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Stachelbären gut wie eh und je

Alles beginnt im Himmel von Heimatdichter Josef Maria Lutz, der sich, passend zum Jubiläumsjahr, im Stockerstadel Pfaffenhofen auf der Bühne befindet. Von einem Neuankömmling erfährt der himmlische Jubilar die lebenswertesten, herausragendsten Errungenschaften seiner alten Heimat. Keine Stammtische, kein Rauch, keine Brauereien mehr, dafür greißlige, dem neuen sachlichen Wohnstil geopferte Gebäude, vor denen man beim Vorübergehen die Augen verschließen möge.

Einen Hoffnungsschimmer gibt es, die Bausünden der Vergangenheit verschwinden bis zur kleinen Landesgartenschau 2017, die betonierten Sünden der Gegenwart müssen länger warten. Der sich aufdrängende Wahlmarathon schließt sich logischerweise als Thema an. Landespolitiker und örtliche Glanzlichter der in arroganter Selbstgefälligkeit badenden Regierungspartei bekommen ihr Starkbierfett weg. Wer führt in Zukunft die Landfrauen durch das Maximilianeum, wer von Rudis Resterampe stellt sich als Nächster möglicherweise zur Papstwahl an? Politiker der bunten Art, über die man nicht lachen muss sondern darf, schließen den ersten Teil ab.

Die Identität des Pfaffenhofeners an und für sich konzentriert im multifunktionalen Wappen, der Gute Boden, der alte Pfiff, facebook für sehnsüchtige Rückblicker, der kahle Hauptplatz, Örtliches ist beliebt und gewollt. Die bayrisch- türkischen Beziehungen und ihre genetischen Folgen in der durchaus möglichen eigenen Vergangenheit, die ein dichtender Sauhändler bei seinem peinlichen Schmähverserl gegen ein Minarett einfach, aus welchen Gründen auch immer, übersieht, bekommen spontanen Extra Applaus. Die Pollerproblematik, nackte Apothekerinnen, Bomben und Granaten, die Entnazifizierung eines Porträts und die Sachzwänge beim Baden in einem Weiher schlängeln sich thematisch durch den Landkreis.

Bekannte und fast vergessene Figuren erzählen in bewährter, hoher Qualität und Perfektion die Geschichten des Fastenspiels der Stachelbären Brigitte Moser, Claus Drexler, Roland Andre, Michael Eberle und Volker Bergmeister. Die Feinheiten des bayerischen Idioms, zelebriert im Spannungsfeld über dem wissenden Alteingesessenen und einbürgerungswilligen Neubürger, sind die absoluten Stärken des Programms. Das abschließende deftige Aussingen in G´stanzlform, im Widerhall mit den mittlerweile weltberühmten Dellnhauser Musikanten, ist ein Kosmos für sich und entspricht in seiner „Gscheidheit“ der fast schon ausgestorbenen Ur-Pfaffenhofener Lebensart.

Die Stachelbären sind seit gut 30 Jahren die wahren Entwicklungshelfer in Pfaffenhofen. Wer sie kennt, kennt sich nach dem jährlichen Mir, Ihr und Bier Programm wieder aus. Wer sie nicht kennt, dem erklärt mit Sicherheit ein Wissender die Zusammenhänge. Zur Not tut es auch ein mehrmaliger Besuch der Vorstellungen, falls das Starkbier unvorhergesehene Lücken ins Gedächtnis gerissen hat. Das beste Programm seit Jahren, eine Renaissance des klassischen Singspiels, in dem den Regierenden in Liedform die Leviten gesungen werden.
 

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