Was für ein Abend - was für Emotionen - was für tolle Musik!
(Regensburg, hal)
Spannung liegt in der Luft. Im Antoniushaus in Regensburg findet das Abschlusskonzert des ersten Bayerischen Brass Band Camps statt. Was erwartet uns? Angekündigt wurden 90 Blechbläser, die eine ganze Woche lang mit namhaften internationalen Dozenten geprobt hatten. Und dann geht es bei fast tropischen Temperaturen los: Eine Fanfare vom Balkon geschmettert zur Eröffnung. Homogener Klang schon beim ersten Werk. Dirigiert von Tijmen Botma, einem der besten Holländischen Dirigenten, Hochschullehrer für Dirigieren und Leiter eines professionellen Fanfareorchesters dort.
Begrüßende Worte von Franz Matysiak, dem künstlerischen Leiter der Bayerischen Brass Band Akademie (3BA) und die Spannung steigt nochmal. Die erste Brass Band betritt die Bühne, alles ganz professionell mit einheitlicher Kleidung, gelber Krawatte, organisierter Einstieg.
Mit dem englischen Marsch Slaidburn eröffnet die Band das Konzert ganz traditionell. Es soll die Band sein, deren Musiker noch wenig Brass Band Erfahrung hatten - aber man hört einen homogenen, raumfüllenden Klang, technisch versiert und sauber intoniert. Das haben die Teilnehmer in vier Tagen von den Gastdirigenten gelernt.
Die Trompeterin Berit Palmquist, Schwedens Motor der Brass Band Szene, setzt mit “Four Fancies” von Ludwig Maurer gekonnt alte Musik in Bewegung und Klang um.
Tijmen Botma wieder entführt nicht nur die Musiker sondern auch die vielen Zuhörer mit “This Happy Island” von Gareth Wood auf eine fantastische Reise nach Jamaika.
Dann James Gourlay: als Tubist eine lebende Legende in der sinfonischen Welt und ehemaliges Mitglied des weltberühmten Philip Jones Brass Ensembles, Dirigent der einzigen professionellen Brass Band in den USA. Er führt den Klang der Band auf den Höhepunkt mit einer gewaltigen Komposition von Delta Energy von Jan Bosveld
Wechsel: Die zweite Band mit den blauen Krawatten und den fast gänzlich weiblichen Posaunensatz, die gleichen Dozenten: Nochmal eine Klangsteigerung! Es drückt uns fast in die Sessel, wie die Posaunen von Anfang an die Tameside Overture mit ihrer Spiellaune anführten. Eine beeindruckende Kulisse im Antonius Saal, ca. 35 Blechbläser und 6 Schlagzeugspieler die hier auf höchstem Niveau originale Brass Band Literatur spielen. Misstrauisch, klagend, vorwerfend das nächste Werk “Elegy I”, mit dem Untertitel Jealousy (Eifersucht) unter Tijmen Botma. Dann wieder James Gourley, der die Südstaaten und die Yankees musikalisch Frieden schließen lässt, “An American Tale” von Dan Price, das mit einem phänomenalem Schlussakkord im Stehen beendet wird. Musik, die man so selten zu hören bekommt unter Dozenten, die nicht alle Tage in Regensburg sind.
Pause, den Raum lüften: Franz Matysiak erzählt: „Wir haben den ganzen Tag geprobt, vier Tage jeweils fast zwölf Stunden, die Dozenten haben sich bei den drei Bands abgewechselt, vom Einzelunterricht, über Registerproben und Tutti Proben wurde alles angeboten. Die Musikakademie in Alteglofsheim war hier mit Ihren Räumen und Ihrer Versorgung rundherum eine ideale Arbeitsstätte. Der Freistaat Bayern und der Regierungsbezirk Oberpfalz, sowie die Firma Besson haben bei der Finanzierung sehr geholfen. Und nachts, nach dem Proben wurde im Schlosskeller gefeiert. Kein Wunder also, daß hier Musiziergemeinschaften entstanden sind, aus denen dann solche Bands im Konzert wurden!“
Nach der Pause: Was soll jetzt noch toppen, es war schon toll. Aber weit gefehlt: Jetzt kommt das Flagschiff der 3BA-Familie, sozusagen das Aushängeschild der Akademie, die Concert Band. Die einzige Band, die schon vor dem Camp bestand und mit vier gewonnen deutschen Meistertiteln, Europameister in der B-Section schon sehr erfolgreich war. Aber wie klingt das dann? Schwer in Worte zu fassen, schade, wer das nicht gehört hat. Zu Anfang die lockere, poppige Glory Fanfare mit Berit Palmquist, der Schwedin, am Pult. Umwerfende Leichtigkeit in der Interpretation! Dann ein Klassiker der englischen Originalliteratur: Vitae Aeternum - das ewige Leben musikalisch gezeichnet. Ein neuer Dozent vorne: Dave Lea, der Chef der Jaguar Land Rover Band, einer Band, die den Einzug in den British Nationals geschafft hat, kam als Gast spontan zum Camp. Präzision in Rhythmik, ein tolles Flügelhornsolo, unglaublich hohe Töne vom Soprancornet, singende Euphonien, schmetternde Posaunen, groovendes Schlagzeug. Blechbläserherz, was willst du mehr? Das Publikum steht jetzt und jubelt vor Begeisterung: “Mehr! Was für ein Klang!”
Es folgt das Wettbewerbsstück “Diversions on a Bass Theme” mit James Gourlay am Pult. Der Dirigent und das Werk fordern der Band alles ab: Kaskaden von kleinen Noten sind zu umschiffen, aberwitzig schnelle Passagen müssen die Tuben artikulieren. Alles sitzt auf der Stuhlkante, es ist eine unglaubliche Atmosphäre im Saal, man könnte eine Stecknadel fallen hören! Die 3BA Concert Band wird ihrem und den an sie gestellten Anspruch gerecht. Die beste Brass Band in Deutschland. Das sollten sie hören! Nun wird es lockerer: Zum Abschluss spielt die Concert Band unter Tijmen Botma die “West Side Story”. Da klingt ein sehr schweres Arrangement plötzlich ganz leicht.
Als krönender Abschluss des Konzertes formieren alle Teilnehmer ein riesiges Orchester, die Monsterband! Oh je, jetzt wird’s zu laut, oder? Weit gefehlt. Auch hier schaffen die Dozenten eine überwältigende Klangdifferenzierung. Erst ein weiterer englischer Marsch, “Keighley Moor”, und dann “Circle of Life” von Elton John. Hier wird sogar afrikanisch gesungen. Ein toller Abschluss!
Und keine Minute des dreistündigen Konzertes haben wir bereut! Und natürlich am Ende der Dank an denjenigen, der dies alles organisiert und initiiert hat: Claus Peter Wittmann, der Motor der Deutschen Brass Band Szene! Zugabe und Chapeau!
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