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Weltmacht Papier – der Werkstoff wird zur Kunst

Rund ums Papier drehte sich vergangenen Freitagabend die Vernissage „Weltmacht Papier“ – organisiert von der Kastner AG. Die rund 500 geladenen Gäste durften Werke von Helene und Joachim Tschacher und des verstorbenen Prof. Manfred Dinnes bestaunen. Als Highlight des Abends wurde ein großes Buffet angeboten und Papiermacher Jörg Heilmair zeigte vor Ort, wie Papier hergestellt wird.

„Gegautscht, gestrichen, geformt“ – dies sind alles Worte, die den Herstellungsprozess von Papier beschreiben. Unter dem Motto „Weltmacht Papier“ eröffnete Eduard Kastner die Vernissage im Wolnzacher Hopfenmuseum und erklärte ausführlich die Hintergründe des Buffets sowie den Wandel der Papierindustrie während der heutigen „elektronischen Revolution“. So wurden an diesem Abend fünf verschiedene Suppen angeboten, die die Masse verkörpern sollen, aus der das Papier geschöpft wird. Eine Suppe besteht ja aus Wasser und anderen Zutaten, sie ist im Endeffekt der „Stoff im Wasser“, den es zu extrahieren gilt. Wenn man nun diesen Stoff durch ein Sieb herausfiltert, entsteht Papier. Drei Siebe standen auf einem der Buffettische – in diese wurden Hackfleischspieße mit Oliven hineingesteckt. In der Industrie ist der Herstellungsprozess des Papiers selbstverständlich stark beschleunigt, so erreicht man aktuell Spitzenwerte von rund 1 Kilometer Papier pro Minute. Wer gedacht hätte, Papier war schon immer billig, der täuscht sich. Papier gibt es zwar schon seit einer langen Zeit, doch erst im 19. Jahrhundert wurde das nützliche Produkt erschwinglich. Bis dahin wurde es lediglich aus Lumpen hergestellt, die vergleichsweise teuer waren.

Papier ist heutzutage zur Selbstverständlichkeit geworden. Zeitungen werden in großen Auflagen gedruckt und können zu günstigen Preisen erworben werden. Doch aufgrund der elektronischen Revolution, der Digitalisierung und dem Rückgang der Papierproduktion ist es nötig, dass das Papier einen Bedeutungswandel durchfährt. „Man muss aus Papier mehr machen, das kann elektronisch nicht wahrgenommen werden“, so Kastner. Dem Papier muss eine neue Form, eine Einzigartigkeit mit auf den Weg gegeben werden. Dass man aus Papier auch Kunst produzieren kann, beweisen die kreativen Köpfe Helene und Joachim Tschacher sowie Prof. Manfred Dinnes. Helene Tschacher begann ihre Karriere als Sozialpädagogin und Fachlehrerin, führte 1987 ihre Arbeiten in der eigenen Papierwerkstatt fort und gründete 1997 ihre Buchbinderei. In ihren Werken wird viel geschnitten: Sie zerlegt und zerschneidet Bücher und fügt sie in neuen Kompositionen zusammen, „die Information auf Papier wird zum ästhetischen Reiz“. Aus einem dicken Adressbuch mit annähernd zweidimensionalen Seiten schafft sie Formen mit räumlicher Tiefe. Ihr Mann Joachim setzt sich vor allem mit plastischen Objekten und Skulpturen auseinander. So schafft er eine Struktur, einen Durchgang, der dem Stonehenge ähnlich kommt. „Ost-West-Nord-Süd“ nennt er seine Komposition, die massiv aussieht, allerdings nur aus Papier besteht und wenige hundert Gramm schwer ist. Ein Hauptaugenmerk liegt hier vor allem auf den Spannungen und Kräften, die auf das Material einwirken. Joachim Tschacher war ein Mitstreiter von Giacometti und hielt sich 1962/63 mit knapp 19 Jahren bei ihm auf, um zu lernen.

„Ich male meine Antworten dem Leben entgegen.“ – ein Spruch von Prof. Manfred G. Dinnes. Der gebürtige Regensburger und spätere Kunstprofessor reiste schon in jungen Jahren durch Europa und Afrika, um neue Kulturen kennenzulernen. Nach zahlreichen Ausbildungen und einem Studium an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg begann er als freiberuflicher Künstler in seinem eigenen Atelier. In seiner weiteren Lebenszeit war Dinnes mehrfacher Mitbegründer von Theater-, Kunst- und Kulturkonzepten. 2012 entschied er aus freiem Willen, sich das Leben zu nehmen. Mit seinem Tod nahm seine Geschichte dramatische Dimensionen an. Seine Arbeit wird als sehr philosophisch bezeichnet. Dinnes arbeitete außerdem zusammen mit Jörg Heilmair an Werken, wo sich herauskristallisierte, dass bereits im Papier die Kunst steckt. Heilmair wendet sich von der industriellen Produktion des Papieres ab - weg von der Schnelligkeit, von Auflagen und Komplexität. Er fördert über Jahrtausend alte Kultur und erfüllt für seine Kunden die ausgefallensten Wünsche. Musikalisch wurde der Abend von der Ingolstädter Bluesband Rad Gumbo untermalt. Sänger Robert „Dackel“ Hirmer schaffte es mit seiner Band sogar, dass einige zu ihrem New Orleans Soul Blues das Tanzbein schwangen.

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