadt: kleine Freuden, große Freuden, alles gewürzt mit einem gehörigen Schuss Humor, der von Anfang an das Publikum begeisterte. Lenz Kettner gab gelassen den schelmisch ruhenden Pol, um den seine Mitstreiter übermütig kreisen konnten. Nora Seiler zu seiner Rechten zeigte sich bestens aufgelegt und las mit perfekt getimtem Körpereinsatz, was Eva Berger, die Debütantin im Reich der (Vor-)Leselust, zu einer bemerkenswerten Leistung inspirierte.
Christian Weigl, links außen. Mehr braucht’s eigentlich nicht zu sagen. Wenn irrwitzige Gestalten leibhaftig auf die Bühne treten, wenn tausend Dialekte eine kleine Stadt in ein liebens-, lebens- und lesenswertes Universum verwandeln, hat er die magischen Stimmbänder in der Hand: Helmut Fischer war da als Monaco Franze, der Qualtinger als Travnicek, der kluge Joschkele als aschkenasisches Schlitzohr – und niemand erklärt so abgeklärt die Logik eines Karl Valentin, wenn es um Fremde unter Fremden geht oder um Bekannte, die fremdeln, weil sie noch nicht bekannt sind …
Die Gruppe „Marazula“ begleitete die Lesung musikalisch, und wem Buchstaben und Wörter manchmal oder schnell ein bisschen zu viel werden, der findet bestimmt bald Gelegenheit, Eva Bonk (Violine), Regina Chalupper (Flöten und Kontrabass), Helga Widmann (Akkordeon), Oliver Grenz (Gitarre) und Burkhart Wagner (Kontrabass und Gitarre) in einem eigenen Konzert zu erleben. Ihre Musik bindet – so „zaub’risch schön“ – jüdische Wurzeln, zigeunerische Melancholie und irische Lebenslust in wogende Melodien, die selbst die lebenswerteste Stadt der Welt im Rathaussaal lebenswert machen.
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