Keiner ist schuld – Pfaffenhofen und der Zeitgeist
Heimatstadt oder Boomtown? Pfaffenhofen ringt um seine Identität. Der etwas missverständliche Titel der Podiumsdiskussion, Wachstum ist auch eine Form von Heimat, bescherte den Besuchern der Messe GUT LEBEN GUT WOHNEN 2013 den ersten Brennpunkt. Das Forum in der Halle Rund um die Region war voll besetzt und in den Gängen stauten sich die Zuschauer.
Geladene Mitglieder auf der Bühne waren Bürgermeister Thomas Herker, Altbürgermeister Hans Prechter, Ursula Beyer, Vorsitzende des Heimat- und Kulturkreises, Hans Irchenhauser, Immobilienmakler und Bauträger, Sebastian Gerlsbeck, Vorsitzender des Forum Baukultur und Reinhard Haiplik, Stadtrat und Heimatforscher. Die durchaus provokanten Fragen stellte die Führung der veranstaltenden Heimatzeitung, Robert Schmidl und Rudi Gegger.

Lebens-, Liebens-, Leidenswert könnte die Überschrift natürlich auch heißen, denn debattieren kann der Pfaffenhofener, besonders wenn es um „Sein“ Wohnzimmer Hauptplatz geht. Die anderen Räume der Stadt dagegen werden gerne vergessen. Die Gesamtsituation ist unbefriedigend, die Stadt eine einzige Baustelle und Gewinnmaximierung steht über der Pflege der Befindlichkeit. Die Vorgaben des Denkmalschutzes „der Neubau möge vor Altem optisch zurücktreten“ wird als genauso unverständlich empfunden wie der Zuckerbäckerstil mancher Möchtegern-Altbauten. Nicht immer ist der Architekt schuldig, wenn sich der Bauherr ein Denkmal setzt. Ein Schild an der Hausmauer, wer das zu verantworten hat, wie im Mittelalter, könnte da schon mäßigend wirken. Parkplatzvorschriften und ein weitgefasstes bayrisches Baurecht stehen im Wald der Eventualitäten, dafür möglichst wenig Bäume im winzigen Vorgarten, der Schattenwurf könnte ja die wunderschöne Solaranlage treffen. Die Kosten, die Vorschriften, die Nachfrage - am wenigsten wichtig ist der Geschmack, weil da könnte ja, bekanntermaßen, Streit entstehen. So herrscht der Konjunktiv, wie immer wenn’s ums Geld geht, schuld an irgendwas ist sowieso niemand, siehe oben.
Politiker, Bauträger und Geschmacksschützer wollen in erster Linie gehört werden, dabei einen guten Kompromiss auszuhandeln ist schon schwieriger, Demokratie ist anstrengend. Was früher die Kriege zerstört haben, wird heute in Genehmigungsbehörden zerlegt. Der Zeitgeist ist ein scheues Reh und gutmeinende Jäger gibt es viele. Wenn nach solchen Diskussionen auch etwas Greifbares passieren würde, wären auch die Beteiligten glaubwürdiger, aber da sind wir ja wieder beim Konjunktiv. Auf jeden Fall bekommt Pfaffenhofen jetzt sein eigenes „Weißes Haus“ und im zukünftigen ovalen Büro sitzt einer, der die Fragen nach der Pfaffenhofener Befindlichkeit aufs Vortrefflichste beantworten könnte.
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